Scheue Gipfelturner

Zuwachs bei der Familie der Meerkatzenverwandten

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Eine neue Affenart findet man nicht jeden Tag, zumal, wenn die Tiere nicht klein sind und obendrein noch laute Schreie ausstoßen. Zuletzt wurde 1984 in Afrika eine neue Spezies entdeckt, die Gabun-Meerkatze (Cercopithecus solatus). Jetzt haben Forscher unabhängig voneinander im Süden Tansanias an zwei verschiedenen Orten eine weitere bislang unbekannte Primatenart entdeckt. Im aktuellen Science wird sie erstmals beschrieben.

Auf Elefantenpfaden

Acht verschiedene Primatenarten zählte man bislang im südlichen Hochland Tansanias, in den Regenwäldern von Mount Rungwe Forest Reserve und Livingstone Forest (Rungwe–Livingstone). Doch bereits 2003 hatten Tim Davenport von der Wildlife Conservation Society in Tansania und sein Team bei Gesprächen mit den um den Mount Rungwe ansässigen Wanyakyusa von einer sehr scheuen Affenart gehört, die die Eingeborenen „Kipunji“ nannten. Im Mai 2003 schließlich, bei Untersuchungen zur Biodiversität in dem Gebiet, konnten sich die Forscher davon überzeugen, dass an den Erzählungen etwas dran war. Im dichten Gestrüpp des Urwalds konnten sie die „Kipunji“ beobachten – nur flüchtig, doch es reichte, um zu vermuten, dass es sich um eine neue Art handelte. Im Dezember 2003 dann gelangten die Affen deutlich erkennbar ins Visier der Forscher und konnten als eine neue Mangaben-Art identifiziert werden.

Erwachsener männlicher Hochland-Mangabe (Lophocebus kipunji), aufgenommen in Rungwe–Livingstone, Tansania (Bild: T. R. B. Davenport)

Wie sich dann jedoch herausstellte, war diese Affenspezies schon einmal gesichtet worden. Mehr als drei Jahre zuvor hatten Ornithologen von einer Affenpopulation im 350 Kilometer weiter nordöstlich gelegenen Udzungwa Mountains National Park berichtet, diese aber irrtümlicherweise für eine weitere Gruppe der Sanje-Haubenmangabe gehalten, eine Art, die man 1979 entdeckt hatte. Bei Nachforschungen im Juli 2004, bei denen sich Trevor Jones vom Udzungwa Mountains National Park auf alten Elefantenpfaden durch den Urwald schlug, stellten sich die vermeintlichen Haubenmangaben dann als genau dieselbe Mangabenart heraus, die in Rungwe–Livingstone geortet worden war.

Neue Verwandte: die Hochland-Mangaben

Die Mangaben gehören zur Familie der Meerkatzenverwandten (Cercopithecidae). Sie werden heute meist in zwei Gattungen, die bodenbewohnenden Mangaben (Cercocebus) und die baumbewohnenden Mangaben (Lophocebus), sowie in vier bis neun Arten unterteilt (die Klassifizierung ist bislang noch umstritten). Mangaben sind Waldbewohner und leben im westlichen und zentralen Afrika.

Lophocebus kipunji, gezeichnet von C. L. Ehardt nach Videoaufnahmen im Ndundulu Forest, Tansania (Bild: Zina Deretsky, National Science Foundation)

Den neuen Verwandten der Mangabenfamilie ordneten Jones und Davenport aufgrund der schwarzen Augenlider und der arborealen Lebensweise den Lophocebus zu und tauften ihn Hochland-Mangabe (Lophocebus kipunji).

Braunes Fell mit weißen Flecken

Exakt vermessen ist die neue Art noch nicht. Doch die Forscher schätzen ausgewachsene Tiere auf eine mittlere Größe von rund 90 Zentimeter und ein Gewicht zwischen 10 bis 16 Kilo. Lophocebus kipunji verfügt über einen langen Schwanz, sein Fell ist hell- bis mittelbraun, mit weißen Flecken an Bauch und Schwanz. Das Gesicht ist schwarz ebenso wie Augenlider, Hände und Füße. Er ernährt sich von Früchten, Blättern und gelegentlich von kleinen Tieren. Und er ist robust, denn in den Höhenlagen des Mount Rungwe (1.740 bis 2.450 m über dem Meeresspiegel) sinken die Temperaturen auf bis zu -3°Celsius. Zu den natürlichen Feinden zählen der Kronenadler, Leoparden und Pythons.

Eine DNS-Analyse, die das verwandtschaftliche Verhältnis zu den anderen Mangaben-Arten genauer definieren könnte, steht noch aus. Doch ein Unterschied ist deutlich hörbar: Die Schreie von Lophocebus kipunji sind zwar laut, aber sie sind etwas sanfter als die seiner Cousins. Dass die neue Art dem neugierigen Auge der Wissenschaft so lange entgehen konnte, schreiben Jones und Davenport ihrer Scheu zu: Die Hochland-Mangaben halten sich in entlegenen Urwaldregionen auf. In Gruppen von 15 bis 20 Tieren verbringen sie die meiste Zeit hoch in den Bäumen. Droht Gefahr, teilen sie sich in kleinere Gruppen auf und ziehen sich noch weiter in die Baumkronen zurück.

Ein Fall für die Rote Liste

Im Gebiet Rungwe–Livingstone wurden zehn verschiedene Hochland-Mangaben-Populationen identifiziert. Im Ndundulu Forest im Udzungwa National Park waren es drei. Hier halten sich die Tiere offenbar in einem sehr eng begrenzten Gebiet von drei Quadratkilometern auf, den dort lebenden Einheimischen sind sie unbekannt. Insgesamt schätzen die Forscher den Bestand auf maximal 1.000 Tiere. Sie erwarten daher, dass die Art auf die Rote Liste der bedrohten Tierarten gesetzt wird.

Kopf und Profilansicht von Lophocebus kipunji, gezeichnet von C. L. Ehardt nach Videoaufnahmen im Ndundulu Forest, Tansania (Bild: Zina Deretsky, National Science Foundation)

In Rungwe–Livingstone jedenfalls ist Lophocebus kipunji sehr bedroht. Hier hat der Mensch tiefe Spuren im Urwald hinterlassen. Wildern, Holzfällen und die unkontrollierte Ausbeutung von Naturresourcen sind an der Tagesordnung. Die Gebiete von Mount Rungwe und Livingstone sind nur mehr durch schmale Waldkorridore miteinander verbunden. Es steht zu befürchten, dass die beiden Teile bald ganz voneinander getrennt und die Affenpopulationen isoliert werden.

Der Regenwald im Ndundulu Forest ist hingegen fast unberührt und völlig intakt. Leider ist hier die Anzahl der Tiere geringer. Soll diese kleine Population geschützt werden, so fordern Jones und Davenport, muss der Udzungwa National Park so erweitert werden, dass er den Ndundulu Forest mit umfasst.

Zentraler Schutzraum

Mit den Hochland-Mangaben gibt es im Udzungwa National Park eine weitere bedrohte Affenart. Für Trevor Jones steht damit fest, dass das tansanische Hochland ein wichtiger Schutzraum für Primaten ist. Außerdem ist für ihn die Anwesenheit von Lophocebus kipunji in beiden Orten ein weiterer Beleg dafür, dass das südliche Hochland zoologisch enger mit der östlichen afrikanischen Bergbogenkette zusammenhängt, als bislang angenommen.