Schwierige Suche nach Sündenböcken

Zwischen der britischen und der US-Regierung wird die Schuldfrage im Fall der angeblichen irakischen Suche nach Uran im Niger hin und her geschoben und schon einmal zur Wiederherstellung der Einheit in einschlägigen Kreisen auf Frankreich gezeigt

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In Großbritannien ist Ministerpräsident Tony Blair wegen der beiden "dodgy" Irakdossiers und den Gründen für den Irak-Krieg in Bedrängnis. Der große amerikanische Bruder hat zwar erst einmal in der CIA den geforderten Sündenbock gefunden, aber sucht den Schwarzen Kater ins Ausland und zunächst einmal nach Großbritannien zu schieben, womit Blair noch stärker unter Druck steht (Alles ehrenwerte Männer). Der wird sich diese Woche mit Bush treffen, vermutlich auch, um zu einer einheitlichen Sprachregelung zu finden, aber es deutet sich an, dass man in Frankreich einen neuen Sündenbock für die Niger-Story finden könnte oder will.

In den USA sinkt vor allem wegen der Schwierigkeiten im besetzen Irak die Popularität von Präsident Bush, aber auch, weil nun doch sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Regierung für den geplanten Krieg eben das gemacht hat, was man dem Hussein-Regime vorwarf, nämlich zu betrügen oder zumindest wackelige Mutmaßungen in Tatsachen umzudrehen. Die Glaubwürdigkeitskrise ist allerdings nur sehr kurzfristig damit zu begegnen, dass den Geheimdiensten, die erheblich unter Lieferdruck für "Beweise" gesetzt wurden, die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Die Menschen werden sich fragen, warum die Regierung diesen alles abgenommen hat, vor allem aber werden sie in Zukunft wohl doch vorsichtiger sein, den angeblichen Geheimdienstbeweisen zu glauben, wenn weitere Präventivschläge vorbereitet werden sollen. Und daran will sowohl Bush als auch Blair festhalten.

Die Glaubwürdigkeitskrise hat nun auch wohl endgültig Präsident Bush erreicht. Nach einer aktuellen Umfrage ist seine Popularität auf einem Tiefstand seit dem 11.9. gefallen. Noch wird zwar der Irak-Krieg nicht von einer Mehrheit in Frage gestellt, doch weniger als die Hälfte der Befragten glauben noch, dass die Bush-Administration im Irak eine stabile Regierung aufbauen könne. 45 Prozent gehen davon aus, dass die Bush-Regierung die Geheimdienstberichte über die Massenvernichtungswaffen falsch gedeutet hat, 38 Prozent glauben dagegen nicht an Missverständnisse, sondern sagen, die Regierung habe die Öffentlichkeit gezielt getäuscht.

In einer Umfrage der Zeitung Mirror steht zwar auch noch immer fast die Hälfte der Befragten hinter Blairs Entscheidung, gegen das Hussein-Regime in den Krieg zu ziehen, aber das geäußerte Misstrauen ist hier sehr viel höher als in den USA. 66 Prozent denken, dass Blair sie bewusst oder unwillentlich über die Tatsachen getäuscht hat. Nur 29 Prozent glauben noch an die Aufrichtigkeit, 27 Prozent meinen, er habe bewusst falsche Informationen weiter gegeben, 39 Prozent sind milde und gehen davon aus, dass er sie nicht täuschen wollte.

Neben der wohl vorgezogenen French-Connection kommt auch Italien ins Spiel

Aber möglicherweise naht in der Hin- und Herschieberei der Schuld über falsche und zweifelhafte Beweise - und die auf gefälschten Dokumenten basierende Niger-Story ist ja nur eine neben vielen, man denke nur an die mobilen Biowaffenlabors, über die mittlerweile standhaft geschwiegen wird -, Entlastung für die britische und amerikanische Regierung. Wer die Story verfolgt hat, wird sich erinnern, dass die Amerikaner sagten, der Hinweis auf die Uransuche des Irak-Regimes im Niger stamme von britischen Geheimdiensten und mindestens einer zusätzlichen Quelle eines weiteren Landes. Darauf hat auch die britische Regierung immer hingewiesen, aber beteuert, sie dürfe nicht sagen, um welches Land es sich handele.

Nun haben sich die amerikanische und britische Regierung wohl darauf geeinigt, dass sie im Grundsatz zu der Behauptung stehen wollen, die aus mehreren Quellen stamme, auch wenn sie vielleicht nicht hätte in der Rede an die Nation von Bush aufgenommen werden sollen, zumal die CIA sie selbst nicht in Berichten erwähnt und bereits aus anderen Reden wieder entfernt hatte. Der britische Außenminister Jack Straw verwies allerdings wieder auf die mysteriöse ausländische Quelle und bestand auf der Richtigkeit, um die britische Regierung mitsamt der Geheimdienste nicht ganz dumm dastehen zu lassen.

Bei den amerikanischen Geheimdienstkreisen munkelt man nun, weiß zumindest die der Bush-Regierung nahestehende Washington Times zu berichten, dass einer der beiden ausländischen Geheimdienste, von dem der britische MI6 angeblich die Information über den Urankaufversuch des Hussein-Regimes in Niger hat, ein französischer ist. Der DGSE habe mit dem britischen Geheimdienst unter der Voraussetzung kooperiert, ohne Erlaubnis nicht weiter zu sagen, woher die Informationen stammen. Der ebenfalls konservative Telegraph stellt die French-Connection etwas anders dar. Hier heißt es, der französische Geheimdienst habe den britischen Kollegen die Möglichkeit verwehrt, den Amerikanern "glaubwürdige" Informationen weiter zu geben.

Dafür könnte sprechen, dass Niger eine ehemalige französische Kolonie ist und dass die Uranminen von einem französischen Unternehmen betrieben werden. Der französische Geheimdienst könnte also guten Zugriff haben, obgleich damit noch nicht erklärt wäre, wer die Dokumente gefälscht hat. Allerdings sollen die laut der britischen Regierung auch keine Rolle für die Information gespielt haben. Und dass der französische Geheimdienst nicht als Quelle genannt werden wollte, soll der Tatsache zuzuschreiben sein, dass er nicht der Regierung torpedieren wollte, die gegen den Irak-Krieg und für eine Fortsetzung der UN-Inspektionen war.

Die Schuld dem Wieselstaat Frankreich zuzuschieben, käme wohl nicht ungelegen, nachdem die Franzosen im Ansehen der Amerikaner gesunken sind, es auch zu Boykottaufrufen gekommen ist und die US-Regierung vor allem die unwilligen Franzosen weiter schneien will. Doch auch dem Sündenbock Frankreich können nicht alle Ungereimtheiten zwischen Großbritannien und den USA aufgeladen werden. Die Beweise für die Niger-Story seien, so britische Regierungsbeamte, vorhanden und würden nicht auf den gefälschten Dokumenten beruhen, die man sowieso erst gesehen habe, nachdem die Internationale Atomaufsichtsbehörde, die sie von der US-Regierung hatte, schnell als Fälschungen entlarven konnte.

Schon damals ging man davon aus, dass alles nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, wenn die CIA die angeblich plumpen Fälschungen wirklich nicht erkannt haben sollte. Dummerweise hatte die CIA im Auftrag des Büros des US-Vizepräsidenten Ende 2002 auch noch den ehemaligen Diplomaten Joseph Wilson in den Niger geschickt, um die Story überprüfen. Dieser hatte die Informationen als unglaubwürdig bezeichnet, was aber nicht zu Bush vorgedrungen ist oder vordringen sollte. Nach der Washington Times bezweifeln die Briten, um ihre Haut zu retten, aber auch den Bericht des US-Diplomaten: "Er scheint einige Menschen gefragt zu haben, ob das zutrifft", sagte angeblich ein britischer Regierungsangehöriger. "Und als diese 'Nein' sagten, hat er dies akzeptiert."

In Betracht kam auch der italienische Geheimdienst SISMI, im Jahr 2001 Dokumente über die Niger-Story an die Briten und Amerikaner geliefert zu haben. Laut Financial Times sollen auch Angehörige des britischen Verteidigungsministeriums gesagt haben, dass die Informationen über den versuchten Waffenkauf im Niger, die sich nicht auf die gefälschten Dokumenten stützten, von Frankreich und Italien gekommen seien. Die italienische Regierung streitet dies allerdings ab.