Schuss aus der Ferne
Mutmaßliche al-Qaida-Anhänger durch eine von einem unbemannten Flugzeug Predator abgefeuerte Rakete in Jemen getötet
Allmählich tritt der Krieg in die neue Dimension des Cyberspace ein. Aus sicherer Entfernung werden nicht mehr nur Raketen oder lasergelenkte Bomben auf zuvor ausgemacht Ziele abgeschossen, sondern werden die Waffen von unbemannten Flugzeugen auf den Feind gerichtet. In Jemen wurde ein Fahrzeug, in dem angeblich 6 al-Qaida-Mitglieder saßen, von einem Predator, einer bewaffneten Drohne, zerstört.
Mit den unbemannten und bewaffneten Flugzeugen (UCAVs) wird sich der Krieg zu nehmend verändern. Zumindest wenn der jeweilige Feind über nicht ausreichende Erkennungs- und Abwehrtechnologie verfügt, kann er nun jeder Zeit und an allen Orten auf der Erde zum Gejagten werden, während der Jäger lediglich materiellen Schaden durch Abschuss des ferngelenkten Fahrzeugs fürchten muss. Damit wird die Zeitspanne zwischen Ortung des Feindes durch Aufklärung und dem Versuch von dessen Eliminierung noch kürzer, wobei die Entscheidung und die Steuerung des Angriffs Tausende von Kilometern entfernt erfolgen kann.
Dabei nähert sich die Kriegsführung einem Computerspiel an - der wesentliche Unterschied ist nur noch, dass ein wirkliches UAV über einem wirklichen Territorium gesteuert und eine wirkliche Rakete auf einen wirklichen Feind abgefeuert wird. Für den Menschen vor dem Bildschirm, der das UAV mit einem Joystick lenkt, wäre dieser Unterschied im Prinzip gar nicht mehr auszumachen (Fernsteuerung von unbemannten Kampffahrzeugen). In diesem Wartainment des neuen Fernkriegs verschmelzen Simulation und Wirklichkeit endgültig, wird das Computerspiel zum Krieg oder der Krieg zum Computerspiel (Üben für den Krieg im Irak). Allerdings wird ein Predator noch von einem Piloten in einer Art Cockpit geflogen. Neben ihm überwacht ein Offizier die Sensoren. Und ein Dritter nimmt die Aufgabe eines Flugingenieurs wahr. Die Kommandozentrale passt auch in einen Lastwagen.
Erstmals eingesetzt wurden bewaffnete UAVs mit zweifelhaftem Erfolg in Afghanistan. Im Krieg sind trotz aller Präzisionswaffen Opfer (Kollateralschäden) nicht zu vermeiden, heißt es stets. Doch die Gefahr liegt nahe, dass mit dem Fernkrieg, um eine Chance nicht zu verpassen, noch schneller als bislang die Waffen ausgelöst werde. So hatte man in Afghanistan mit dem Predator in der Nähe eines Waffenlagers drei Männer getötet, von denen einer angeblich so ausgesehen haben soll wie bin Ladin. Später hieß es, es hätten auch Diebe sein können. Tot sind sie allemal, ein vermutliches Taliban- oder al-Qaida-Leben zählt nicht viel (Ferngesteuerte Waffensysteme senken die Angriffsschwelle). Im Pentagon sprach sprach man von mehreren Dutzend Einsätzen in Afghanistan mit einer "fast hundertprozentigen Trefferquote".
Eine Hellfire-Rakete, die von einem Predator abgeschossen wurde, hat jetzt erstmals, wie die Washington Post berichtet, auch außerhalb von Afghanistan, aber in einem anderen Land, in dem Experimente offenbar möglich sind, sechs Menschen in einem Fahrzeug getötet. Bei den Getöteten soll es sich um mutmaßliche al-Qaida-Mitglieder handeln, darunter soll auch der vom FBI gesuchte Kaid Sinian al-Harithi sein, der verdächtigt wird, an der Planung des Anschlags auf den Zerstörer Cole im Hafen von Aden maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Die übrigen seien Verwandte von ihm gewesen. Er wird auch verdächtigt, für den Anschlag auf den französischen Tanker am 7. Oktober mit verantwortlich zu sein und gilt als hoher al-Qaida-Angehöriger im Jemen. Das Land soll wiederum Rückzugsgebiet der al-Qaida sein. Aus Jemen kommen nicht nur einige der gesuchten und bereits verhafteten Terroristen, es bietet durch sein unübersichtliches Gebiet auch gute Verstecke. Vor kurzem wurden angeblich eine Frau und ein Sohn Bin Ladins in Jemen festgenommen.
Das amerikanische Militär unterstützt die Streitkräfte des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh mit Waffen und Training. Das jeminitische Innenministerium gab zunächst bekannt, dass das Fahrzeug durch eine Explosion von mitgeführten Sprengstoff zerstört wurde. Mit dem Angriff über den Predator haben die Amerikaner nun erstmals auch aktiv militärisch im Jemen eingegriffen. Allerdings wurden Predators schon seit Monaten zur Überwachung des Grenzgebiets zwischen dem Jemen und Saudi-Arabien eingesetzt.
Über den Angriff hat sich das Pentagon noch nicht näher geäußert. Möglicherweise wurde al-Harithi schon länger überwacht oder dessen Satellitentelefon abgehört, so dass man wusste, wo er sich aufhält. Verfolgt werden kann ein Ziel mit Kameras oder Radar. An der Spitze des Flugzeugs befindet sich eine Kamera zum Steuern, daneben gibt es noch eine Fernsehkamera und eine Infrarotkamera. Zur Steuerung der Hellfire-Raketen befindet sich zusätzlich ein Lasersystem (Multispectral Targeting System - MTS) an Bord. Da das Militär abstreitet, an dem Angriff beteiligt gewesen zu sein, wurde er vermutlich vom CIA ausgeführt. Der Geheimdienst besitzt bewaffnete Predator und hatte diese auch in Afghanistan eingesetzt. Auch damit verschwimmt durch neue Waffen eine Grenze zwischen militärischen und verdeckten geheimdienstlichen Aktionen (Lizenz zum Töten).