Spionage: War die Ausweisung russischer Diplomaten eine gute Idee?
Der Militärische Abschirmdienst sagt indirekt, dass er früher wusste, wo die Hauptverdächtigen saßen. Jetzt scheint er es nicht mehr so genau zu wissen. Oder ist das alles zu altmodisch gedacht?
Die Bundeswehr hatte in den vergangenen Jahren ein Rechtsextremismus-Problem in den eigenen Reihen. Während sich für Außenstehende die Frage stellt, ob dieses nun eingedämmt ist, widmet sich der Militärische Abschirmdienst (MAD) nach eigenen Angaben verstärkt dem äußeren Feind. Die deutsche Positionierung im Ukraine-Krieg durch Waffenlieferungen und Ausbildungshilfe für die Kiewer Streitkräfte macht das nach Einschätzung des Militärgeheimdienstes nötig.
In seinem Bericht für die Jahre 2021 und 2022 warnt der MAD vor verstärkter Ausspähung der Bundeswehr durch Russland und China. Die Nachrichtendienste beider Staaten seien als "aktivste Akteure der Spionage" festgestellt worden, heißt es in dem Report.
Das Interesse ausländischer Dienste an Tätigkeiten, Absichten und Maßnahmen der Bundeswehr habe sich "erheblich verstärkt", so die Präsidentin des Bundesamts für den MAD, Martina Rosenberg.
War in den letzten Jahren der Kampf gegen extremistische Bestrebungen, deren Erkennung und Verhinderung bestimmendes Thema insbesondere der Nachrichtendienste, so rücken mit der russischen Offensive und den damit verbundenen Folgen die Themen Spionage und Cyberabwehr deutlich in den Vordergrund.
Martina Rosenberg, Präsidentin des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst
Angedeutet wird jedoch, dass das Geschehen durch die Ausweisung russischer Diplomaten für die deutschen Dienste unübersichtlicher geworden sei.
Dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr 40 russische Diplomaten zu "unerwünschten Personen" im erklärt habe, sei zunächst eine besondere Herausforderung für die russischen Dienste – der MAD geht davon aus, dass deren vormals eingespielte Spionageaktivität zu wesentlichen Teilen von akkreditierten russischen Diplomaten koordiniert worden sei und durch deren Ausweisung geschwächt wurde. Eine nachhaltige Beeinträchtigung würden russische Nachrichtendienste aber "nahezu sicher durch andere Methoden der Informationsbeschaffung auszugleichen versuchen".
Mit anderen Worten: Früher hatte man die Hauptverdächtigen auf dem Radar, jetzt aber nicht mehr. Das macht einen erheblichen Unterschied: Enttarnte Gegner sind eines Großteils ihrer Gefährlichkeit beraubt und können sogar für eigene Zwecke instrumentalisiert werden, indem sie beispielsweise mit falschen Informationen gefüttert werden.
Allerdings stellt sich angesichts moderner Cyber-Spionagetechniken auch die Frage, ob es nicht etwas altmodisch gedacht ist, sich hier akkreditierte Diplomaten als Schlüsselfiguren vorzustellen.
Der MAD geht nach wie vor von einer "hohen Zahl hier eingesetzter russischer Nachrichtendienstmitarbeiter" aus – das bestätige die "herausgehobene Wertigkeit Deutschlands". Dass der Geheimdienst nicht offenlegt, wie er das genau in Erfahrung gebracht hat, liegt in der Natur der Sache.