Schiefer Turm von Hamburg: Signa-Krise lässt Elbtower wanken

(Bild: FinnishGovernment, CC BY 2.0, Wikimedia Commons)

Baustillstand in der Hafencity. Olaf Scholz' Rolle beim Projektzuschlag zugunsten des Tiroler Immobilienmoguls René Benko wirft Fragen auf. Ein Kommentar.

Cum-Ex, Elbtower – was denn noch alles? Olaf Scholz (SPD) hat augenscheinlich ein Problem mit seiner Vergangenheit. Nicht nur wegen seiner amnestischen Ausfälle, was früher Erlebtes betrifft, insbesondere aus seiner Zeit als Hamburgs Erster Bürgermeister. Vielleicht sollte sich das mal ein Neurologe ansehen. Das Hauptproblem, das der Bundeskanzler mit seiner Vergangenheit hat, ist, dass sie ihn einzuholen droht und, wenn es miserabel läuft (für ihn), sein Amt kosten könnte.

Zu seiner früheren Nähe zum Banker Christian Olearius, der sich gerade vor dem Landgericht Bonn wegen des Vorwurfs der besonders schweren Steuerhinterziehung in 14 Fällen zu verantworten hat, haben die Medien schon allerhand rapportiert. Ganz kurz: Die Hamburger Warburg-Bank, Beteiligte am Cum-Ex-Diebstahl, entging im Jahr 2006 Steuerrückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro, woraufhin der Elb-SPD üppige Spenden durch das Geldhaus zusprudelten. Als dessen Aufsichtsratschef hatte sich Olearius seinerzeit mindestens dreimal mit Scholz getroffen. Der musste das nach anfänglichen Dementis einräumen, beharrt hinsichtlich der Gesprächsinhalte aber auf "Erinnerungslücken".

Imperium vor dem Zerfall?

Irgendwie ziehen die sich durch seine ganze Regentschaft in der Hansestadt. Nach Informationen des Sterns soll Scholz im Jahr 2018 wenigstens einen persönlichen Kontakt zum österreichischen Immobilienspekulanten René Benko gehabt haben, der rückblickend Fragen aufwirft. Bisher hatte der Hamburger Senat nur eine Unterredung der beiden bestätigt, allerdings datiert auf das Jahr 2013. Dabei soll es um die Pläne des Tiroler Unternehmers zum Kauf des Alsterhauses gegangen sein.

Dieser Deal wurde 2014 perfekt gemacht, so wie in den Folgejahren allerhand weitere Transaktionen durch Benkos Signa-Holding. Das alles müsste Scholz heute nicht mehr interessieren, hätte der österreichische Milliardär seine hübsche Erfolgsgeschichte schön weiter geschrieben. Aber inzwischen wackelt dessen Imperium bedenklich, die hohen Zinsen und Baukosten verhageln die Bilanzen, Investoren springen ab und die Banken geizen bei der Kreditvergabe. Der Druck seiner Geschäftspartner wurde am Ende so groß, dass der Konzerngründer am Mittwoch seinen Chefposten räumen und das Ruder an den Sanierungsexperten Arndt Geiwitz übergeben musste.

Ein Dilemma ist die Signa-Schieflage primär für Berlin und eben Hamburg, wo die Holding jeweils eine ganze Reihe an Projekten laufen hat. Wobei momentan gar nichts mehr läuft, in beiden Metropolen stehen sämtliche Baustellen still. Das gilt auch für die Arbeiten am Elbtower, ein Hochhaus, das sich dereinst 245 Meter Höhe in die Höhe recken soll, dessen Rohbau aktuell aber erst 100 Meter misst. Und solange die beauftragte Firma kein Geld zum Weiterbau erhält, wird der Turm auch nicht weiterwachsen und als abgebrochener Riese die Szenerie in der Hafencity verschandeln.

Schillernder Abgang

Je länger das so bleibt, desto mehr Menschen könnten das auch dem Bundeskanzler krumm nehmen. Dessen besagter Austausch mit Benko soll laut Stern kurz vor der Auftragsvergabe stattgefunden haben und durch Österreichs früheren Regierungschef Alfred Gusenbauer (SPÖ) angebahnt worden sein. Der arbeitet schon sehr lange für die Signa-Gruppe, seit 2009 unter anderem als Aufsichtsrat und aktuell als Beiratsvorsitzender. Allerdings hat der Hamburger Senat wiederholt abgestritten, dass sich Scholz und Gusenbauer über den Elbtower ausgetauscht haben.

In puncto Warburg-Affäre haben sich gleichlautende Versicherungen der Stadtregierung später allerdings als unhaltbar herausgestellt. Scholz kennt Gusenbauer seit Jahren und womöglich ging die Vertrautheit ja so weit, dass der SPÖler dem SPDler zu einem guten Abgang als Hamburgs Stadtoberhaupt verhelfen wollte. Denn nur Tage vor seinem Wechsel in die Bundespolitik wurden die Verträge besiegelt und hatte Scholz das Projekt Elbtower höchstpersönlich im Hamburger Rathaus vorgestellt. Zitat: "Ich als Bürgermeister möchte, dass die Hamburger sagen, das hat der Scholz gut gemacht …, wenn das fertig ist."

Jetzt aber droht eine Endlosbaustelle und jene Einwände, die es schon damals gegen den Signa-Zuschlag gab, kommen erneut zur Sprache. Regionale Wettbewerber mit teils mutigeren Entwürfen wären seinerzeit abgeblitzt, schrieb Welt-online. Einer soll laut Hamburger Abendblatt sogar lange Zeit vorn gelegen haben. Scholz aber habe "unbedingt Benko" und den Entwurf von David Chipperfield gewollt. "Offenbar überstrahlte die Idee des Stararchitekten die latenten Vorbehalte gegenüber dem Investor", der seit 2014 wegen Korruption vorbestraft ist.

Filzvorwürfe und schlechte Noten

Früh standen zudem Filzvorwürfe im Raum, etwa weil neben Gusenbauer auch CDU-Altbürgermeister Ole von Beust für Signa im zeitlichen Umfeld des Elbtower-Beschlusses lobbyierte. Interessant ist auch die Rolle der RAG-Stiftung.

Die regelt die Hinterlassenschaften des abgewickelten deutschen Steinkohlebergbaus und setzt dabei auf Kapitalanlagen und Beteiligungen, darunter an Signa Prime, der Elbtower-Projektgesellschaft. Im von Armin Laschet (CDU) angeführten Stiftungskuratorium sitzen unter anderem die Bundesminister Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP). In seiner Funktion als Finanzminister trat ab 2018 auch Scholz dem Gremium für vier Jahre bei, nachdem er kurz zuvor den Elbtower-Deal mit Benko klargemacht hatte.

Dass er ausgerechnet auf dieses Pferd setzte, begründete er mit dessen finanzieller Solidität, sichtbar an der Bewertung A+ bei den Ratingagenturen. Bei Signa handele es sich um "ein hervorragendes Immobilienunternehmen", bekräftigte er damals. Wie man sich täuschen kann: Am Montag stufte die Ratingagentur Fitch die Signa Development AG als eine von vier Immobilienbeteiligungsfirmen des Konzerns auf die Bonitätsnote CCC herab. Investitionen in das Unternehmen gelten damit als "hochriskant".

Vergessen macht sich breit

Ob Scholz dem Benko das übel nimmt? Auf alle Fälle setzt man im Kanzler-Umfeld auf die übliche Masche: "Nix Genaues weiß man nicht." Die Hamburger Senatskanzlei ließ verlauten, ein Treffen zwischen Scholz und Benko in Sachen Elbtower könne man "weder bestätigen noch dementieren". Man habe keinen Zugriff auf den Terminkalender des früheren Bürgermeisters. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte, er könne sich "grundsätzlich nur zu Vorgängen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Bundeskanzleramts äußern". Soll heißen: Vergesst es einfach!

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