SOPA/PIPA-Proteste vorerst erfolgreich
Im US-Senat wurde eine für morgen geplante Abstimmung verschoben und MPAA-Chef Dodd droht US-Präsident Obama mit Geldentzug
Letzten Mittwoch zeigte die englischsprachige Wikipedia Wissenssuchenden statt ihrer Einträge nur die Telefonnummern von Abgeordneten, bei denen man anrufen und seine Besorgnis über die Folgen der geplanten Internet-Zensur-Gesetze SOPA und PIPA zum Ausdruck bringen sollte. Zahlreiche Blogs protestierten auf ähnliche Weise und selbst der Gigant Google beteiligte sich mit übergroßen Warnschildern an der konzertierten Informationskampagne.
Bereits am Tag darauf konnte ProPublica eine Statistik veröffentlichen, die nahelegte, dass die Stimmung im Kongress gekippt sein könnte: Hatten sich am Tag zuvor noch 80 Kongressmitglieder öffentlich zu den Zensurgesetzen bekannt und 31 dagegen, so zeigte sich nun ein umgekehrtes Bild: Plötzlich waren nur mehr 65 öffentlich dafür, aber 101 äußerten Bedenken. Angesichts von insgesamt 435 Sitzen im Repräsentantenhaus und 100 im Senat war dies zwar noch keine gesicherte Auskunft über den Ausgang der Abstimmungen, aber doch ein Indiz dafür.
Deshalb überraschte es nicht, dass Harry Reid, der Mehrheitssprecher im Senat, am Freitag bekannt gab, die eigentlich für den 24. Januar angesetzte Abstimmung über PIPA sei verschoben worden. Lamar Smith, der SOPA-Sponsor, verlautbarte am selben Tag offiziell, er würde seinen Gesetzentwurf zurückziehen, bis es eine breitere Übereinkunft darüber gibt. Nun dürften einige Abgeordnete erst einmal ihre Webauftritte und Social-Network-Profile überarbeiten: Im Vorfeld des Protesttages hatte das Vice-Magazin nämlich untersucht, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei SOPA- und PIPA-Unterstützern auseinanderklaffen und dabei mehrere Kongressmitglieder beim Kaudern erwischt - darunter auch Lamar Smith und den PIPA-Co-Sponsor Roy Blunt.
Ein weiterer Effekt der Proteste war, dass sich nun deutlich mehr demokratische (22) als republikanische (7) Senatoren öffentlich zu PIPA bekennen, was das Vorhaben weniger als überparteiliches Anliegen erscheinen lässt. Darauf, dass es als ein solches erscheint, hatte die Medienindustrie in ihrer Bearbeitung einzelner Politiker im Vorfeld sehr viel Wert gelegt und PIPA im Senat von einem Demokraten, SOPA im Repräsentantenhaus aber von einem Republikaner anstoßen lassen.
In den vergangenen Jahren genoss die Medienindustrie den Ruf, engere Verbindungen zu den Demokraten als zu den Republikanern zu pflegen. Das zeigte sich unter anderem am derzeitigen MPAA-Vorsitzenden Chris Dodd, der vorher für die Partei, deren Symboltier ein Esel ist, im Senat saß. Nun droht er, dass die Mitglieder seines Branchenverbandes dem demokratischen Präsidenten Obama die Werbemittel entziehen, wenn sich das Weiße Haus weiterhin kritisch zu den Internet-Zensur-Gesetzen äußert, wie das letzte Woche geschah. Nun befindet sich Obama in einer Zwickmühle: Im Herbst muss er sich nämlich den Wählern stellen - und von den vier im Rennen verbliebenen Kandidaten sprachen sich drei (Ron Paul, Newt Gingrich und Mitt Romney) mehr oder weniger klar gegen SOPA und PIPA aus. Lediglich Rick Santorum meinte, er möge diese Gesetze zwar nicht, aber im Internet (mit dem er ein ganz besonderes Problem hat) könne nicht jeder machen, was er will.
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