Schuldenbremse vor Klima: Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig erklärt

Die zeitliche Entkoppelung der Feststellung einer Notlage vom tatsächlichen Einsatz der Gelder ist bei Sondervermögen nicht vorgesehen. Symbolbild: TheDigitalArtist / Pixabay Licence

60 Milliarden waren zur Bekämpfung der Coronakrise gedacht. Dann sollten sie dem Klimaschutz dienen. Dagegen klagten CDU und CSU. Vielleicht mit ungewollten Folgen.

Die Bundesregierung darf Gelder, die ursprünglich zur Bekämpfung der Corona-Krise gedacht waren, nicht für Klimaschutzprojekte nutzen: Die Änderung des Nachtragshaushalts 2021 sei verfassungswidrig, verkündete an diesem Mittwoch das höchste deutsche Gericht.

Der Bund hatte im Zuge der Corona-Maßnahmen den Haushalt 2021 nachträglich in Form einer Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro aufgestockt – was in Notsituationen trotz der trotz im Grundgesetz verankerten "Schuldenbremse" möglich ist.

Letztendlich wurde das Geld aber nicht für die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen benötigt. Die Ampel-Koalition wollte das Geld daher für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) nutzen, aus dem zahlreiche Förderprogramme finanziert werden.

Die Summe wurde mit Zustimmung des Bundestages 2022 rückwirkend umgeschichtet. Allerdings legten 197 Abgeordnete der Unionsparteien dagegen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Einspruch ein – aus ihrer Sicht wurde damit die Schuldenbremse umgangen, ohne dass eine echte Notsituation bestand.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung gibt ihnen der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts Recht. Allerdings könnte die Entscheidung ungeahnte Nebenwirkungen haben.

Was wird aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr?

In der Begründung verlangt das Gericht zunächst, eine Kreditaufnahme bei Umgehung der Schuldenbremse müsse "im Einzelnen sachlich gerade auf die konkrete Notsituation und den gesetzgeberischen Willen, diese zu bewältigen, rückführbar sein".

Zudem – und das kann weitere Folgen haben – stellt das Gericht fest: Sondervermögen dürfen nur in dem Haushaltsjahr, für das sie bereitgestellt wurden, eingesetzt werden. Der Nachtragshaushalt 2021 stehe damit nicht in Einklang. Ansonsten könne der Staat quasi durch Sondervermögen ein Polster für künftige Krisen anhäufen.

Die zeitliche Entkoppelung der Feststellung einer Notlage vom tatsächlichen Einsatz der Kreditermächtigungen widerspreche "den Verfassungsgeboten der Jährlichkeit und Jährigkeit", argumentiert das Gericht.

Somit stellt sich die Frage, was aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr wird, dessen Bereitstellung Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Februar 2022 im Zuge der "Zeitenwende" verkündet hat. Jeweils 20 Milliarden zusätzlich für fünf Haushaltsjahre. Bis Mitte Juli dieses Jahres war nur ein Bruchteil davon genutzt worden, nämlich 1,2 Milliarden, wie die ARD vom Verteidigungsministerium erfuhr.

Das Geld könne aus haushaltsrechtlichen Gründen erst abfließen, wenn das bestellte Gerät geliefert wurde, hieß es damals zur Begründung. Und das dauere bei Großprojekten wie modernen Kampf- und Schützenpanzern eben seine Zeit.

Laut Gerichtsentscheid widerspricht die Verabschiedung des Nachtragshaushalts für das Jahr 2021 nach Ablauf des Haushaltsjahres auch dem Grundsatz der Vorherigkeit. Demnach muss ein Nachtragsentwurf bis zum Ende des betreffenden Haushaltsjahres beschlossen werden.

Die sogenannte Schuldenbremse soll die Staatsverschuldung begrenzen und sieht vor, dass Bund und Länder ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen. Für den Bund ist höchstens eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt. In außergewöhnlichen Notsituationen kann die Schuldenbremse aber außer Kraft gesetzt werden.