Trotz Krieg und Sanktionen: Britische Firmen machen weiter Geschäfte in Russland
Es waren große Ankündigungen: Russland sollten die Einnahmen für den Krieg entzogen werden. Doch seine Schlüsselindustrien werden weiter beliefert. Das sind die Hintergründe.
Mit Sanktionen wollte der Westen Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen. Unternehmen sollten ihre Geschäftsbeziehungen in Putins Reich abbrechen. Viele Firmen sind dieser Aufforderung gefolgt, einige verdienten weiterhin Geld in Russland. Darunter auch viele britische Unternehmen, wie die Sunday Times jetzt berichtet.
Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine hatte die britische Regierung weitreichende Sanktionen gegen Russland verhangen. Angeblich waren das die "strengsten Wirtschaftssanktionen, die jemals gegen eine große Volkswirtschaft verhängt wurden". Man konzentrierte sich dabei auf Bereiche, die dem Kreml erhebliche Steuereinnahmen bescherten.
Gemeint waren damit auch der Energiesektor und der Bergbau. Doch die gemeinsame Auswertung von Handelsdaten, welche die Sunday Times und Datenanalysten von Data Desk durchführten, zeigt: Britische Firmen durften weiterhin russische Kunden beliefern, die im Geschäft mit fossilen Energien und im Bergbau tätig sind.
Ein Beispiel ist das Bauunternehmen Hill & Smith, das angab, nur ein minimales Engagement in Russland zu haben, während seine indische Tochtergesellschaft weiterhin Rohrhalterungen – Ausrüstungen zum Befestigen von Gaspipelines – an Arctic LNG 2 lieferte.
Dieses Unternehmen befindet sich mehrheitlich im Besitz des russischen Konzerns Novatek, dem zweitgrößten Erdgasversorgers Russlands. Das Unternehmen ist etwa an einem milliardenschweren Flüssiggasprojekt in der Arktis beteiligt.
Arctic LNG 2 hat für Russland eine strategische Bedeutung. Das Unternehmen errichtet etwa auf der Halbinsel Gydan eine Anlage zur Verflüssigung von Erdgas (LNG). Diese ist neben der Anlage Sakhalin 2 im russischen Pazifik und der Anlage Yamal LNG das dritte russische Großprojekt zur Produktion von LNG.
Es würde Russland helfen, sein Ziel zu erreichen, bis 2035 einen Anteil von 20 Prozent am weltweiten LNG-Markt zu erreichen, der derzeit bei etwa acht Prozent liegt, hieß es kürzlich bei Reuters. Ein LNG-Abnehmer ist bereits bekannt: Japan, das pro Jahr rund zwei Millionen Tonnen LNG von dieser Anlage importieren soll. Es gebe bereits Verträge, erklärte Unternehmenschef Leonid Mikhelson kürzlich.
Nach dem Anschluss der Krim an die Russische Föderation im Jahr 2014 und dem Beginn des Bürgerkriegs in der Ukraine wurde Novatek vom US-Finanzministerium auf die Liste der sektoralen Sanktionen gesetzt. Das Unternehmen ist derzeit aber nicht Gegenstand von Sanktionen des Vereinigten Königreichs oder der Europäischen Union.
Ein weiteres Unternehmen, Dunlop Oil & Marine, ein Tochterunternehmen des deutschen Konzerns Continental, belieferte das Kaspische Pipeline-Konsortium, an dem russische und US-amerikanische Ölgesellschaften beteiligt sind. Nach Angaben des Unternehmens habe man nur einen Auftrag abgearbeitet, der nicht von den Sanktionen betroffen gewesen sei.
Ion Science, ein Hersteller von Gasmessgeräten mit Sitz in Cambridgeshire, lieferte Gasdetektoren und -sensoren, die im Bergbau weit verbreitet sind. Den Ausfuhrdaten zufolge habe das Unternehmen "elektronische Geräte für den Einsatz in der metallurgischen Industrie" über Malta nach Russland geliefert.
Während einige britische Unternehmen schnell bereit waren, den russischen Markt zu boykottieren, konnten sich andere nicht dafür erwärmen. Eine Studie der Yale School of Management habe ergeben, so die Sunday Times, dass fünf große britische Unternehmen weiterhin in Russland aktiv seien.
Vier von ihnen sind in den Bereichen Industrie, Energie oder Telekommunikation tätig. Petrofac, JKX und FS Mackenzie haben sich geweigert, sich dem Boykott anzuschließen, und Antal International, eine weltweit tätige Headhunter-Firma, rekrutiert weiterhin für Kunden in Russland.
Auch Unilever, zu dessen Produkten Magnum-Eis und Babynahrung gehören, steht in der Kritik. Die britische Kampagnengruppe Moral Rating Agency wirft dem Konzern vor, in einen "Strudel der Unmoral" geraten zu sein.
Aus Sicht des Unternehmens ist das Festhalten am Russlandgeschäft nicht optimal. Der Vorstandsvorsitzende von Unilever erklärte jedoch, es sei die "am wenigsten schlechte Option" für das Unternehmen. Andernfalls könnten die russischen Konzerntöchter verstaatlicht werden.
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