Schwere Zeiten für Kleinparteien
Keine Absenkung trotz Pandemie: Bundesverfassungsgericht verwirft Klagen gegen Unterschriftenhürde für Zulassung zur Bundestagswahl
Während die Unterschriftensammlung für das Ein-Punkt-Volksbegehren "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" in Berlin trotz Pandemie erfolgversprechend vorangeht, haben es Kleinparteien, die auf diesen Weg um Unterstützung für ihre Zulassung zur Bundestagswahl werben, deutlich schwerer: Viele kennen sie nicht einmal; wer für sie Unterschriften sammelt, muss in wenigen Sätzen ein ganzes Programm zusammenfassen - und auch Menschen, denen dieses zusagt, fragen sich teilweise, was es bringen soll, für eine Partei zu unterschreiben, die ziemlich sicher an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern wird.
Mit Mund-Nasen-Schutz sind solche Gespräche noch schwerer zu führen, falls überhaupt jemand stehen bleibt. Zwei sehr unterschiedliche Kleinparteien haben deshalb vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, um die Unterschriftenhürde auszusetzen oder wenigstens abzusenken.
Allerdings ohne Erfolg: Das Karlsruher Gericht hat die Klagen der Bayernpartei und der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) nun abgewiesen. Die Kleinparteien hätten "nicht hinreichend substantiiert dargelegt", warum die aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen die Rahmenbedingungen für die Sammlung vom Unterstützungsunterschriften so veränderten, dass ihr Recht auf Chancengleichheit verletzt sei, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Das Gericht wies aber zugleich darauf hin, dass die Unterschriftenquoren wegen der Pandemie überprüft werden müssen.
Nach bisher geltender Rechtslage müssen Parteien, die aktuell keine fünf Abgeordneten im Bundestag oder in einem Landtag stellen, bis zu 2.000 Unterschriften von wahlberechtigten Unterstützern pro Landesliste und je 200 pro Direktkandidatin oder Direktkandidat einreichen. Bayernpartei und MLPD hatten argumentiert, dass dies unter Pandemie-Bedingungen deutlich schwieriger sei.
"Bloße Behauptung"
Dabei hätten sie zwar hinreichend erläutert, dass die geltenden Kontaktbeschränkungen die Rahmenbedingungen veränderten, so das Bundesverfassungsgericht - das Sammeln von Unterschriften sei offenkundig erheblich erschwert. Beide Parteien hätten aber nicht ausreichend begründet, dass die notwendige Unterschriftenzahl darum verpflichtend ausgesetzt oder abgesenkt werden müsse, so das Gericht. Unter anderem, weil "eine der beiden Antragstellerinnen" - gemeint ist die Bayernpartei - ihre Mitgliederzahl in dem Bundesland mit mehr als 5.000 angibt, erschien es dem Gericht als "bloße Behauptung", dass die Beibringung der Unterschriften "massiv erschwert, wenn nicht gar im Einzelfall unmöglich" sei. Allerdings sei der Gesetzgeber gehalten zu prüfen, ob die unveränderte Beibehaltung dieser Quoren weiterhin nötig sei.
Vor anderen Wahlen während der Pandemie wurden die Zugangsvoraussetzungen für kleine Parteien bereits erleichtert. Vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März hatte der Landtag, das Quorum zu senken. In Baden-Württemberg verpflichtete erst der Landesverfassungsgerichtshof in Stuttgart den Landtag dazu, das Quorum zu senken. Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss von selbst niedrigere Hürden für kleine Parteien vor der im September anstehenden Wahl. Der Verfassungsgerichtshof entschied hier aber im März, dass das Quorum noch weiter abgesenkt werden müsse.
Die Bayernpartei steht nach eigenen Angaben für "Selbstbestimmung, Föderalismus und die Eigenstaatlichkeit Bayerns", die MLPD für "echten Sozialismus".
Mehr Chancen gibt es offenbar für einen Volksentscheid über die Forderung, in Berlin Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen zu vergesellschaften: In der Hauptstadt meldete am Montag die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", dass zur Halbzeit der viermonatigen Frist für die Sammlung von 175.000 Unterschriften für die zweite Stufe des Volksbegehrens bereits 130.000 gesammelt worden seien - von den bisher geprüften seien allerdings nur 75,2 Prozent gültig. Die Initiative will zur Sicherheit insgesamt weit über 200.000 sammeln, um einen Volksentscheid über die Forderung durchzusetzen.
Zuspruch bekommt die Initiative womöglich durch ein anderes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das einigen Mieterinnen und Mietern die Möglichkeit der Enteignung als Notwehr erscheinen lässt: Am 15. April hatte das Gericht bekannt gegeben, dass es den "Berliner Mietendeckel" für nichtig erklärt hatte.
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