Satellitenaufnahmen ausgelöschter Ortschaften
Amnesty International veröffentlicht Fotos der Folgen des Dschihadismus in Nordnigeria
Mehr als eine Woche nach der Eroberung zahlreicher nordnigerianischer Ortschaften durch die salafistische Anti-Bildungs-Sekte Boko Haram ist immer noch nicht klar, wie viele Menschen dabei ums Leben kamen. Während die BBC von bis zu 2000 Todesopfern ausgeht, reduzierten die nigerianischen Behörden die offizielle Angabe erst auf Hunderte und später auf 150.
Bedingt zuverlässig sind diese Angaben unter anderem deshalb, weil das Gebiet, in denen die Leichen liegen (oder in dem sie mittlerweile beseitigt wurden), nicht von der nigerianischen Regierung, sondern von den Dschihadisten kontrolliert wird, die überall wo sie hinkommen Mobilfunkmasten zerstören.
Die potenziell objektivsten Informationen über die Massaker lassen sich deshalb aus den Aufnahmen von Satelliten gewinnen, die in für die Salafisten unerreichbarer Entfernung die Erde umkreisen. Die Qualität solcher Satellitenaufnahmen ist so hoch, dass mit ihnen vor acht Jahren in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur die Zerstörung von insgesamt insgesamt 1.171 Häusern nachgewiesen werden konnten.
Amnesty International hat nun Satellitenfotos ausgewertet, die am 2. und am 7. Januar über den Ortschaften Baga und Doro Gowon entstanden - also vor und nach dem Massaker. Mit Hilfe dieser Fotos kam Daniel Eyre, der Nigeriaexperte der Menschenrechtsorganisation, zum Ergebnis, dass die "katastrophalen Verwüstungen" dort die "zerstörerischsten" gewesen sein müssen, die die Terrorgruppe in ihrer bisherigen Geschichte durchführte. Eyres Einschätzung nach mussten sie definitiv Hunderte von Toten zur Folge haben.
Im etwa vier Quadratkilometer umfassenden Doro Gowon sind rund 3100 Gebäude ganz oder teilweise zerstört, in Baga ungefähr 620. Laut Amnesty International der Beweis dafür, dass Boko Haram zwischen dem 3. und dem 6. Januar einen "absichtlichen Angriff auf Zivilisten" unternahm, "deren Häuser, Kliniken und Schulen nun Ruinen sind".
Die Analyse aus den Satellitenfotos wird von Berichten von Augenzeugen gestützt, die sich in den nahe gelegenen Tschad retten könnten, wo in den letzten beiden Wochen geschätzte 11.000 Nigerianer Zuflucht fanden. Ihnen zufolge waren die Straßen bei ihrer Flucht mit Leichen übersät. Einigen dieser Berichten nach töteten die Dschihadisten aber nicht ausnahmslos alle Einwohner, sondern nahmen vor allem jüngere Frauen gefangen.
Dass sich die nigerianischen Behörden hinsichtlich der von ihnen eingeräumten Zahl der Opfer eher zurückhaltend geben, dürfte auch damit zusammenhängen, dass am 14. Februar die Wiederwahl des Parlaments und des Staatspräsidenten Goodluck Jonathan ansteht, einem christlichen Ijaw aus dem Nigerdelta. Je erfolgloser Jonathan bei der Bekämpfung der Terrorgruppe wirkt, desto besser sind die Chancen für seinen Herausforderer Muhammadu Buhari, einem moslemischen Fulbe aus dem Bundesstaat Katsina. Buhari muss allerdings mit dem Nachteil leben, dass ein Teil seiner potenziellen Wähler nicht mit abstimmen kann, weil deren Wohnorte im Boko-Haram-Kalifat liegen, das inzwischen größer als Irland ist.
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