Sachsen: AfD will Rechtsweg "ausschöpfen"
Nach der Verrechnung des Stimmenanteils mit Direktmandaten und zugelassenen Listenbewerbern darf die Partei eines ihrer 39 Mandate nicht besetzen
Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis nach kam die AfD am Sonntag bei der Landtagswahl in Sachsen auf einen Zweitstimmenanteil von 27,5 Prozent und damit auf fast drei Mal so viel wie vor fünf Jahren. In absoluten Wählerzahlen gemessen sind es sogar mehr als drei Mal so viele Stimmen. Fast 40 Prozent ihrer neu gewonnenen Wähler kamen den Wählerwanderungsanalysen von Infratest Dimap nach nämlich aus den Reihen ehemaliger Nichtwähler, die für eine gestiegene Wahlbeteiligung sorgten.
Neben diesen 246.000 ehemaligen Nichtwählern überzeugte sie auch 80.000 ehemalige Wähler der CDU, die diesen Verlust durch Zuwachs aus den Reihen ehemaliger SPD- und Linkspartei-Wähler teilweise wieder ausgleichen konnte. Bei deren traditioneller Klientel, den Arbeitern, wurde die AfD mit einem Anteil von 41 Prozent sogar stärkste Partei.
Sieben der 15 Direktmandatsgewinner auch auf der Liste
Im Landtag besetzen darf die AfD allerdings nur 38 dieser 39 Mandate. Der sächsische Landeswahlausschuss strich ihr nämlich wegen Formfehlern 43 ihrer 61 Listenkandidaten - und der sächsische Verfassungsgerichtshof hielt am 16. August die Streichung von 31 dieser Kandidaten aufrecht. Mit den 15 Direktmandaten, die ihre Kandidaten am Sonntag gewannen, konnte die AfD lediglich acht der neun Differenzmandate auffüllen. Denn sieben ihrer Direktmandatsgewinner standen auch auf der Landesliste, was diese faktisch weiter auf 23 Namen verkürzte.
Jörg Urban, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Dresdner Landtag, hat nun angekündigt "alle Rechtsmittel" gegen die Kürzung der Liste seiner Partei "ausschöpfen" zu wollen. Dass er dabei Anerkennungs- und Teilerfolge erzielt, ist nicht ausgeschlossen: Die zur Begründung der Kürzung herangezogene Kandidatenwahl auf mehr als einer Veranstaltung steht nämlich gar nicht ausdrücklich im Wahlrecht. Dass ein Gericht deshalb eine Wiederholung der Landtagswahl anordnet, halten Verfassungsrechtler für weniger wahrscheinlich.
Praktische Auswirkungen begrenzt
Bei einer Entscheidung darüber müssen Gerichte nämlich auch die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen und dabei zur Kenntnis nehmen, dass die praktischen Auswirkungen des nicht besetzbaren Mandats nicht sehr gravierend sein dürften: Die regierende Koalition aus CDU und SPD ist nach ihren Verlusten auf 45 und 10 Mandate bei 120 beziehungsweise 119 Sitzen insgesamt nämlich mit oder ohne den nicht besetzten Sitz der AfD für eine Mandatsmehrheit auf die Grünen angewiesen (vgl. Kenia in Sachsen?).
Allerdings könnten Gerichtsverfahren und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, den die AfD ebenfalls anstrebt, die sächsische Landesregierung und Landeswahlleiterin Carolin Schreck belasten, wenn beispielsweise herauskommen sollte, dass sie "als Kreiswahlleiterin in Bautzen und als stellvertretende Landeswahlleiterin […] eine völlig andere Rechtsauffassung anwandte" als vor der diesjährigen Landtagswahl, wie die AfD mutmaßt.
Auch in der Bundespolitik halten sich die Auswirkungen der Landtagswahl in Sachsen vorerst in Grenzen: Da der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer nicht nur weiterregieren kann, sondern mit seiner CDU sogar noch etwas besser abschnitt als die letzten Umfragen in Aussicht stellten, baute sich weder nennenswerter neuer Rücktrittsdruck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel noch auf die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer auf. Entsprechend dankbar lobte letztere ihren ingwerblonden Parteifreund öffentlich. Darüber hinaus betonte sie den Willen ihrer Partei, auf Bundesebene weiter in einer Koalition mit den Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten.
Die fuhren zwar in Sachsen ein Ergebnis ein, das mit bloßen 2,7 Punkten über der Splitterparteiensperrhürde noch schlechter war als erwartet, schnitten aber in Brandenburg (wo am Sonntag ebenfalls gewählt wurde) mit 26,2 Prozent deutlich besser ab, als die Umfragen die Genossen hoffen hatten lassen (vgl. Brandenburg: Für SPD und Linke reicht es nicht mehr). So konnte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gestern erklären, Debatten über einen Ausstieg aus der Großen Koalition würden "die Partei langeweilen" (vgl. SPD-Vorsitzendencasting: Acht Paare und der queerpolitische Fraktionssprecher zugelassen).
Ähnlich äußerte sich der kommissarische Interimsparteichef Thorsten Schäfer-Gümbel, der der Rheinischen Post sagte, "anders als es viele vor den Wahlen im Osten vorausgesagt" hätten, werde "die Groko nicht in Chaostage stürzen".
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