Saddam Hussein festgenommen

Ein wichtiger symbolischer Erfolg für die Besatzungskoalition

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We got him! Nun haben es der britische Ministerpräsident Tony Blair und US-Zivilverwalter Paul Bremer bestätigt: Saddam Hussein wurde am Samstag Abend von US-Soldaten in Tikrit während einer Razzia festgenommen.

Angeblich wurde bei der Festnahme kein Widerstand geleistet und ist kein einziger Schuss gefallen. Hussein ist in Adua, in der Nähe von Tikrit, mit zwei weiteren Helfern gefangen genommen worden, er wurde in einem kleinen Erdloch mit einer Luftröhre gefunden worden. Von kurdischer Seite wurde die Nachricht schon am Morgen verbreitet, aber offensichtlich sind die Koalitionstruppen vorsichtiger geworden und haben mit der Bekanntgabe der Meldung erst abgewartet, bis sie sicher sein konnten. Angeblich habe, wie Abdel-Aziz al-Hakim, der Präsident des Regierungsrats, auch ein DNA-Test bestätigt, dass es sich tatsächlich um den gestürzten Diktator handelt. Hussein sei nach der Gefangennahme zum Flugplatz von Bagdad gebracht worden, um dort auch von anderen Irakern identifiziert zu werden. General Ricardo Sanchez sagte auf einer Pressekonferenz, Saddam sei "kooperativ und gesprächig" gewesen.

Mit der Festnahme haben die Koalitionstruppen sicherlich einen großen symbolischen Erfolg erzielt. Offenbar strömten in Bagdad die Menschen auf die Straßen, um die Festnahme zu feiern. Tony Blair sagte, dass mit der Festnahme "ein Schatten vom irakischen Volk" abgefallen sei. Bremer meinte, nun könnten sich die Iraker endlich der Zukunft und der Aussöhnung zuwenden: "Iraq's future, your future, has never been more full of hope." Mit der Festnahme gebe es auch "für die militärischen oder zivilen Mitglieder des alten Regimes eine neue Chance, ihre Opposition zu beenden". Auf Hinweise, die zur Festnahme von Hussein führen, hatten die Amerikaner 25 Millionen US-Dollar ausgesetzt.

Die Koalitionstruppen gehen davon aus, dass Hussein und andere Anhänger seines Regimes den Widerstand organisiert und finanziert haben und dass die Angst vor einer Wiederkehr Husseins an die Macht die Iraker noch immer habe vorsichtig handeln lassen. Wurde Hussein nun tatsächlich festgenommen, so wäre damit ein Spuk verschwunden, der im Fall von al-Qaida sicherlich noch durch das wahrscheinliche Überleben von Bin Ladin den Widerstand nährt. Auch Mitglieder des Regierungsrates, wie Ahmed el Chalabi, Jalal Talabani oder Amar al-Hakim hegen die Hoffnung, dass mit dem endgültigen Verschwinden Husseins von der politischen Bühne der Widerstand einbrechen werde: "Seine Festnahme, so al-Hakim, "wird zu einem Ende der militärischen und terroristischen Angriffe führen und die irakische Nation wird Stabilität finden. Wir wollen, dass Saddam das erhält, was ihm gebührt. Ich bin überzeugt, dass er zu Hunderte Male zu Tode verurteilt wird, weil er für die Massaker und Verbrechen im Irak verantwortlich war."

Nachdem Hussein lebend gefangen genommen und nicht wie seine beiden Söhne durch massiven Beschuss getötet wurde, muss er nun auch vor ein Gericht gestellt werden, um sich zu verantworten. Der Regierungsrat hatte erst vor kurzem beschlossen, irakische Gerichte einzurichten, um Prozesse gegen gefangene Regimeanhänger zu führen, in denen auch die Todesstrafe verhängt werden kann. Das aber könnte zu neuen Probleme führen, wenn der Prozess nicht rechtlich einwandfrei geführt wird und die Richter nicht unabhängig sind, weswegen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty oder Human Rights Watch bereits vor der Festnahme Husseins gefordert hatten, internationale Gerichte einzuführen, deren Unabhängigkeit gewährleistet ist. Das aber wird die US-Regierung sicher nicht zulassen. Bei dem Prozess gegen Hussein vor einem irakischen Gericht wird es primär um die Verbrechen und Massaker des Diktators im eigenen Land gehen, weswegen vermutlich die noch immer unbewiesenen Gründe für den Angriff auf den Irak, also die Existenz von Massenvernichtungswaffen und die Beziehung zu al-Qaida, außen vor bleiben dürften. Auch daran dürfte man ebenso wie an einem möglichst kurzen Prozess interessiert sein.

Ob die Festnahme von Hussein aber die Lage im Irak grundsätzlich verändern wird, muss vorerst abgewartet werden. Do hatte auch der Tod der beiden Hussein-Söhne im Juli keinen nennenswerten Einfluss auf die Geschehnisse im Irak. Die Angriffe auf die Koalitionstruppen hatten sich danach sogar noch intensiviert. Und wenn man manchen Äußerungen von Widerstandsgruppen im Irak Glauben schenken darf, so stehen weder al-Qaida noch Hussein hinter diesen (Interview mit Guerilleros, "Das amerikanische Projekt ist bislang gescheitert"). Auch die Mudschaheddin oder Dschihad-Kämpfer, die vom Ausland in den Irak gereist sein sollen, um dort gegen die Besatzungsmacht zu kämpfen, haben mit Hussein und seinem laizistischen Regime nichts zu tun gehabt. Allerdings könnte durch die Festnahme die Angst von vielen Menschen genommen worden sein, möglicherweise schwächt sie auch durch diesen Erfolg der Koalitionstruppen, auch wenn die Festnahme nur eine Frage der Zeit war, den gesamten Widerstand. Andererseits könnte dieser nun auch noch eher als eine Art der "Befreiungskampfes" anerkannt werden, weil er nicht mehr mit dem Hussein-Regime in Verbindung gebracht werden kann.