SETI und die Misere um die hauseigene Radiosternwarte

Dieses Bild vom Allen Telescope Array, auf dem nur ein Teil der 42 funktionstüchtigen Antennen zu sehen ist, dokumentiert die Verlorenheit der Schüsseln sehr anschaulich. Ursprünglich hätten sich auf einem Areal von 1 Hektar gleich 350 solcher Antennen dicht an dicht drängeln sollen. Bild: SETI.

Das Vorzeigeprojekt von SETI, das Allen Telescope Array, sollte längst vollendet sein, kämpft aber selbst im Kleinformat noch ums Überleben und wird immer interessanter für die U.S. Air Force

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Das Allen Telescope Array (ATA) wurde vom SETI-Institut in Mountain View (Kalifornien) und dem Radio Astronomy Laboratory der University of California, Berkeley entwickelt und gebaut. Die ursprünglich für die Suche nach außerirdischem Leben konstruierte Teleskop-Phalanx sollte eigentlich längst vollendet sein. Doch von den geplanten 350 Radioteleskopen sind infolge des begrenzten Budgets seit dem Jahr 2008 nur 42 in Betrieb. Seitdem Berkeley aus dem ATA-Projekt ausgestiegen ist und das SETI-Institut ein Jahr später das Zepter der Macht an eine wissenschaftliche Non-Profit-Organisation übergeben musste, glaubt keiner mehr an die Fertigstellung der Radiosternwarte. Der Lauschangriff auf ET & Co. geht zwar weiter, aber die U.S. Air Force okkupiert das Array sukzessive.

Es sollte zum Flaggschiff der SETI-Radioastronomen (SETI=Suche nach außerirdischer Intelligenz) avancieren, die seit April 1960 erdnahe Sternsysteme nach außerirdischen Funksignalen künstlichen Ursprungs abtasten und dabei ihre Observationen stets unter großem Zeit- und Gelddruck durchführen mussten. Es sollte eine neue Ära einläuten und sich als erstes großes Interferometer-Teleskop primär der Suche nach extraterrestrischen intelligenten Lebensformen widmen. Es sollte der klassischen SETI-Forschung völlig neue Möglichkeiten eröffnen, sie von den strengen Observationszeiten und Vorgaben befreien und unnütze bürokratische Hürden beseitigen. Zu guter Letzt sollte es jene Epoche beenden, als SETI-Forscher sich für ihre Projekte noch teure Teleskopzeit erkaufen oder sich - dem Prinzip der parasitären Suchweise folgend - darauf beschränken mussten, den Suchstrategien und Beobachtungszielen der konventionellen Radioastronomen brav zu folgen, um zumindest deren Zielobjekte belauschen zu dürfen.

Hochsensible Teleskop-Phalanx

Eigentlich sollte das Allen Telescope Array Anno Domini 2014 längst fertiggestellt sein. Den SETI-Detektiven sollte derweil ein riesiges Interferometer-Radioteleskop zur Verfügung stehen, mit dem sie 24 Stunden am Tag und in der Nacht und sieben Tage in der Woche den Himmel erstmals kontinuierlich beobachten können.

Die früher auf den Namen "One Hectare Telescope" getaufte Anlage sollte sich nicht nur auf einem 1 Hektar großen Areal erstrecken, sondern möglichst abseits irdischer Störquellen operieren. Damit Radiosender, Mobilfunksender und Fernsehsignale nicht dazwischen funken, fiel die Wahl der Radioastronomen auf das 470 Kilometer nordöstlich von San Francisco gelegene beschauliche kleine Dorf Hat Creek, das in einem Vulkankessel eingebettet ist. Würden auf diesem Terrain heute die 350 geplanten Antennen im Verbund arbeiten, wäre ATA in puncto Bandbreite und Leistungsstärke in neue Dimensionen vorgedrungen. Die Großanlage wäre empfindlich genug gewesen, nach ihrer Fertigstellung den Großteil der mehr als Myriaden infrage kommenden Frequenzen im Radiobereich zwischen 0,5 bis 11,2 Gigahertz genauestens zu analysieren. Die jeweils 6,1 Meter Durchmesser großen Schüsseln hätten dank der bestens optimierten Hard- und Software sekündlich 100 Millionen Kanäle abtasten können.

ATAs Sensibilität wäre zudem derart groß gewesen, dass es selbst eine aus 1000 Lichtjahren Entfernung kommende außerirdische sendestarke Nachricht mühelos registriert hätte. Nicht minder schlecht wäre die Bildqualität gewesen. Mit einer Auflösung von 15.000 Pixeln hätte ATA viele Radioteleskope der Gegenwart glattweg in den Schatten gestellt.

Das hier zu sehende modifizierte Arecibo-Teleskop mit seiner 305-Meter-Schlüssel bringt es nur auf sieben Pixel, ein einfaches klassisches Radioteleskop sogar nur auf einen Pixel. Bild: National Astronomy and Ionosphere Center, Cornell U., NSF.

Kampf gegen finanzielle Engpässe

Doch hätte, wenn und aber - letztlich sind die Wünsche der SETI-Radioastronomen bis heute nicht in Erfüllung gegangen. Der Traum von einer gigantischen Radiosternwarte ist ausgeträumt.

Kurz nachdem ATA im Jahr 2001 in die aktive Planungs- und Bauphase übergegangen war, zeichnete sich der finanzielle Engpass bereits ab. Hätte es vor 13 Jahren nicht eine großzügige Microsoft-Finanzspritze von mehreren Millionen Dollar gegeben, injiziert von dem MS-Mitbegründer Paul Allen, wäre noch nicht einmal der erste Testlauf planmäßig geglückt. Paul Allen, nach dem das Array benannt ist, spendete über einen Zeitraum von insgesamt sieben Jahren 30 Millionen Dollar (24 Millionen Euro), so dass der Premiere am 12. Juli 2008 nichts mehr im Wege stand. Tatsächlich gelang es den Astronomen, 12 Antennen zusammenzuschalten und einen ersten positiven Eindruck von der Kapazität der Anlage zu gewinnen.

Simulation des Allen Telescope Array. Bild: Berkeley/SETI

Doch als die 42 Teleskope so langsam zueinander fanden und aufeinander abgestimmt waren, kam die unliebsame Überraschung. Am 15. April 2011 wurde die Anlage notgedrungen abgeschaltet. Der Bundesstaat Kalifornien, die University of California, Berkely und die US-Fördermittelbehörde National Science Foundation (NSF) mussten ihre Zuschüsse kurzfristig einstellen, weil sie selbst vom Pleitegeier verfolgt wurden. Das Aus der großen Radioteleskop-Phalanx war besiegelt. Der Frustrationspegel der Verantwortlichen erreichte ungeahnte Höhen.

Just in der Phase, in der das NASA-Weltraumteleskop Planetenjäger Kepler mehrere Tausend neue exoplanetare Kandidaten lokalisiert hatte, darunter zahlreiche fast-erdähnliche Welten, wurde ATA wegen Geldprobleme auf unbestimmte Zeit auf Glatteis gelegt. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da lohnenswerte Ziele für spektrografische und SETI-Observationen en masse vorhanden waren, ging SETI finanziell die Puste aus.

Bild: NASA

Vorübergehende Endzeitstimmung

Die Larmoyanz, die sich innerhalb der SETI-Community breit machte, spiegelt auf nachfühlsame Weise ein Nature-Artikel wider, der im Juli 2011 publizistischen Niederschlag fand und in dem Titel gipfelte: "SETI IS DEAD-Long live SETI". In dem Beitrag wird unter anderem der SETI-Forscher Dan Werthimer von der University of California, Berkeley (USA) zitiert, der seine damalige Gefühlslage mit wenigen Worten beschrieb: "Wenn es schließt, tut es für meine Kollegen vom SETI-Institut leid. Aber das wird uns hier in Berkeley nicht weiter berühren." Schließlich gebe es ja noch die Option, kleinere, weitaus billigere SETI-Suchläufe mit Radioteleskopen rund um den Globus zu initiieren.

Werthimer zufolge kann Plan B daher nur lauten, wieder zu den alten Wurzeln zurückzukehren und sich damit zu begnügen, Teleskopzeit zu kaufen. Um hierfür Geld einzusammeln, bedarf es keiner großen Funding-Aktionen mehr. "Das ist genau der Weg, den wir einschlagen sollten", sagt Werthimer. "Es ist naiv zu denken, dass wir wissen, was außerirdische Intelligenzen, wenn diese uns um eine Milliarde Jahre voraus sind, machen werden. Daher brauchen wir eine Wissenschaft der kleinen Schritte, die eine Menge Dinge ausprobiert." http://www.nature.com/news/2011/110727/pdf/475442a.pdf

Jills erfolgreicher Kampf

Gegen den aufkommenden Pessimismus stemmte sich die weltweit bekannteste SETI-Wissenschaftlerin, Jill Tarter, mit Verve, deren Part Jodie Foster seinerzeit in dem vielbeachteten Kinofilm "Contact" spielte, der auf dem gleichnamigen Roman von Carl Sagan beruht. Die inzwischen offiziell im Ruhestand befindliche Grande Dame der amerikanischen SETI-Forschung war früher die Direktorin des SETI-Instituts in Kalifornien, bleibt aber ihrer großen Liebe treu. Vielleicht erklärt dies, warum es ihr gelang, dem vermeintlich toten Projekt wieder Leben einzuhauchen.

Heute ist SETIStars in das Funding-Projekt TeamSETI membership https://teamseti.org/ übergegangen. Bild: SETI

Schon seit vielen Jahren reist die heute 70-jährige Radioastronomin von Stadt zu Stadt, Land zu Land und Kontinent zu Kontinent, um den Menschen nicht nur ihre Arbeit und den Sinn von SETI nahezubringen, sondern zeitgleich auch Spendengelder einzutreiben. Im Sommer 2011 konnte sie mithilfe der ins Leben gerufenen Crowdfunding-Aktion SETIStars wichtige Spendengelder ans Land ziehen, woraufhin die Radiosternwarte am 5. Dezember 2011 ihre Arbeit wieder aufnehmen konnte.

Waldbrand mit Symbolkraft

Trotzdem ist die Situation heute noch schlimmer als zuvor. Selbst die Optimisten unter den SETI-Forschern glauben nicht mehr daran, dass die Anzahl der in Hat Creek ansässigen Teleskope steigen wird.

Dass das Projekt selbst unter einem schlechten Stern steht, hätte Anfang August dieses Jahres beinahe die in Nordkalifornien wütenden Feuersbrunst auf tragische Weise demonstriert. Es hätte nicht viel gefehlt und das ambitionierte Großprojekt wäre ein Opfer der Flammen geworden und wohl für immer in der Versenkung verschwunden. Doch es ging gerade noch einmal gut.

"Wir haben nur einige Stunden Beobachtungszeit verloren", erklärte der Radioastronom und Chefastronom des SETI-Instituts in Mountain View (Kalifornien) Seth Shostak vor wenigen Wochen einer CNN-Reporterin kurz nach dem verheerenden Waldbrand. "Davon auszugehen, das E.T. genau zu diesem Zeitpunkt die Hand nach uns gestreckt hat, wäre doch sehr bizarr."

Bild: SETI.

Keine Unabhängigkeit mehr

Bei alledem waren die SETI-Forscher in Bezug auf das ATA schon seit Beginn des operativen Betriebs nicht unabhängig. Um nämlich die jährlich anfallenden Betriebskosten von 2,5 Millionen Dollar (2 Millionen Euro) zu decken, durfte die U.S. Air Force gegen einen entsprechenden Obolus schon seit 2008 ein Drittel der Operationszeit für ihre Satelliten- und Weltraummüll-Beobachtungen nutzen. Ein weiteres Drittel ging auf das Konto der konventionellen Radioastronomen und das letzte blieb den SETI-Lauschaktionen vorbehalten.

Doch mit dem Relaunch der ATA-Phalanx im Dezember 2011 veränderten sich peu à peu der ganze Betrieb und der Ablauf, ja sogar die Teleskopzeiten und Zielobjekte. Hatten die SETI-Aktivisten früher die ATA-Anlage noch zusammen mit der University of California, Berkeley gemanagt und geleitet, so gaben sie im April 2012 die Kontrolle ganz ab. Seitdem zieht die SRI International die Fäden, eine wissenschaftliche in Menlo Park in Kalifornien ansässige Nonprofit-Organisation. Sie führt und leitet das Hat Creek Radio Observatory in Nordkalifornien, wozu eben auch das Allen Telescope Array gehört. Dort okkupiert die Organisation immer mehr Teleskopzeit und vermietet diese immer seltener an konventionelle Radioastronomen, aber immer häufiger an das Militär, wie Seth Shostak diesem Magazin bestätigt: "Die SRI International nutzt das Array für ihre Tests und beansprucht die Hälfte der gesamten Teleskopzeit, vornehmlich für die U.S. Air Force", sagt Shostak. "Im Gegenzug sorgen sie für die Wartung der Instrumente und Aufrechterhaltung des Betriebs."

Weltraummüll überall im Orbit. Bild: NASA.

Tor für Air Force geöffnet

Mit dem Militär arbeitet die SRI International schon seit vielen Dekaden zusammen. So konzipierte und baute die Organisation bereits in den frühen 1960ziger Jahren eine 50 Meter Durchmesser große Antenne für das Verteidigungsministerium, die in Insiderkreisen unter dem Namen "The Dish" firmiert. Kein Wunder demnach, dass die SRI International das Tor für die U.S Air Force noch weiter geöffnet und ihr noch mehr Teleskopzeit eingeräumt hat. Diese observiert nunmehr verstärkt im Rahmen des Space Surveillance Networks (SSN) mehr als 13.000 Objekte im Orbit, bei denen es sich primär um aktive und inaktive Satelliten und alle Arten von Weltraumschrott handelt, die sich in den letzten Dekaden in der Erdumlaufbahn angesammelt haben. Zu dem SSN-Netzwerk zählen zurzeit mindestens 17 Radar- und 8 Teleskopanlagen.

Seth Shostak (rechts). Bild: SETI.

Seitdem die University of California, Berkeley die Zusammenarbeit mit ATA beendet habe, seien mit ATA nur noch wenige radioastronomische klassische Observationen durchgeführt worden, betont Shostak. "Aber die meiste Zeit nutzen wir die Anlage." Dabei richte man sein Augenmerk zurzeit verstärkt auf die Kepler-Planeten, also auf jene von der NASA-Sonde detektierten und bestätigten Exoplaneten, die theoretische Anwärter für Leben auf All sein könnten. "Wir planen auch neue weitere Observationsprogramme, um die Erkundung der gegenwärtigen Kepler-Planeten zu ergänzen", so Shostak. "Dies betrifft planetare Systeme ganz allgemein, das galaktische Zentrum im Speziellen und generell auch habitable Zonen in Sternsystemen."

Vierstufenplan stolperte über erste Stufe

Seth Shostak ist kein Unbekannter in der SETI-Szene. Er zählt zu den wichtigsten Protagonisten und organisiert und managt parallel zu seinem Job auch einen Großteil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Er ist einer, der - wie Jill Tarter - immer noch an das Allen Telescope Array glaubt, aber zugleich weiß, dass ATA längst seinen Zenit erreicht hat und sich wohl für immer mit den 42 zur Verfügung stehenden Schüsseln begnügen muss.

Das Green Bank Telescope (GBT), das weltweit größte lenkbare Radioteleskop, starrt in Green Bank im US-Bundesstaat West Virginia in den Himmel. Durchmesser des GBTs: 100 bis 110 Meter; Reflektorfläche: 7854 m². Es verschlang aber 85 Millionen Dollar. ATA wäre mit seinen 350 Antennen um die Hälfte billiger zu haben gewesen. Bild: NRAO/AUI.

Denn der schöne Vierstufenplan, dem zufolge zuerst 42, dann 98, später 206 und zu guter Letzt 350 Radioteleskope die 1 Hektar große Zone in Hat Creek zieren sollten, ist bereits bei der ersten Stufe selbst ins Stolpern geraten. Es ist kaum davon auszugehen, dass das komplette ATA-Areal jemals den erhofften Lauschangriff gemeinsam startet. Ebenso bezweifelt werden darf, dass sich jemand erbarmen wird, die erforderlichen 41 Millionen Dollar (32,75 Millionen Euro) für die restlichen 308 Radioteleskope aufzubringen. Geld fällt bekanntlich nicht vom Himmel. Es kommt garantiert nicht daher, wohin die Antennen der SETI-Optimisten starren.

Nein, dass SETI auch in Zukunft im Sternzeichen Pecunia steht und nur dank der Spendenbereitschaft seiner Anhänger oder Großinvestoren überleben kann, weiß auch Shostak: "Ich hoffe, an Geldmittel zu kommen, um die Anlage zu vergrößern, aber das ist immer eine Aufgabe, deren Ausgang schwer vorherzusehen ist."

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