Schweden entgeht Regierungskrise, aber nicht dem Groll Erdogans
Misstrauensvotum scheitert an einer Enthaltung. Minderheitsregierung bleibt im Amt und muss sich weiter mit türkischen Bedingungen für Nato-Betritt auseinandersetzen
An der Enthaltung der parteilosen Abgeordneten Amineh Kakabaveh ist am Dienstag ein Misstrauensvotum gegen Schwedens Innen- und Justizminister Morgan Johansson gescheitert.
Die Fraktion der rechten Law-and-Order-Partei "Schwedendemokraten" hatte die Abstimmung beantragt, weil sie Johannson Versagen bei der Bekämpfung von Bandenkriminalität vorwarfen – 175 Stimmen wären notwendig gewesen, um Johansson zu stürzen, 174 Abgeordnete entzogen dem Minister dann tatsächlich ihr Vertrauen.
Für den Fall eines erfolgreichen Misstrauensvotums gegen Johannson hatte auch die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson ihren Rücktritt und den der gesamten Minderheitsregierung angekündigt.
Dieses Szenario hätte Schweden wenige Wochen nach seinem Antrag auf eine Nato-Mitgliedschaft in eine Regierungskrise gestürzt, die auch Folgen für das Beitrittsprozedere gehabt hätte. Mitte September wird in dem nordischen EU-Land eine neue Regierung gewählt – bis dahin wäre es wohl von einer Übergangsregierung ohne umfassende Befugnisse geführt worden.
"In diesem Saal sollen Schwedens Gesetze gemacht werden"
Die kurdischstämmige Abgeordnete Amineh Kakabaveh, die es ablehnt, dass Schweden für einen Nato-Beitritt die Forderungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erfüllt, hatte nach Verhandlungen mit den regierenden Sozialdemokraten entschieden, sich bei der Abstimmung zu enthalten.
Bei der Parlamentsdebatte warf die unabhängige Linke, deren Einfluss vielen ein Dorn im Auge ist, erneut die Frage auf, ob die Türkei über Schwedens Politik bestimmen solle: "In diesem Saal sollen Schwedens Gesetze gemacht werden – nicht in Ankara", sagte sie. "Ich verteidige Schwedens Recht, über seine eigene Innen- und Außenpolitik zu bestimmen."
Erdogan hatte sein Veto gegen die Nato-Beitritte Finnlands und Schwedens damit begründet, dass diese Länder "Terrororganisationen" wie die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstützten und Waffenlieferungen an die Türkei ablehnen.
Der türkische Botschafter in Stockholm hatte zwischenzeitlich sogar Terrorismusvorwürfe gegen Kakabaveh selbst erhoben und deren Auslieferung an die Türkei gefordert, obwohl die schwedische Staatsbürgerin nicht einmal familiäre Wurzeln in diesem Land hat, sondern aus den kurdischen Gebieten des Iran stammt. Botschafter Hakkı Emre Yunt bezeichnete die Forderung später als Missverständnis.
Im November vergangenen Jahres hatte die Abgeordnete eine Absprache mit der sozialdemokratischen Regierungspartei getroffen, die auch eine Zusammenarbeit mit syrisch-kurdischen Partei der demokratischen Union (PYD) beinhaltete. Letztere ist in Schweden nicht verboten, wird aber von Erdogan mit der verbotenen PKK gleichgesetzt. Momentan blockiert daher die Türkei als einziges Nato-Mitglied den Beginn des Aufnahmeprozesses der beiden nordischen Länder in den Militärpakt.