Schweden: Omikron als Gamechanger

Bild: Linus Mimietz/unsplash

Großteil der Corona-Maßnahmen werden beendet

Die Pandemie sei nicht vorbei, aber in einer neuen Phase. Mit dieser Begründung will nun auch Schweden ab dem 9. Februar den Großteil seiner Corona-Maßnahmen beenden, trotz vierstelliger Inzidenzen. Die Gamechanger: Impfung, dritte Dosis – und Omikron. Der erst vor zwei Monaten eingeführte "Impfnachweis" für Veranstaltungen wird dagegen still begraben.

Ohne einen Impfnachweis ist das Leben in Deutschland inzwischen stark eingeschränkt. Aus 3G ist für viele Orte 2G+ geworden, und nun soll also eine Impfpflicht dafür sorgen, dass die nächste Coronawelle in Zukunft mit weniger Schaden über das Land hinwegrollt. Die politische Mehrheit scheint vorhanden, die Frage scheint nur noch, wann und wie. Denn bisher konnten 15 Prozent der erwachsenen Deutschen nicht davon überzeugt werden, sich impfen zu lassen.

Impfnachweis-Politik in Schweden

Anders als in Deutschland kann man bis heute jedes schwedische Geschäft oder Restaurant betreten, ohne dabei einen Impfnachweis vorzulegen. Lange galt das auch für Veranstaltungen. Im Herbst gab es dazu eine Veränderung : Zum 1. Dezember wurde der "vaccinpass" oder "covidbevis" eingeführt.

Dieser Impfnachweis sollte die Virusverbreitung bei großen Veranstaltungen in Schach halten und einen stärkeren Anreiz bieten, sich impfen zu lassen. Und während die vorübergehend in Dänemark genutzte Variante eher dem deutschen "3G" ähnelte, so galt bei der schwedischen Variante nur die Impfung. Anfang Januar gab die Regierung der zuständigen Behörde für öffentliche Gesundheit (Folkhälsomyndigheiten) sogar noch grünes Licht dafür, den Impfnachweis auch in Restaurants einzusetzen.

Doch daraus wurde nichts. Ab dem 12. Januar wurde der Gebrauch des Impfnachweises für Veranstaltungen zwar etwas ausgeweitet. Bei Restaurants hielt man sich aber lieber an das bekannte "nur kleine Gruppen" (8 Personen) und "früher schließen" (23 Uhr).

Gesundheits- und Sozialministerin Lena Hallengren sagte im Interview mit Sveriges Radio über den Impfnachweis, dieser sei weniger wirksam, als man sich erhofft habe. Der schwedische Journalist Emanuel Karlsten geht in seinem Debattenartikel für Götebors Posten sogar noch weiter:

Zwei Monate mit Impfnachweis haben eine ganz neue Generation von Impfskeptikern geschaffen und Falschinformationen haben sowohl im Internet als auch darüber hinaus immer mehr Raum bekommen.

Und er fragt: "War es das wert?"

Tatsächlich gab es zuletzt auch in Schweden Demonstrationen gegen Coronamaßnahmen, insbesondere gegen den Impfnachweis. Mehr als 11.000 Klagen gegen dagegen wurden beim Justizombudsmann eingereicht. Die Maßnahme greife zu sehr in die Freiheitsrechte ein und sei nicht verhältnismäßig. Das Amt lehnte es jedoch ab, sich damit zu befassen. Epidemiologische Beurteilungen seien nicht seine Aufgabe, und die Maßnahme befinde sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens.

Nun wird der Impfnachweis also doch begraben. Allerdings haben nicht die Proteste das bewirkt, sondern die Omikron-Variante – im Zusammenwirken mit den Impfungen.

Die "neue Phase" der Pandemie

Man habe inzwischen mehr Wissen über Omikron, trotz hoher Infektionszahlen sei die Lage auf den Intensivstationen stabil und immer mehr Schweden ließen sich jetzt die dritte Dosis geben, so Ministerpräsidentin Magdalena Andersson auf der Pressekonferenz.

Dazu käme die wachsende Zahl an Genesenen. Deshalb könne man das Land jetzt öffnen. Karin Tegmark Wisell, Generaldirektorin der Behörde für öffentliche Gesundheit, verwies auch darauf, dass man die Auswirkungen der Einschränkungen nicht herunterspielen dürfe. Viele hätten unter dem verringerten sozialen Umgang gelitten.

Nach dem Infektionsschutzgesetz müssten die Maßnahmen verhältnismäßig sein. Man werde den Verlauf aber weiter beobachten – auch mit Blick auf neue Varianten. Über die Herabstufung von Covid-19 von einer gesellschaftsgefährdenden Krankheit zu einer lediglich meldepflichtigen Krankheit muss demnächst das Parlament entscheiden.

Die große Zahl der Infizierten hat aktuell durchaus spürbare Auswirkungen, nicht nur in den Krankenhäusern, Kitas und Schulen. So fielen am vergangenen Wochenende zahlreiche Züge aus, weil einfach zu viel Personal krank war oder Kranke zu betreuen hatte. Ab dem 9. Februar fällt zwar die Quarantänepflicht für symptomlose Kontaktpersonen weg. Wer erkrankt oder ein krankes Kind zu betreuen hat, wird aber trotzdem weiterhin ausfallen.

Auf den Intensivstationen befinden sich seit Wochen zwischen 100 und 120 Personen mit Corona - weit weniger als in den Spitzenzeiten früherer Wellen. Gestiegen ist die Zahl der Coronafälle in den gewöhnlichen Abteilungen der Krankenhäuser. Immer weniger sei dabei aber Corona der Hauptgrund, so der Vertreter der Sozialbehörde bei der jüngsten Pressekonferenz. Eine Coronainfektion könne sich allerdings auf andere Krankheiten negativ auswirken und dies erschwere auch die Krankenpflege.

Impfungen, so wird in jedem Auftritt von Politikern oder Behördenvertretern betont, seien die wichtigste Maßnahme. Tatsächlich ist die Impfquote in Schweden nicht wirklich besser als die von Deutschland (um die 74 Prozent). In Deutschland sind sogar mehr Leute über 18 Jahre "geboostert" (62, 8 Prozent gegenüber 50,3 Prozent). Allerdings ist die Impfquote sehr gut bei denjenigen, die auch tatsächlich das größte Risiko haben, die Altersgruppe über 60. Diese haben auch schon weitgehend ihre dritte Dosis erhalten.

Bei den Unter-12-Jährigen werden in Schweden nur die Risikogruppen geimpft. Für diese Altersgruppe gibt es bisher keine allgemeine Impfempfehlung. Zur Immunität in Schweden trägt aber auch der hohe Anteil derjenigen bei, die genesen sind – inzwischen mehr als 20 Prozent. Man erinnere sich an die seltsame Immunität der Schweden im Herbst, während überall anders schon die Wellen hochgingen (Schweden greift nach dem Impfpass).