S-400 oder Patriot? Konkurrenz der Luftabwehrsysteme

Seite 2: Drohungen und Gegendrohungen

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Auch im US-Senat liegt mittlerweile ein Gesetzentwurf vor, der den Stopp des Verkaufs von F-35-Flugzeugen beabsichtigt - es sei denn, der Präsident bestätigt schriftlich, dass die Türkei erstens nichts unternimmt, die Interoperabilität in der Nato zu verschlechtern, zweitens keine Nato-Bestände an feindliche Akteure weitergibt, drittens nicht die generelle Sicherheit der Nato-Mitglieder vermindert, viertens keine Rüstungsgüter aus fremden Ländern importiert, wenn das US-Sanktionen verletzt, und fünftens nicht irrtümlich oder ungesetzlich amerikanische Staatsbürger festhält.

Die türkische Regierung ist wegen der Gesetzentwürfe bereits alarmiert. Außenminister Mevlut Cavusoglu sagte, er habe US-Außenminister Mike Pompeo seine Bedenken mitgeteilt. Auch der türkische Rüstungshersteller Aselsan, der die F-35 unter anderem mit Zielerfassungssystemen ausstattet, warnte die USA, sich selbst zu schaden. Das Geschäft zu stoppen sei "nicht möglich, das ganze F-35 -Programm würde zusammenbrechen. Die Türkei ist ein wichtiger Partner bei diesem Projekt", sagte Aselsan-Chef Haluk Görgün. Und noch andere türkische Firmen sind als Zulieferer eingebunden. Gut möglich also, dass die Flugzeuge wie vereinbart geliefert werden - auch wenn die Türkei in Russland Abwehrraketen kauft.

Verlaufsschlager S-400

Wie effektiv das russische Raketenabwehrsystem S-400 ist, ist unklar. Manchen gilt es gar als "F-35 killer", doch das zweifelt das Pentagon an. Was wenig verwunderlich ist: "Das Vorgehen des Pentagon scheint darauf abzuzielen, die Türkei davon abzuschrecken, russische S-400 zu kaufen", schrieb der konservative National Interest.

Nach dem letzten amerikanischen Luftschlag gegen syrische Stellungen behauptete das Pentagon, seine Raketen hätten von russischen Systemen nicht gestoppt werden können. Andererseits gibt es Hinweise, dass während der Angriffe die besten russischen Systeme in Syrien zwar in Alarmbereitschaft waren, aber nicht eingesetzt wurden. Moskau wiederum argumentiert, Amerikaner, Franzosen und Briten hätten bei den Luftangriffen gezielt die Regionen gemieden, die von S-400-Systemen geschützt wurden.

Jedenfalls glauben immer mehr Länder an die Wirksamkeit der S-400 und ziehen sie der Boden-Luft-Abwehr vom Typ Patriot vor ("Unser System ist besser"). "Das Interesse an den S-400 hat zugenommen, weil das US-System Patriot nicht in der Lage war, die saudi-arabische Hauptstadt Riad gegen Raketenangriffe der Houthi-Rebellen aus dem Jemen zu schützen", schreibt military.com.

Das Pentagon hat jetzt so oder so ein Problem: Denn wenn das S-400-Abwehrsystem nicht so wirksam ist wie behauptet, werfe das die Frage auf, bemerkte der National Interest, warum es überhaupt ein Milliarden teures Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug wie die F-35 brauche. Denn bis dato habe das Pentagon routinemäßig geklagt, das russische S-400 verschaffe seinen Besitzern Anti-access/area denial (A2/AD)-Fähigkeiten, verhindere also zum Beispiel Luftangriffe. So schreibt der National Interest:

Wenn wir die Pentagon-Behauptung akzeptieren, dass die russische Luftabwehr völlig ineffektiv ist, warum investieren die Vereinigten Staaten dann hunderte Milliarden Dollar in Tarnkappentechnologie? Das Argument, das benutzt wird, um die enormen Kosten der Tarnkappenflugzeuge zu rechtfertigen, verpufft, wenn die Bedrohung, der sie begegnen sollen, nicht existiert.

National Interest

Andere Maßstäbe bei Indien

Auch Indien will übrigens für 6 Milliarden Dollar russische S-400-Boden-Luft-Raketen kaufen, wie zuvor schon China, das S-400-Abwehrraketen im Wert von 3 Milliarden Dollar gekauft hat. Damit würde das Land wohl auch unter den Countering America's Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA) fallen, den US-Präsident Donald Trump im August 2017 unterzeichnet hat und der Sanktionen gegen Länder vorsieht, die Geschäfte mit der russischen Rüstungsindustrie machen. Nach einer Liste des US-Außenministeriums gehört dazu auch Almaz-Antey - das Unternehmen, das das S-400-System herstellt.

Aber bei Indien scheint das Pentagon weniger Bedenken zu haben als bei der Türkei. So sagte der designierte Oberkommandierende des US Pacific Command, Admiral Phil Davidson, man brauche Indien als Partner gegen China und solle deswegen Bedenken zurückstellen. "Wenn die Vereinigten Staaten diese Partner mit Sanktionen belegen, weil sie russische Ausrüstung kaufen, kann diese Entscheidung die Weiterentwicklung jeder dieser Partnerschaften behindern und jeden dieser Partner abhängiger von Russland machen", schrieb er in einer schriftlichen Stellungnahme an das Senate Armed Services Committee (SASC).