Sars-CoV-2: (K)ein Ding aus einer anderen Welt

Seite 2: Die WHO, Corona – und eine überwältigende Studienlage

Die WHO verfolgt nach eigenen Angaben nach wie vor alle Hypothesen zum Coronavirus-Ursprung. Die Situation ist so, dass die Mehrzahl der bisher zur Frage publizierten Studien zu dem Schluss gelangen, die diversen Eigenschaften von Sars-CoV-2, seine Genom- und Oberflächenstruktur sprächen für eine natürliche Evolution des Virus.

Allerdings sind Ursprung und auch Zwischenwirte, die den Übersprung von Fledermäusen oder anderen Tieren auf den Menschen ermöglicht haben, bis heute nicht gefunden, was Raum für weitere Spekulationen öffnet, aber ebenso - hoffentlich - Anlass für weitere ernsthafte Untersuchungen bietet.

Und dennoch: Viele Fragezeichen

Etliche Länder stellten den WHO-Bericht nach deren Inspektionstour Anfang des Jahres allerdings in Frage. Wie der Focus im April berichtete (Titel: Wut auf Covid-Bericht der WHO: "Peking half offenbar, ihn zu schreiben"), sei die WHO-Mission "erheblich verzögert" worden und den Experten sei "der Zugang zu vollständigen, originalen Daten und Proben" verwehrt geblieben. So jedenfalls sahen das 14 Länder, unter ihnen Australien, Großbritannien, Japan und Kanada in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Sogar das renommierte Wissenschaftsjournal Science sieht Fragezeichen beim Ursprung des Coronavirus. Kernaussage eines Artikels dazu: Da von den 41 zuerst infizierten Personen 13 in keinerlei Verbindung zum Tiermarkt standen, könne dieser nicht die einzige Quelle für das Virus gewesen sein.

Die chinesische Regierung verweist unterdes nach wie vor auf den Tiermarkt als Ursprung der Pandemie und kontert im Propagandakrieg um die Herkunft des Virus mit ihren Auslands-Theorien.

Schuld gaben die Chinesen gar importiertem Rindfleisch und Garnelen aus Brasilien oder Schweinshaxen aus Deutschland.

Zauberwort Gain-of-Function

US-Behörden bekräftigen derweil, dass die sogenannten Gain-of-Function-Experimente wichtige Informationen darüber liefern können, wie sich Viren an Menschen anpassen, zur Erkrankung führen und auf andere Wirte ausbreiten können. Bei der Gain-of-Function-Forschung werden Viren im Labor gefährlicher gemacht.

Die NZZ sieht in diesen Laborversuchen beträchtliches Gefahrenpotenzial, das man im Auge behalten sollte:

Diese Experimente (gemeint sind Gain-of-Function-Versuche) haben gezeigt, dass bei Fledermäusen kursierende Coronaviren ein Spikeprotein aufweisen, das menschliche Zellen befallen kann. Die Experimente waren also auf jeden Fall ein Warnschuss, dass Coronaviren aus Fledermäusen für Menschen gefährlich sein könnten.

Das bedeute aber noch nicht, so das Blatt weiter, dass aus solchen Laborarbeiten jenes Sars-CoV-2 entstanden sei, das im Herbst 2019 die Pandemie auslöste.

Kritik kommt aber auch aus China selbst

Der ehemalige Chefepidemiologe der chinesischen Seuchenbekämpfung CDC (Chinese Center for Disease Control and Prevention), Zeng Guang, warnte einem Bericht der Ärztezeitung zufolge bereits seit Jahren eindringlich vor den Laborversuchen. Guang hatte im Frühjahr 2013 alle Hände voll mit der Bekämpfung von H7N9 (Vogelgrippe) zu tun. Über Gain-of-Function lautete schon zu der Zeit sein Kommentar:

Aus Sicht der Sicherheit der ganzen Menschheit sind solche Experimente nicht tragbar. Es gibt keine Mechanismen, die hier eine absolute Sicherheit gewährleisten.

Dr. Zeng Guang, ehem. Leiter Chinese Center for Disease Control and Prevention (CDC)

Guang bezweifelt den Nutzen der Experimente: Es sei alles andere als klar, ob sich Viren in der Natur ähnlich verhalten wie im Labor. "Es reicht, das existierende Virus zu untersuchen - auch, um sich auf den nächsten Ausbruch vorzubereiten."

Auf einer Online-Konferenz unter Akademikern erklärte der Forscher der Bild zufolge: "In Wuhan wurde das Coronavirus erstmals entdeckt, aber das ist nicht dort, wo es entstanden ist".

Der Virologe Christian Drosten gab zuletzt ein interessantes Interview und rückte den Focus zurück auf die USA, brachte überdies den Marderhund ins Spiel, der als Felltier millionenfach in China gezüchtet wird - ein Riesengeschäft.

"British virus hunter": Wer ist Peter Daszak?

In einer Folge des NDR Podcasts Anfang Juni (Coronavirus-Update, 9.6.2021) sprach Drosten die Rolle von Peter Daszak an, welcher auch leitend bei der WHO-Delegation in Wuhan in Erscheinung trat. Medien verpassten ihm den Beinamen "British virus hunter", Daszak gilt als "the face of the WHO mission".

Daszak selber lobte die WHO-Mission über den grünen Klee, sprach vor Journalisten von einem "exzellenten" China-Aufenthalt.

Hinter den Kulissen und weniger beachtet vom Medienspektakel koordiniert der "Virus hunter" ein Forschungskonsortium, an dem, so lautet Drostens Auskunft, "amerikanische Experten für Viren und chinesische Experten für Viren mitwirken. Die haben eine gewisse gemeinsame technologische Basis."

Sponsoren, Interessenkonflikte ...

Die Federführung sieht Drosten dabei ganz klar in den USA und nicht in China:

Ich glaube eigentlich nicht, dass überhaupt bewiesen ist, dass diese Art der Technik in dieser Kooperation in China gemacht wird. Sondern ich glaube eigentlich bis heute, dass das nur in USA gemacht wird und diese Viren dann nach China gegeben werden für bestimmte Experimente oder auch diese Experimente eigentlich in USA durchgeführt werden.

Christian Drosten

Peter Daszak ist auch Präsident der Eco Health Alliance in New York. Medienberichten zufolge hat seine Organisation die Coronavirus-Forschung am Institut für Virologie in Wuhan finanziert.

Hinter der Eco Health Alliance findet sich ein weiterer Sponsor der speziellen Experimente an Fledermaus-Coronaviren, das US-Regierungsprogramm USAID-EPT-PREDICT. Das Kürzel EPT steht für Emerging Pandemic Threats Program.

Christian Drosten sieht einen Interessenkonflikt:

Jetzt ist Peter Daszak an der WHO-Mission federführend beteiligt gewesen, die den Zweck hatte, dort Aufklärungsarbeit zu leisten. Da finde ich schon, da gibt es einen Interessenskonflikt. (…) Also man kann nicht als neutraler Beobachter oder Kontrolleur (…) zu einem Labor hingehen, mit dem man seit Jahren kooperiert. Das geht nicht. Natürlich ist Peter Daszak nicht der einzige Wissenschaftler in dieser Kommission. Aber alleine dadurch, dass er in der Kommission ist, diese Kommission hat untereinander auch ständig dann wieder Kontakt gehabt, dann auch wieder im geschlossenen Kreis. Die haben auch wochenlang in einem Quarantäne-Hotel verbracht. Natürlich ist dann eine Neutralität der gesamten Kommission auch nicht mehr unbedingt gegeben. Also das muss ich einfach sagen.

Christian Drosten im NDR-Podcast, 9. Juni 2021