Schwere Interessenskonflikte machen Entwürfe der Multimediagesetze zur Makulatur

Pest oder Cholera?

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Die internationale Vorreiterrolle Deutschlands in der Gesetzgebung für die neuen Medien droht zur Farce zu verkommen. Seit Jahren streiten sich Bund und Länder um die Kompetenz, "Multimedia" und das Internet in geordnete rechtliche Rahmen und Bahnen zu bringen. Im Juni letzten Jahres hatte man sich darauf geeinigt, daß der Bund den Bereich der Individualkommunikation im Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG), die Länder die Massenkommunikation im Mediendienste-Staatsvertrag regeln sollten. Doch die von Juristen gezogenen Abgrenzungslinien werden von Praktikern als unhandbar eingestuft. Zahlreiche weitere Regelungen werden nicht nur von der Opposition, sondern auch von Wirtschaft, Technik und Jurisprudenz angemahnt. Und in der Kryptofrage ist das Kabinett sogar selbst zwischen "Zukunfts"- und Innenministerium, sowie FDP- und CDU/CSU-Ressorts in zwei konträre Lager geteilt. Die Kritik an den Gesetzesentwürfen setzt die Regierung nun zunehmend unter Druck; sie scheint allerdings an ihren ergeizigen Plänen festhalten und die Gesetze noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschieden zu wollen.

Die Kritiker beziehen Stellung

Wie eine Wahlmöglichkeit "zwischen Pest und Cholera" erscheint dem Informatikprofessor Gerhard Schneider von der Universität Karlsruhe der Unterschied zwischen den Entwürfen des Bundes und der Länder zur rechtlichen Fassung von Multimedia und Internet. Statt dem Standort Deutschland Investitionsvorsprünge zu gewähren, würden Internetanbietern "Handschellen angelegt". Gerhard Schneider steht mit seiner Kritik nicht allein da. Was Experten vor allem Kopfschmerzen bereitet, ist die Tatsache, daß ein Medium in allen Details geregelt werden soll, das sich aufgrund seiner technologischen Basis kaum kontrollieren läßt. Der Konflikt zwischen den Juristen im Elfenbeinturm der Staatskanzleien und Ministerien und den Technikern in Praxis und Wissenschaft ist damit vorprogrammiert. Die Regierung habe das Medium Internet schlichtweg "nicht begriffen", beteuert daher Jörg Tauss (SPD) nur kopfschüttelnd.

Was als fortschrittliches Pilotprojekt, als erste detaillierte und speziell konzipierte Regelung der neuen Medien, ja sogar als "rechtliches Gerüst der Informations- und Kommunikationsgesellschaft", so Technologieminister Jürgen Rüttgers, initiiert wurde, scheint als unausgegorener Schnellschuß in die Rechtsgeschichte einzugehen. Im Juni bereits soll alles verabschiedet werden, bleibt also nur noch wenig Zeit für die sich gegen die Entwürfe formierenden Lobbygruppen.

Die Wirtschafts- und Providerlobby

Um den Webkommerz endlich in Schwung zu bringen, sind vor allem Unternehmensvertreter an einer eindeutigen und freizügigen Regelung von Multimedia sehr interessiert. Die Rahmengesetze müßten "von Anfang an liberal ausgerichtet sein", forderte etwa der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, auf dem 5. Deutschen Multimedia Kongreß Anfang Mai in Stuttgart. Das hatte der erste Entwurf des IuKDG auch in weiten Teilen so vorgesehen. Da die Länder, die traditionell die "Kulturhoheit" über die Medien ausüben, allerdings ihr Mitspracherecht einforderten, entstand ein zweiter Gesetzesentwurf auf Länderebene, der "Mediendienste-Staatsvertrag".

Künstlich wurde zwischen beiden Gesetzen eine Trennung gezogen: Der Ländervorstoß soll - dem Beispiel Rundfunk folgend - alle sich "an die Allgemeinheit richtenden" neuen Mediendienste regeln. Angebote, die sich individuell an einzelne Verbraucher richten - von Telebanking über Telelernen bis zu Teleshopping - sollen unter die Fittiche des Bundes kommen. Vergessen wird dabei nur, daß das Charakteristikum von Multimedia gerade die Konvergenz bisher getrennter Medien ist und Abgrenzungen kaum möglich sind: Allein E-Mail kann individuell adressiert werden, jedoch schon in Mailing-Lists werden die Inhalte an eine "Allgemeinheit" gerichtet.

Rechtsunsicherheiten

Je nach Begriffsauslegung sind nun der Bund oder die Länder zuständig, mit zum Teil unterschiedlichen Rechtsfolgen. Vor allem im Bereich von Daten- und Jugendschutz ergäben sich Unschärfen für die zuständigen Kontrollinstanzen, befürchtet die WDR-Justiziarin Antje Karin Pieper. Rüttgers Vorgabe, "Investoren nicht durch den Zuständigkeitsdschungel" der Länder zu schicken, könnte daher in der Praxis schnell verwässert werden. "Anachronismus" warf Stihl deswegen den Ländern vor, die durch "übertriebene Regelungswünsche Föderalismus schnell in Kleinstaaterei" verkehrten. "Neue Investitionshemnisse" fürchtet auch der Chef von Bertelsmann New Media, Bernd Schiphorst, in Folge des abzusehenden "Kompetenzgerangels" zwischen Bund und Ländern, da die "juristischen Grauzonen" innerhalb und zwischen den Entwürfen "Prozesse in Hülle und Fülle" nach sich zögen. Die Aussicht auf mindestens 16 länderspezifische Ansprechpartner für einen bundesweit operierenden Online-Dienst läßt den Geschäftsführern ein zentralistisch organisiertes Ausland verlockend erscheinen.

Die Bundesminister Rüttgers und Schmidt-Jorzig auf der Ministerbank

Prozesse werden vor allem in der Frage der in Paragraph 5 des Teledienstegesetzes (TDG) geregelten Providerverantwortlichkeit erwartet. Zwar behauptete anläßlich der Anhörung vor dem Technologieausschuß am 14. Mai in Bonn der Vertreter der Telekom, Müller-Using, die Telekom AG könne mit dem Paragraphen 5 "gut leben". Da sich in der Vergangenheit die Länderaufsicht bei Auseinandersetzungen mit Sexanbietern immer schnell zurückgezogen habe, seien bei der anvisierten Regelung keine Probleme zu erwarten. Ein langes Lied vom staatsanwältlichen Eifer konnte jedoch der Rechtsanwalt der Provider-Lobbyorganisation ECO, Michael Schneider, singen. Schneider, der derzeit in drei einschlägigen Gerichtsverfahren involviert ist, bietet der Paragraph 5 zu wenig Rechtssicherheit. Er beklagt vor allem, daß hier nicht die richtigen Definitionen gefunden wurden. Auch Benedikt Kind vom Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI schloß sich der einhelligen Kritik von Providern und Online-Diensten an: Die Begriffe der "Kenntnis", "Zumutbarkeit" und "technisch möglich" bedürften der Ausführung der Gerichte. Da hier das Strafrecht zur Anwendung komme, werde der Job eines Geschäftsführers von Online-Diensten "wirklich gefährlich".

Selbstzensur

Nicht zuletzt aufgrund der drohenden Prozeßflut und des länderspezifischen Zuständigkeitswirrwarrs will America Online (AOL) im Bereich des Jugenschutzes seinen eigenen, restriktiven Weg gehen. AOL-Sprecherin Ingrid Haas plädierte anläßlich der Bundestagsanhörung für eine freiwillige Selbstkontrolle (siehe dazu das Interview mit Andy Müller Maguhn) ohne das Einschalten von Jugendschutzbeauftragten. Das System der AOL-Lotsen, die auf Verstöße aufmerksam machen oder gemacht werden, funktioniere sehr gut. Aol verfährt hierbei nicht gerade zimperlich: Nutzer mit entsprechendem Fehlverhalten werden abgemahnt oder aus dem Netz genommen. Doch das Lotsenprinzip bietet noch nicht genügend Sicherheit. AOL arbeitet zur Zeit mit Hochdruck an einer differenzierten Rating-Software, die unterschiedliche Rating-Systeme zuläßt. Bereits in wenigen Wochen können Eltern beispielsweise ein Rating nach den Richtlinien des Kinderschutzbundes, aber auch der Deutschen Bischofskonferenz anwenden, so Haas.
Ob eine solche "Selbstkontrolle" überhaupt funktionieren kann oder ein reiner Marketing-Gag ist, wird sich allerdings im Online-Alltag erst herausstellen müssen.

Der populistische Übereifer in Sachen digitaler Jugendschutz findet jedoch nicht überall Freunde. Die Jugendschutzgesetzregelung sieht für Online-Dienste schwerwiegendere Rechtsfolgen als im analogen Offline-Bereich vor. So dürfen bei schwer gefährdenden Inhalten Anbieter nicht zugelassen werden. Überregulierung oder weitere Rechtsunsicherheit?

Nutzerprofile für die Marktforschung

Manuel Kiper, Bündnisgrüne, fordert Klarheit in Sachen Kryptopolitik

Die Forderungen mancher Wirtschaftsvertreter machen vor dem "gläsernen Kunden" in einem virtuellen Kaufhaus Orwellscher Dimensionen nicht Halt: Das im Teledienstedatenschutzgesetz (TDDG) vorgesehene Verbot zur Erstellung von Nutzerprofilen stelle einen Wettbewerbsnachteil dar, beklagten Benedikt Kind und andere Wirtschaftssprecher. Dadurch werde nicht nur die Marktforschung behindert, auch kundenfreundliche Anwendungen könnten so nicht realisiert werden. Dies sei ein eindeutiger Wettbewerbsnachteil auf dem internationalen Parkett. Eine Forderung, die nur zu gut erkennen läßt, was sich die Wirtschaft von der versprochenen "Liberalisierung" in Wirklichkeit erhofft. Die Klagen der künftigen "Datenschutzopfer" erweisen sich jedoch schon jetzt als haltlos, da bereits heute hochentwickelte Marktforschungssoftware eingesetzt werden kann, die den gesetzlichen Anforderungen genügt. PC-Meter beispielsweise arbeitet mit dem ausdrücklichen Einverständis der Nutzer, zwielichtige Cookies sind hier nicht mehr nötig.

Kontrolle über firmeninterne Netze?

Eine weitere Unklarheit besteht in dem Punkt, ob firmeninterne Netzwerke (Intranets) ­ zumindest wenn sie über Fremdprovider ans Netz angeschlossen sind ­ auch von den "Multimediagesetzen" erfaßt werden. Hermann Neus von IBM erklärte vorsorglich auf der Anhörung des Bundestages zum IuKDG Mitte Mai, daß die "Organisationsfreiheit für die interne Postverteilung" nicht durch ein Bundesgesetz geregelt werden könne, nur weil der Netzwerkbetreiber ein Dritter sei. Halte der Bund an diesem Vorhaben fest, so wäre die Verlagerung eines Webservices ins Ausland die zwingende Konsequenz.

Die Technozünfte und die Informatiklobby

100 JournalistInnen und 40 ExpertInnen waren angereist, um von den MdBŽs befragt zu werden.

Den Technozünften sind beide Regulierungsvorhaben ein Dorn im Auge. Die im internationalen Umfeld agierende Informatiklobby ist auf die Etablierung globaler Standards angewiesen. Daher provoziert der ehrgeizige Alleingang von Zukunftsminister Rüttgers hochdotierte Zunftvertreter zu drastischen Vorwürfen:

"Im Kern fatale Mängel" sieht der Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI), Wolffried Stucky, in den Regelungsbestrebungen. Die größte Fehleinschätzung sei, "wir Deutschen könnten im Alleingang an der internationalen Community vorbei Regelungen in Kraft setzen, die darüber hinaus von den anderen noch befolgt werden." Der "Übereifer" in der Jagd nach möglichst peniblen Vorschriften lasse außerdem die rasante Entwicklung der Technik völlig aus den Augen.

Große Enttäuschung über die vertanen Chancen in der Umstrukturierung Deutschlands zu einem führenden Standort der Informationstechnologie spricht auch aus den Worten von Professor Werner Zorn: "In Deutschland wurde die Internet-Entwicklung nicht verschlafen, sondern sehenden Auges ignoriert, unterschätzt, für unmöglich gehalten, abgetan, bekämpft, behindert, verteufelt, denaturiert, und was der Läßlichkeiten sonst noch sind", empörte sich das GI-Mitglied jüngst auf dem Düsseldorfer Internet-Kongreß. Aber nicht nur die Politik, sondern auch die hohen Gebühren der Telekom seien daran schuld, daß das Internet in den Augen des Bürgers zwischen "Euphorie" und "Frust" hin- und herpendele, aber einfach nicht als Massenmedium genutzt werde (siehe "Ist das Internet ein Massenmedium").

An der öffentlichen Diskussion um das Netz stört seinen Karlsruher Kollegen Schneider zumal, daß immer nur über den "Schmuddelkram" geredet werde und dadurch die Stimmung erzeugt werde, daß der "Gesetzgeber etwas dagegen machen muß".

Andy Müller-Maguhn bei einem Schwätzchen vor der Anhörung

Was den Informatikern weiter Sorge bereitet, ist der Streit um die Einführung kryptographischer Standards (siehe Interview mit Andy Müller-Maguhn). Die anfangs als "Jahrhundertwerk" gepriesene Einführung "digitaler Signaturen" durch das IuKDG als Authentizitätsnachweis von Dokumenten könnte sich ihrer Ansicht nach als trojanisches Pferd herausstellen, falls - wie vom Innenminsterium gefordert - Staatsanwälten jederzeit Zugang zu den zwangsweise hinterlegten Software-Schlüsseln ermöglicht werden sollte. Kriminologisch wird an einer derartigen, die Privatsphäre der Kommunikationspartner weitgehend einschränkenden Lösung, generell gezweifelt. Die Mafia werde "wohl kaum ihre Schlüssel freiwillig beim Staat abliefern", erklärt Schneider, sondern auf fortgeschrittenere Verschlüsselungsverfahren ausweichen.

Aus Sorge um den Technologiestandort Deutschland hat die GI sogar bereits in Fachzeitschriften ganzblättrige Anzeigen geschaltet, die über die geplanten Kryptobeschränkungen aufklären sollen und die Bestrebungen der Politiker stark hinterfragen: "Deutschland könnte durch die Produktion von Kryptographiesystemen einen Vorsprung auf dem internationalen Markt für Software-Sicherheitssysteme erlangen" - wenn, ja wenn die übereifrigen Politiker nicht alles zunichte machen würden.

Datenschutzlobby

Das Problem mit den Bestandsdaten bereitet vor allem Datenschützern Sorge. Zwar scheint die Forderung der Marktforscher nach Nutzerprofilen unbefangenen Beobachtern zunächst verständlich, doch die Folgen einer völlig enthemmten Datensammlerei sind unabsehbar. Individualisierte Anwendungen beruhen zwar zumeist auf persönlichen Daten, doch dies wird erst dann problematisch, wenn, anders als im Gesetz vorgesehen, ohne Einverständnis des Nutzers gearbeitet wird. Spiros Simitis, Professor für Rechtsinformatik und Datenschutz an der Universität Frankfurt, sieht die Gefahr, daß die Protektion von oben schnell in Oppression umschlagen kann. Schon heute sind im Internet die Spuren der Surfer durch Logfiles von Webservern genau festzuhalten und in Datenbanken zusammenzufügen. Falls dieser Datenauswertung nicht ein Riegel vorgeschoben würde, stünde die Netzwelt vor einer "neuen, ungeahnten Ära der Rasterfahndung bis hin zur genetischen Fahndung". Gegen dieses Schreckbild einer "captive population" im Internet könnten letztlich nur internationale Abkommen helfen, die aber bekanntlich - wenn überhaupt - erst sehr langfristig greifen.

Der Sprecher des Chaos Computer Clubs, Andy Müller-Maguhn, fordert in diesem Punkte, die anonyme Nutzung von Anwendungen zu ermöglichen. Bei nur scheinbar anonymisierten Daten sei die Zusammenführbarkeit von Bestandsdaten immer gegeben. So lassen sich die Benutzerpseudonyme, wie sie beispielsweise CompuServe vergibt, durch den E-Mailverkehr und andere Aktivitäten mühelos bestimmten Nutzern zuordnen. Diese Scheinpseudonymisierung gewährt daher keinen wirklichen Datenschutz, die Anonymität ist hier noch der effektivste Persönlichkeitsschutz. Auch müsse geklärt werden, wie der Datenschutz bei internationaler Datenübertragung wie im Fall CompuServe zu regeln sei, so Müller-Maguhn weiter. CompuServe entzieht sich im Moment mit dem Argument, sein Sitz sei im US-Bundesstaat Ohio, der deutschen Gesetzgebung. Fehlende Bußgeldvorschriften machten zudem das Datenschutzgesetz zu einem "frommen Wunsch des Gesetzgebers", so Müller-Maguhn an die Adresse der Bundestags-Abgeordneten.

Die Lobby der Juristen und Staatsanwälte

RA Michael Schneider beim Lobbying

Der "große Entwurf" der Gesetzesvorhaben ist nach Ansicht des Münchener Rechtsprofessors Mathias Schwarz noch nicht der "große Wurf". Die zu befürchtenden Kompetenzrangeleien zwischen Bund und Ländern und die auslegungsbedürftige Regelung der Verantwortlichkeit für Inhalte im Mediendienste-Staatsvertrag sind seine stärksten Kritikpunkte. Für die Staatanwälte ist jedoch die Providerverantwortlichkeit zur vollen Zufriedenheit geregelt. Nicht zuletzt die von der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft eingeleiteten Verfahren gegen Online-Provider wie AOL, T-Online, CompuServer und das Deutsche Forschungsnetz wegen der Nichtsperrung der "radikal"-Homepage auf dem niederländischen Server XS4ALL im Herbst 1996 hatten eine Verschärfung der Regelungen erwirkt.

"Eine Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme für Juristen" will sein Stuttgarter Kollege Armin Dittmann allerdings nicht in den Regelungsentwürfen sehen. Als positiv erachtet er, daß der Mediendienste-Staatsvertrag flexibel genug sei, um Interessen von einzelnen Anbietern gerecht zu werden, und daß Paragraph 4 des Staatsvertrages Mediendienste "im Rahmen der Gesetze" ausdrücklich als "zulassungs- und anmeldefrei" gekennzeichnet werden. Gleichzeitig weist Dittmann allerdings auf eine neue damit verbundene Problematik hin: "Einerseits verlangt der Mediendienste-Staatsvertrag, daß Jugend- und Datenschutz sowie Werbe- und Sponsoringvorschriften auch in den neuen Diensten gewahrt und überwacht werden. Andererseits bleiben die Dienste anmeldefrei, so daß sie letztlich staatlich überhaupt nicht überprüft werden können." Eine Anzeigepflicht erscheint Dittmann daher durchaus als sinnvoll, wobei er die bereits allerorten für "überlebt" erklärten Landemedienanstalten wieder als kompetente Ansprechpartner auch für die Mediendienstler ins Spiel bringt.

Wer, regelt wann, mit welchen Entwürfen, welche Medien?

Zwischen Über- und Unterregulierung, zwischen Länder- und Bundeskompetenz gleichzeitig schwebend entpuppt sich das Projekt der Regelung der neuen Medien als frühreifes Werk. Noch scheint überhaupt unklar, ob der Bund oder die Länder mit ihren jeweiligen Entwürfen nun eigentlich die "Oberhoheit" über die neuen Medien erhalten werden. Ebenso fragwürdig ist, ob die Bedenken der Kritiker noch berücksichtigt werden. Beide Gesetzesinitiativen sollen noch vor der "politischen Sommerpause" verabschiedet werden - und dabei scheint die Devise zu gelten: "Wer zuerst kommt, regelt zuerst." Oder wie Jörg Tauss befürchtet: "Augen zu und durch". Entspannung könnte höchstens noch der Rat von EU-Kommisar Martin Bangemann bringen: Regeln müßten erarbeitet werden, "aber nicht sofort und nicht zuviele."

Dieser Artikel entstand in "Telekooperation" zwischen Christiane Schulzki-Haddouti und Stefan Krempl.

Christiane Schulzki-Haddouti studierte Kulturpädagogik an der Uni Hildesheim (Schwerpunkt: Medien/Literatur; nebenbei Politik und Soziologie) und arbeitet als freie Journalistin.
Christiane Schulzki-Haddouti

Stefan Krempl ist Journalist und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sprachwissenschaft II der kulturwissenschaftlichen Fakultät bei Prof. Dr. Hartmut Schröder an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt.
Stefan Krempl