Scobel auf 3sat: Afrika als Schüler und Europa als Lehrmeister
Seite 2: Nur das Beste für die Afrikaner: Paternalistischer Konsens
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Alle hier am Tisch wollen nur das Beste für die Afrikaner, so der von Scobel intonierte und dirigierte Grundton. Das Afrikabild der deutschen Medien sei zu negativ, man höre nur von Krieg, Hunger und Elend. Dabei hätten einige Länder große Fortschritte gemacht und Afrika große Zukunftschancen, vorzugsweise natürlich unter westlicher Anleitung.
Allein Veye Tatah meldete Bedenken an und wies auf die Eigenständigkeit afrikanischer Kulturen und Staaten hin. Für deren Vielfalt sei der Einheitsweg der westlichen "liberalen Demokratie" nicht immer passend.
Doch Scobel widersprach ihr vehement: Die westlichen Demokratien seien doch auch sehr vielfältig, was etwa Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich beweisen. Wie Europäer sich den erfolgreichen afrikanischen Adepten ihrer Entwicklungspolitik vorstellen, zeigte schon der Vorfilm der TV-Diskussion.
Die vor "Scobel" von 3sat ausgestrahlte Doku "Afrika: Power-Kontinent im Aufbruch" hatte ein paar erfolgreiche schwarz-afrikanische Jungunternehmer mit ihren digitalen oder biotechnischen Innovationen vorgestellt.
Die klassisch westlich-kapitalistischen Erfolgsgeschichten vom Unternehmer-Genius, der Biotech oder KI vermarktet – natürlich um viele Hutnummern kleiner als ein Bill Gates oder Elon Musk. Sogar Felwine Sarr kam kurz zu Wort, der in seinem Buch "Afrotopia" für ein weniger pessimistisches Afrikabild plädierte.
Unterschlagen wurde, dass auch Sarr die bisherige "Entwicklungspolitik" in seinem Manifest "Afrotopia" als ideologisch ablehnt und in ihr eine Methode der "Einwicklung" der Afrikaner sieht.
Nachdem der Kolonialismus die Vorstellung einer ‚zivilisatorischen Mission‘ endgültig diskreditiert hat, ist ‚Entwicklung‘ zu einer jeder Diskussion enthobenen Norm des gesellschaftlichen Fortschritts aufgestiegen.
Felwine Sarr, Afrotopia
Hintergrund der Scobel-Sendung, das zeigten Debatte, Begleitfilme und Framing, war die geopolitische Besorgtheit westlicher Machteliten über die Erfolge russischer und chinesischer Außenpolitik in Afrika.
Ökonom Thiele lobte z.B. Botswana, das "nicht das ärmste Land der EU wäre" und gab zu, dass die Hinwendung afrikanischer Staaten zu Russland etwas mit dem Überdruss an westeuropäischen Kolonial-Allüren (Thiele betonte die französischen) zu tun habe.
Autokratie-Expertin Grauvogel gestand Afrikanern (laut Umfragen sogar mehrheitlich) den Wunsch nach Demokratie zu. China, so ein Scobel-Einspieler, investiere zwar viel in Infrastruktur, sei aber doch skrupellos bei Ökologie, Demokratie und Menschenrechten.
Letztere Argumente klingen wohl nur dem einleuchtend, der die Ermordung von Staatsmännern und Freiheitskämpfern wie Ken Saro-Wiwa oder Patrice Lumumba durch westliche Neokolonialisten komplett ausblendet.
Die Fassade wohlwollender weißer Überlegenheit
Hinter einer Fassade wohlwollender weißer Überlegenheit zeigte der Diskurs so einige Risse und Ängste bei den weißen Experten für mediale Glättung des Afrikabildes. Vor allem die Erfolge Chinas in Afrika machen den Fürsprechern der westlichen Wirtschaftseliten Kopfschmerzen.
Hinter dem vorgeblichen Humanismus schimmerten knallharte geopolitische Interessen überdeutlich durch. Schon im 3sat-Intro der Scobel-Sendung klangen sie an. Scobels Eingangsfrage:
Glauben Sie nicht- oder befürchten Sie vielleicht, dass Afrika tatsächlich die Zukunft ist?
Befürchten? Warum sollten die Zuschauer des bildungsbürgerlichen Senders 3sat eigentlich Angst vor einem künftig prosperierenden Afrika haben? Weil es Europa nur gut gehen kann, wenn es Afrika schlecht geht? Befürchten kann man hier auf jeden Fall eine unbewusste oder zumindest von 3sat beim Zuschauer vermutete Angst vor dem Bröckeln des weißen Überlegenheitsgefühls, einer Wurzel des Rassismus.
Aber die Utopie des jungen Kontinents der tausend Kulturen und seines allein demographisch bedingten Wirtschaftswachstums, sind mit Felwine Sarrs Manifest "Afrotopia" andererseits quasi regierungsamtlich.
Immerhin bietet die BPB (die regierungseigene Bundeszentrale für Politische Bildung in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn) für Unterrichtszwecke eine subventionierte Billigausgabe von "Afrotopia" an. Nur sollte sie auch jemand lesen.
Scobels Schlusswort:
Dass Kolonialismus nicht gut war, wissen wir. Allein die persönlichen Machtgelüste König Leopolds II. kosteten zehn Millionen Afrikaner das Leben (unbedingt nachlesen!). Aber jetzt liegen sieben von zehn Länder mit dem höchsten Wirtschaftswachstum in Afrika, weshalb Afrika eine Zukunft hat! Und tschüss!
Nachlesen sollten die ganz im Sinne westlicher Wirtschaftsinteressen öffentlich-rechtlich eingelullten 3sat-Zuschauer aber vielleicht lieber die Hintergründe und Folgen der Ermordung von Patrice Lumumba und Ken Saro-Wiwa. Und natürlich Sarrs "Afrotopia".
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