"Satanische Verse" in der U-Bahn lesen?

Salman Rushdie polarisiert weltweit. Dafür schätzen viele seinen Mut. Archivbild: Christoph Kockelmann / CC-BY-SA-4.0

Kreative Aufrufe zur Solidarität Salman Rushdie gab es beim Internationalen Literaturfestival Berlin.

Am morgigen Samstag endet das Internationale Iiteraturfestival Berlin (ilb 22), das der belgische Schriftsteller David van Reybrouck mit einer Rede im Haus der Berliner Festspiele am 7. September eröffnete. Mehr als 150 Autorinnen und Autoren sprachen und sprechen an diesen elf Tagen in der Hauptstadt. Thematische Schwerpunkte sind die Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und Klimakrise.

Nach einer Corona-Pause dient das Haus der Berliner Festspiele wieder das Festivalzentrum, insgesamt gibt es aber 34 Veranstaltungsorte in Berlin und Brandenburg – unter anderem Schulen, Bibliotheken, Buchhandlungen.

Die meisten Autoren kamen oder kommen tatsächlich nach Berlin, einige wurden zugeschaltet. Ein Teil der Veranstaltungen war und ist auf der Internetseite und dem YouTube-Kanal des Festivals kostenlos zu sehen.

Aufruf zu "Weltweiter Lesung" ausgewählter Rushdie-Werke

Neben den geplanten Veranstaltungen hat ein aktuelles Ereignis den Charakter des Festivals mitbestimmt: Das Attentat auf Salman Rushdie in New York hat Menschen weltweit schockiert. Und als Reaktion auf diesen Anschlag rufen ilb-Direktor und Programmleiter Ulrich Schreiber und sein junges Team zu einer "Weltweiten Lesung" ausgewählter Werke des Autors am 29. September auf.

Zur Beteiligung sind "Einzelpersonen, Schulen, Universitäten, Kulturinstitutionen und Medien" eingeladen. Werke wie "Mitternachtskinder", "Die satanischen Verse", "Joseph Anton" bis hin zu Rushdies neuestem Buch "Sprachen der Wahrheit" sollen so gewürdigt werden, um ein Zeichen für die Freiheit der Literatur und des öffentlichen Wortes sowie für die Solidarität mit dem Autor zu setzen.

Die englische Ausgabe der "Satanischen Verse" ist übrigens vielerorts ausverkauft – wer mit diesem Buch an der weltweiten Lesung teilnehmen möchte, sollte es beizeiten bestellen.

Autoren von allen Kontinenten unterstützten den Aufruf, unter anderem nennen die ilb-Organisatoren Adonis, Jennifer Clement, Andrei Kurkov, Wole Soyinka, Janne Teller, Bernard-Henri Levy, Peter Schneider, Amir Hassan Cheheltan, Robert Hass und Sergei Lebjedev.

"Satanische Verse" demonstrativ aufschlagen

Die Autorin Madame Nielsen schlägt vor, bis zum 29. September überall im öffentlichen Raum "Die satanischen Verse" mit sich zu führen, das Buch überall aufzuschlagen und zu lesen – "in Cafés, Parks und der U-Bahn".

Elfriede Jelinek rege Autoren an, Auszüge davon auf den eigenen Websites zu platzieren, falls die Rechte hierfür jeweils erworben werden könnten. Das ilb dankt Richard Herzinger für den Entwurf des Aufrufs.

Salman Rushdie erlangte als Schriftsteller weltweite Bedeutung durch Erzählungen, Sachbücher und dreizehn Romane, erhielt den Booker Prize und zahlreiche andere Auszeichnungen. Aufgrund des Buches "The Satanic Verses" ("Die satanischen Verse") hatte der inzwischen längst verstorbene Ayatollah Khomeini im Rahmen einer "Fatwa" – eines islamischen Rechtsgutachtens – ein Todesurteil gegen Rushdie ausgesprochen, das formell nie aufgehoben wurde.

Stiftung will Kunst, Kultur und politisch-ästhetische Bildung fördern

Seit mehr als 20 Jahren ist die Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e. V. Träger des ilb. Die Stiftung wurde vor knapp 30 Jahren in Berlin gegründet; Namenspatron ist der Schriftsteller Peter Weiss. Sie soll "das oftmals spannungsgeladene Verhältnis von Kunst und Politik zum Thema einer breit angelegten Auseinandersetzung zu machen", vor allem durch die Förderung von Kunst und Kultur und politisch-ästhetischer Bildung.

Vorstand der Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e.V. sind Dr. Rolf Hosfeld und Ulrich Schreiber, der auch Leiter des ilb ist.

Das Themenspektrum der inzwischen weltweit renommierten Veranstaltungsreihe ist sehr breit angelegt – vielleicht ist die mangelnde Spezialisierung ein Grund dafür, dass zur Eröffnungsrede, das Haus der Berliner Festspiele vielleicht zur Hälfte besetzt war. Die Absicht der Veranstalter war es, gerade dadurch ein möglichst breites Publikum anzusprechen und einzubeziehen.