Safari und Trophäenjagd: Wenn Indigene dem "Naturschutz" weichen müssen

Werden mitunter vertrieben, wenn sie nicht als "edle Wilde" durchgehen: Massai. Foto: Michelle Raponi auf Pixabay (Public Domain)

Zum angeblichen Wohl von Wildtieren werden Menschen missachtet und in kolonialer Tradition von ihrem Land vertrieben, um den Weg für das Geschäft mit dem Tourismus freizumachen.

Alle zwei Jahre vergibt die Stiftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den mit 50.000 Euro dotierten Bernhard-Grzimek-Preis für herausragendes Engagement für Biodiversität. So auch in diesem Jahr. Der bekannte Zoologe, Tierfilmer und langjährige Direktor des Frankfurter Zoos wird gerne Vater des modernen Naturschutzes präsentiert. Zum Beispiel von der KfW, die als einer der Hauptfinanziers internationaler Artenschutzprojekte gilt.

Grzimek war Anhänger einer alten, längst überholten Schule des Naturschutzes, die ihre Wurzeln in rassistischen Ideen hat, erklärt Julia Poppe in einem Interview mit dem Spiegel. In seinem Film "Serengeti darf nicht sterben", aber auch in seinen übrigen Arbeiten habe Grzimek ein Bild von der reinen Wildnis als Natur ohne Menschen gezeichnet, erklärt die Politikwissenschaftlerin.

Die wahre Geschichte der Serengeti, deren Besiedlung und Nutzung durch indigene Völker werde völlig ausgeblendet. Dabei werden viele klassische Wildnisgebiete wie zum Beispiel der Regenwald im Amazonas seit Jahrhunderten von Menschen bewohnt und auch verändert. Ihren Artenreichtum haben sie auch der indigenen Bevölkerung zu verdanken.

Grzimek kam in den 1950er-Jahren als gebildeter weißer Europäer nach Tansania, der nach eigener Auffassung viel besser darüber Bescheid wusste, wie die Dinge liefen, als die Menschen, die dort seit etlichen Generationen lebten, erklärt sie. Die Konsequenz daraus war, dass Hunderttausende Menschen aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben wurden.

Wie stark der Einfluss seines Denkens immer noch ist, zeigt sich beispielsweise darin, wenn Naturschutzorganisationen von "unberührten Gebieten" sprechen. Dabei gibt es solche Gebiete in der Realität kaum noch. Wenn Menschen dort leben dürfen, dann bitte nur im "traditionellen Rahmen". Ein Eingeborener, der ein Tier mit Pfeil und Bogen erlegt, passt gerade noch ins romantische Bild, nicht aber, wenn er ein Smartphone bei sich trägt.

Indigene missbrauchen den Wald als ihren Supermarkt, behaupten die Zoologische Gesellschaft in Frankfurt oder der World Wildlife Fund For Nature (WWF). Tatsache ist jedoch, dass die meisten "Naturvölker" stolz darauf sind, den Wald als ihre Lebensgrundlage zu nutzen.

Bei den Verhandlungen zum UN-Biodiversitätsabkommen wird diskutiert, 30 Prozent der Erdoberfläche zu Naturschutzgebieten zu machen. Zwar betone man dabei immer, dass die Indigenen selbstverständlich ihre Landrechte behalten dürften. Faktisch jedoch soll in den betreffenden Gebieten die Nutzung durch indigene und lokale Bewohner untersagt sein, kritisiert die Mitarbeiterin von Survival International.

Polizei geht brutal gegen indigene Proteste vor

Noch heute werden tansanische Ureinwohner gewaltsam angegriffen. Zwischen 100.000 und 200.000 Massai sind im Loliondo und im Ngorongoro-Schutzgebiet von Vertreibung bedroht. So organisiert die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Otterlo Business Company etwa regelmäßig Jagdausflüge für die "königliche Familie".

So fuhren am 8. Juni 2022 Dutzende von Polizeifahrzeugen mit insgesamt 700 Polizisten in Loliondo im Norden Tansanias in der Nähe des weltberühmten Serengeti-Nationalparks, um ein 1.500 Quadratmeter großes Gebiet der Massai als Wildschutzgebiet auszuweisen. Zwei Tage später schossen sie auf Massai, die gegen die geplanten Vertreibungen für Trophäenjagden und Naturschutz demonstrierten.

Dabei wurden mindestens 18 Männer und 13 Frauen angeschossen und 13 mit Macheten verwundet. Eine Person wurde getötet. Tausende Massai flohen vor den gewalttätigen Angriffen aus ihren Häusern. Aus einem Dorf wird berichtet, dass mindestens 300 Menschen – darunter auch Kinder – geflohen sind.

Ein Dutzend Menschen wurde verhaftet. Die Polizei durchkämmte die Massai-Dörfer und misshandelte und verhaftete Menschen, vor allem jene Personen, von denen sie annahm, dass sie Bilder von der Gewalt veröffentlicht oder an den Protesten teilgenommen haben. Dennoch wurden Angriffe auf Videos und Fotos auf Twitter dokumentiert.