Schweden: Auf Umwegen zur Rechtsregierung oder Neuwahlen?
Wer auch immer zukünftig Schwedens Regierung führen wird: Die Finanzen für 2019 sind schon einmal mit Hilfe der Schwedendemokraten auf konservativem Kurs
Auch drei Monate nach der Wahl hat Schweden noch keine neue Regierung. Das Stimmenverhältnis ist so ausgefallen, dass keine Konstellation möglich ist, ohne dass jemand sein Wahlversprechen brechen muss - sei es inhaltlich oder in den Kooperationsaussagen.
Daran scheiterte jüngst der Konservative Ulf Kristersson, weil seine liberalen bürgerlichen Partner den nationalistischen Schwedendemokraten keinen Fußbreit Einfluss zugestehen wollen (siehe: Schwedendemokraten müssen weiter draußen bleiben). Daran wird aber auch der Sozialdemokrat Stefan Löfven scheitern, über den am Freitag als Regierungschef abgestimmt werden soll. Denn es ist ihm in den vergangenen Wochen der Verhandlungen nicht gelungen, die beiden kleinen liberalen Parteien auf seine Seite zu ziehen.
Das weiß auch Parlamentssprecher Andreas Norlén. Trotzdem hat er entschieden, die Abstimmung abzuhalten. Sein Job ist es, den Prozess der Regierungsbildung zu leiten. Indem er am Freitag die Knöpfchen für oder gegen Löfven drücken lässt, übt er auch Druck auf die Parteien aus, sich endlich in irgendeiner Form aufeinander zuzubewegen. Zuletzt hatte es auch so ausgesehen, als würden die liberalen Parteien Löfven zu einer neuen Amtszeit verhelfen. Sie versuchten allerdings, sich so teuer wie möglich zu verkaufen, mit Forderungen "rechts von der Regierung Reinfeldt", wie es in der schwedischen Presse hieß. Die liberale Centerpartiet brach schließlich als erste die Verhandlungen ab.
Die Haushaltsdiskussion wurde damit zu einem Orakel, wohin es nun gehen kann. Der schwedische Haushalt muss im Dezember beschlossen werden. Die abgewählte Regierung Löfven ist als Übergangsregierung verpflichtet, einen "neutralen" Entwurf ohne politisch motivierte Veränderungen vorzulegen, und das hat sie getan. Ulf Kristerssons konservative "Moderaterna" und die "Kristdemokraterna" haben gemeinsam einen eigenen Vorschlag ausgearbeitet, der auf zahlreiche Steuersenkungen setzt und dafür Subventionen im Bereich Arbeitsmarkt, Bauen und Umwelt streicht. Als dieser bekannt wurde, erklärten auch die Schwedendemokraten, dass sie dem zustimmen würden. Die liberalen Parteien kamen dadurch erst recht in die Zwickmühle.
Der Schlüssel zur Regierungsbildung liegt bei der Centerpartiet
Für Stefan Löfven ist dies ein Deja-vu: Schon im Dezember 2014, als seine Regierungszeit gerade erst begonnen hatte, wurde sein Haushalt vom bürgerlichen Block mit Hilfe der Schwedendemokraten überstimmt. Damals wollte er schon Neuwahlen ausrufen, einigte sich aber dann mit den bürgerlichen Parteien unter anderem darauf, dass eine Minderheitsregierung die Chance haben soll, ihren eigenen Haushalt durch zu bekommen. Die Schwedendemokraten sollten dabei außen vor bleiben.
Alle hatten darauf gehofft, dass es nach der Wahl eindeutige Verhältnisse geben würde, aber so ist es nicht gekommen. Der rot-grüne Block hat nur eine Stimme Vorsprung vor dem der vier bürgerlichen Parteien, und die Schwedendemokraten haben 17,6 Prozent. Neuwahlen würden daran auch nur wenig ändern. Nach den jüngsten Meinungsumfragen bekämen die Sozialdemokraten und die Schwedendemokraten beide vielleicht ein bis drei Prozent mehr.
Parlamentssprecher Andreas Norlén sagte bei der Pressekonferenz, Neuwahlen seien für ihn ein Zeichen des Scheiterns. Endet die Abstimmung am Freitag wie erwartet ohne Ergebnis, hat er noch zwei weitere Versuche, bevor er die Landsleute wieder zur Urne schicken muss. Präziser handelt es sich dabei um eine "Extrawahl" - die Termine sind in Schweden nämlich festgeschrieben.
Der Schlüssel zur Regierungsbildung liegt bei der größeren liberalen Partei, der Centerpartiet und ihrer medial sehr präsenten Chefin Annie Lööf. Deren 31 Stimmen allein könnten der einen oder der anderen Seite helfen. Sie hat Kristersson getreu ihres Wahlversprechens blockiert und auch Löfven auflaufen lassen, weil dieser nicht genug Zugeständnisse gemacht haben soll. "Ich bin ehrlich enttäuscht, dass die Sozialdemokraten diese historische Chance zur einer Zusammenarbeit über die Blockgrenzen nicht genutzt haben", sagte sie nach dem Abbruch der Verhandlungen.
Doch bekanntlich hat Politik auch viel mit Theater zu tun. Und viele Schweden sind langsam genervt von dem Stück, das ihnen gerade dargeboten wird. Möglicherweise hat Lööf jetzt ausreichend Prinzipientreue bewiesen. Die von ihr propagierte Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Moderaten ist wenig realistisch, erst recht nach dem jüngsten Haushalts-Coup. Soll es nicht zu Neuwahlen kommen, wird sie sich entscheiden müssen.
Bei der Haushaltsabstimmung haben Centerpartiet und die Liberalen sich enthalten und damit den Weg für den Entwurf der Konservativen frei gemacht. Das könnte die Richtung sein, in die es geht, wenn demnächst wieder über Ulf Kristersson als Regierungschef abgestimmt wird - auch andere nordische Länder sind nach rechts gerutscht. Ansonsten können sich die Schweden schon mal Gedanken darüber machen, wer seine Rolle am wenigsten schlecht gespielt hat.