"Schwerwiegende Verletzung der Souveränität Deutschlands"

Russische Botschaft in Berlin. Bild: Joan, CC BY-NC 2.0

Auf das Urteil im Prozess um den sogenannten Tiergartenmord in Berlin folgte ein heftiger diplomatischer Schlagabtausch. Eine weitere Eskalation ist zu erwarten

Dem Urteil im Prozess um den sogenannten Tiergartenmord am 23. August 2019 in Berlin ist ein heftiger diplomatischer Schlagabtausch gefolgt. Das Auswärtige Amt bestellte den russischen Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, ein und erklärte die Ausweisung zweier russischer Diplomaten. Netschajew seinerseits wehrte sich in einer Erklärung gegen die Vorwürfe der Bundesregierung und des Berliner Kammergerichtes in dem hochpolitisierten Fall.

Das Berliner Kammergericht sieht es dem Urteil zufolge als erwiesen an, dass der russischer Staatsbürger Vadim Krassikow Ende August 2019 den tschetschenischstämmigen Georgier Selimchan Changoschwili im Kleinen Tiergarten in Berlin erschossen hat. Beauftragt worden sei er von "staatlichen russischen Stellen".

Von dort habe er den Auftrag erhalten, sein Opfer im Zuge einer Vergeltungsmaßnahme zu ermorden, so der Vorsitzende Richter Olaf Arnoldi, der eine besondere Schwere der Schuld feststellte. Eine vorzeitige Haftentlassung ist damit de facto ausgeschlossen. Das Gericht folgte mit dem Schuldspruch vollumfänglich der Forderung der Bundesanwaltschaft.

Changoschwili war, so stellte das Gericht fest, Kommandeur einer Einheit, die im zweiten Tschentschenien-Krieg zwischen 2000 und 2004 gegen Russland gekämpft hat. Der in Berlin Ermordete sei von russischen Sicherheitskräften als Terrorist betrachtet worden.

In einer Erklärung des Kammergerichtes hieß es weiterhin, der nun Verurteilte sei Teil des staatlichen Sicherheitsapparates gewesen und habe "von einer staatlichen Stelle innerhalb der Regierung der Russischen Föderation den Auftrag erhalten, den ehemaligen Tschetschenien-Kämpfer wegen dessen ablehnender Haltung zum russischen Zentralstaat sowie dessen Rolle im Zweiten Tschetschenienkrieg in Berlin zu liquidieren". Der Vorsitzende des Senats sprach in seiner Urteilsbegründung von "Staatsterrorismus".

Gericht: Reaktionen aus Russland stärkten das Bild

Arnoldi wählte damit letztlich sehr deutliche Worte. In einem Bericht am Mittwoch hatte Telepolis-Autor Jörg Tauss noch geschrieben, die Einordnung der Tat als staatlicher Terror Russlands sei "medialen Berichten vorbehalten" geblieben: "Während des Prozesses fiel dieser Begriff nicht."

In der gerichtlichen Erklärung zum Urteil hieß es zur politischen Einordnung:

Die Überzeugung vom staatlichen Tötungsauftrag stützte der Senat im Wesentlichen auf die erst kurz vor der Tat erfolgte, bewusste und zielgerichtete Legendierung des Vadim K. durch staatliche Stellen, die Motivlage sowie die Äußerungen und das Verhalten staatlicher Stellen der Russischen Föderation nach der Tat.

Unmittelbar nach der Urteilsbegründung nahm auch das Auswärtige Amt Stellung. Der Mord in staatlichem Auftrag – nun gerichtlich festgestellt – stelle "eine schwerwiegende Verletzung deutschen Rechts und der Souveränität Deutschlands dar". Weiter heißt es in der Erklärung:

Wir haben daher gerade eben den Botschafter Russlands zu einem Gespräch einbestellt Dem Botschafter wurde mitgeteilt, dass zwei Angehörige des diplomatischen Personals der Russischen Botschaft zu unerwünschten Personen erklärt werden. Ich habe gestern mit dem russischen Außenminister, Herrn Lawrow, telefoniert und bekräftigt, dass wir einen offenen und ehrlichen Austausch mit Russland wollen und brauchen – in unser beider Interesse.

Dies muss auf dem Boden des Völkerrechts und des gegenseitigen Respekts stattfinden. Es ist ganz klar, dass Handlungen wie der Mord im Tiergarten diesen Austausch schwer belastet. Die Bundesregierung wird alles tun, was nötig ist, um die Sicherheit in unserem Land und den Respekt vor unserer Rechtsordnung zu gewährleisten.

Auswärtiges Amt

Die vergangene Bundesregierung hatte bereits nach den ersten Ermittlungsergebnissen des Generalbundesanwalts zum sogenannten Tiergartenmord zwei russische Botschaftsmitarbeiter zu Personae non gratae erklärt. Damals hatte die russische Regierung ihrerseits mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert. Solche Ausweisungen sind ein politischer Schritt und müssen juristisch nicht begründet werden.