Schutzhüllen für Fukushima-Reaktoren frühestens ab September

Den einen Sarkophag für Tschnernobyl bauten hunderttausende Liquidatoren in einem halben Jahr, jetzt müssen gleich vier oder sechs Reaktoren mit Schutzhüllen versehen werden

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Bekanntlich sind atomare Katastrophen keine lokalen Ereignisse, sondern haben regionale und globale Folgen. Das wurde im Fall von Tschernobyl deutlich vor Augen geführt. Auch wenn unklar ist, wie hoch die Schäden wirklich sind und wie viele Menschen ursächlich durch die beim Unfall freigesetzte Radioaktivität gestorben oder an Krebs erkrankt sind, so sind je nach Laune des Wetters, also der Windrichtung und der Niederschläge, auch Menschen in anderen Ländern und Tausenden von Kilometern Entfernung betroffen. Die Meinungen gehen weit auseinander.

In Tschernobyl hatten Hunderttausende von so genannten Liquidatoren den außer Kontrolle geratenen Reaktor schließlich mit einem Betonmantel umgeben, um den weiteren Austritt von Radioaktivität zu verhindern. Während es manchmal heißt, dass daran Tausende von Arbeitern in Folge gestorben seien, so sind die Opferzahlen hoch umstritten. So waren nach dem United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation (2008) die 530.000 registrierten Liquidatoren zwischen 1986 und 1990 einer Strahlungsdosis von 0,02 und 0,5 Gy ausgesetzt, durchschnittlich habe es sich um 120 Millisievert gehandelt. Bei ihnen gab es ein gering erhöhtes Risiko für Leukämie und Luftröhrenkrebs, wobei Langzeitfolgen weiter beobachtet werden, für Kinder und Jugendliche im Umkreis ein deutlich erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs. Es gebe keine empirisch belegbaren Hinweise auf einen weit verbreiteten Anstieg von Krebserkrankungen bei den kontaminierten Menschen. An der Strahlenkrankheit starben 38 Menschen, die während es Unfalls im Reaktor arbeiteten. An Schilddrüsenkrebs und Leukämie sollen insgesamt einige Tausend Menschen in Folge des Unglücks gestorben sein.

In Tschernobyl brauchte man ein halbes Jahr, um einen notdürftigen Sarkophag herzustellen, der jetzt, 25 Jahre später, dringend rundum repariert werden müsste. Sowieso muss der Sarkophag, der einzustürzen droht, ständig mit viel Geld ausgebessert werden. Geplant ist zudem eine weitere riesige Schutzhülle aus Stahl, die dann mindestens weitere 100 Jahre für Sicherheit sorgen soll und mehr als eine Milliarde Dollar kosten würde. Bei der Finanzierung kommt man aber nicht voran. In Tschernobyl musste freilich nur ein Reaktor gesichert werden, in Fukushima sind es aber mindestens vier, wenn nicht alle sechs, die in irgendeiner Form von der Außenwelt dauerhaft abgedichtet werden müssen, um den Austritt von Radioaktivität zu stoppen.

Die japanische Regierung teilte nun mit, so die Nachrichtenagentur Kyodo, dass man frühestens bis September die Reaktoren mit einer Schutzhülle umgeben könne, die Arbeiten könnten, so ein dazu befragter Baukonzern, frühestens im Juni beginnen, wenn die Radioaktivität zurückgegangen sei, so dass Arbeiter dort sicher eingesetzt werden können. Das heißt auch, dass bis dahin Strahlung austreten kann, was nicht nur Japan, sondern auch die umgebenden Länder bedroht, allen voran Südkorea, China und Russland, alle Staaten, die ebenfalls auf Atomenergie setzen.

Der an Tschernobyl angelehnte Termin dürfte sehr optimistisch sein, denn noch niemals hatte man es mit 4-6 Blöcken zu tun, die gleichzeitig eingehüllt werden müssen. Das Problem in Fukushima ist, dass es sich nicht nur um den Reaktorkern, sondern auch um die mit Brennstäben angefüllten Abklingbecken handelt. Es müssten also riesige Abdeckungen sein. Und es kommt das Problem hinzu, dass man in Fukushima weiterhin mit starken Erdbeben und Tsunamis, aber auch mit Stürmen rechnen muss, die die Schutzhüllen gefährden könnten. Tepco denkt offenbar nicht an Stahl- oder Betonsarkophagen, sondern nur an Hüllen über Gerüsten, die für 4 Reaktoren nur etwas mehr als 600 Millionen Euro kosten würden. Man will an die Hüllen Substanzen anbringen, die radioaktive Partikel binden, und Luftturbinen mit Filtern anbringen, die radioaktive Partikel zurückhalten, aber den Wasserstoff austreten lassen, um weitere Explosionen zu verhindern. Richtig vertrauenswürdig klingen diese Sicherheitsmaßnahmen, die wohl primär die Kosten minimieren sollen, nicht. Und sie dürften auch nur temporäre Lösungen sein, stellen also lediglich ein Mittel dar, um das Problem und die Kosten in die nähere Zukunft zu verschieben.