So erfolgreich sind Sanktionen gegen russische Oligarchen

Russische Oligarchen setzen sich zunehmend gegen westliche Sanktionen zur Wehr – nicht ohne Erfolg. Beispiele und Gründe. Warum der Kreml von den Sanktionen profitieren kann.

Als im vergangenen Jahr russische Truppen in der Ukraine einmarschierten, handelte der Westen schnell: Sanktionen wurden gegen mehr als hundert russische Geschäftsleute und ihre Familien verhängt. Damit verbunden war die Hoffnung, dass die Oligarchen Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausüben könnten, damit dieser die Invasion abbricht.

Experten betonen, dass die Sanktionen für die meisten Oligarchen schmerzhaft, aber politisch wenig wirksam sind. Die Hoffnung, durch das Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote politische Veränderungen zu erzwingen, hat bisher keine entscheidenden Ergebnisse gebracht.

George Voloshin, Sanktionsexperte bei der Association of Certified Anti-Money Laundering Specialists, einer Vereinigung, die bewährte Praktiken zur Bekämpfung der Geldwäsche vermittelt, bemerkte gegenüber der Financial Times (FT), dass es bisher noch nie eine derart massive und koordinierte Sanktionierung von Milliardären mit internationaler Präsenz gegeben habe.

Doch die Strategie verfehlte ihre Wirkung, wie die FT am Sonntag feststellte. Der Krieg dauert an und nur wenige russische Milliardäre haben öffentlich Kritik an Putin geäußert. Mehr noch: Sie wirft zunehmend die Frage auf, ob das Vorgehen des Westens mit seinem rechtsstaatlichen Selbstverständnis vereinbar ist.

Denn nicht immer war eine tatsächliche Einflussnahme auf Putin und sein Umfeld notwendig, um auf der Sanktionsliste zu landen. Auch die Unterstützung des Feldzugs war keine zwingende Voraussetzung. Manchmal genügte die willkürliche Vermutung, man könnte in einer Weise dem Kreml nahestehen.

So landete die Mutter des Anführers der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, auf der Sanktionsliste. Inzwischen wurden die Sanktionen gegen sie aufgehoben, weil die Europäische Union einräumen musste, irrtümlich angenommen zu haben, sie kontrolliere Firmen, die mit ihrem Sohn in Verbindung stünden.

Auch der Formel-1-Fahrer Nikita Masepin wurde mit Sanktionen belegt, unter anderem weil sein Vater Großaktionär des Düngemittelkonzerns Uralkali ist. Inzwischen hat die EU Nikita Masepin vorläufig von den Sanktionen befreit, damit er seine Rennfahrerkarriere fortsetzen kann. Ein weiterer Grund: Er hat offenbar keine Rolle im Krieg gegen die Ukraine gespielt.

Ein weiterer Fall ist Jewgeni Schwidler, ein Geschäftsmann mit US-amerikanischer und britischer Staatsbürgerschaft. Laut Financial Times ist er die erste Person, die die britischen Sanktionen gegen Russland vor Gericht angefochten hat. Ihm wurde zum Verhängnis, dass er ein Geschäftspartner von Roman Abramowitsch war oder ist. Schwidler behauptete vor Gericht, nie einen russischen Pass besessen und Putin seit 2007 nicht mehr persönlich gesehen zu haben.

Die britische Regierung wollte ihn dennoch nicht von den Sanktionen befreien. Sie argumentierte vor Gericht, Schwidler könne – motiviert durch die Sanktionen – Druck auf Abramowitsch ausüben, der wiederum Druck auf Putin ausüben könne. Ob das eine realistische Annahme ist, sei dahingestellt.

Die Sanktionen könnten aber auch das Gegenteil des erklärten Ziels erreichen. Da die Milliardäre im Westen keinen Zugriff mehr auf ihr Vermögen haben, werden sie noch abhängiger von ihrem russischen Vermögen. Letztlich könnten sie sich dadurch zu einer Annäherung an den Kreml veranlasst sehen.

Bislang haben die Sanktionen die Oligarchen kaum dazu veranlasst, sich gegen den Kreml zu stellen. Ihre wachsende Abhängigkeit von russischen Vermögenswerten dürfte kaum neue Anreize für Proteste schaffen.

Das weiß auch die russische Regierung und versucht, daraus Kapital zu schlagen. Das Vorgehen des Kremls gegenüber den Oligarchen gleicht dem von Zuckerbrot und Peitsche. Einerseits lockte Putin in seiner Rede an die Nation im Februar. "Mit der Mütze in der Hand herumzulaufen und um Geld zu betteln, ist sinnlos und bringt nichts", sagte er.

Mit Kritikern geht der Kreml dagegen mitunter hart ins Gericht, wie der russische Industrielle Oleg Deripaska erfahren musste. Als einer der ersten Oligarchen hatte er schon kurz nach dem Einmarsch den Krieg kritisiert. Das schützte ihn nicht vor Sanktionen der USA, Großbritanniens und Europas. Und in Russland ordnete ein russisches Gericht die Beschlagnahmung eines ihm gehörenden Luxushotelkomplexes in Sotschi an.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.