Seehofer: Schwieriges Flüchtlingsabkommen mit Italien
Der CSU-Innenminister spricht von einem Erfolg. Laut Ministerium geht es um 1,5 Flüchtlinge am Tag; einige Punkte stehen noch zur Klärung aus
Deutschland könnte künftig Migranten nach Italien zurückschicken. Der bilateralen Vereinbarung fehlen laut Seehofer nur mehr seine Unterschrift und dies des italienischen Kollegen. Eine reine Formsache, lässt der deutsche Innenminister verstehen: "Das funktioniert." Es könne noch ein paar Tage dauern, aber: "Es ist ein Erfolg."
Das ist aber Ansichtssache, wie ihm Kritiker entgegenhalten. Etwa die Süddeutsche Zeitung, der das Dokument nach eigenen Angaben vorliegt, und der dazu eine Menge problematischer Punkte einfallen: Dass es sich um eine bloße Absichtserklärung handelt, dass bei dem Rücktransport noch eine Klärung aussteht, dass der italienische Innenminister Salvini seit Wochen mit seiner Unterschrift spielt, wohl wissend unter welchem Druck, Seehofer steht - und dann schließlich die Dimension der Vereinbarung:
Aus Italien kamen seit Juni 113 Asylbewerber, die dort schon Asyl beantragt hatten. Im Durchschnitt allerdings, heißt es im Bundesinnenministerium, gehe es um 1,5 Flüchtlinge pro Tag.
SZ
Der Erfolg, falls Salvini diesmal tatsächlich die per Post zugeschickte Dokumente unterzeichnet, besteht darin, dass Deutschland an der Grenze zu Österreich Migranten nach Italien zurückschicken kann, wenn feststeht, dass sie in Italien Asyl beantragt haben und wenn mit Italien - und möglicherweise auch Österreich - eine Verabredung getroffen wurde, wie die abgelehnten Asylbewerber nach Italien zurückgebracht werden und schließlich: Wenn Deutschland für jeden aus Italien kommenden Migranten, der oder die zurückgeschickt wird, einen Migranten oder eine Migrantin von einem Rettungsboot übernimmt, das in Italien ankommt.
Wahlkampf
Das ist nicht unbedingt ein unkompliziert glänzender Erfolg, was ihm die SZ auch unter die Nase hält. Sie legt ausführlich dar, wie schwierig sich nach den Dublin Regelungen die legale Gestaltung der Rückführung über Österreich ausnehmen wird, da Italien darauf bestehe, dass die Migranten nicht einfach per Flugzeug von Deutschland aus dorthin gebracht werden.
Nun ist die SZ für Seehofer natürlich lange nicht das Maß aller Dinge. Aber die Wähler in Bayern zählen schon. Ob er sie mit dieser Abmachung überzeugen kann?
Man erinnert sich: Der CSU-Chef und Innenminister Seehofer bauschte das Thema Zurückweisung von Migranten an deutschen Grenzen im Frühsommer derart auf, dass sich daraus eine Riesendebatte entwickelte, in der sogar von einer Regierungskrise die Rede war, da die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin und Seehofers Weigerung in die Waagschale geworfen wurden.
Spekulationen, wonach sich Seehofer bei seinem theatralischen Auftritt an ein bislang bewährtes bayerisches Drehbuch hielt ("In Bonn, bzw. Berlin brüllen, in Bayern gewinnen"), um seiner Partei bei der Landtagswahl zu helfen, waren naheliegend. Dringende bundespolitische Notwendigkeit für sein Auftreten gab es nämlich nicht.
Die Zahlen der Migranten an den Grenzen bewegen sich seit vielen Monaten in einem Rahmen, der eine "kontrollierte Steuerung", die ja Seehofers Ziel ist, ermöglicht und eigentlich eine gute Voraussetzung für eine besonnene, überlegte und abwägende Politik wären.
Die Dringlichkeit kam aus der öffentlichen Diskussion über Migranten, vom Druck, den die AfD beim Thema machte, mit dem sich Seehofer dann aufblähte. Er wollte die AfD aus deren Agendasetting-Position, zu der sie die Medien hochgeschrieben hatten, verdrängen und machte über seine Position als Innenminister Wahlkampf.
In Bayern ist es möglich, dass sich Wähler am Wahlsonntag dann doch noch anders entscheiden und der Stimmenverlust für die CSU nicht ganz so drastisch ausfällt, wie es im Augenblick aussieht (vgl. CSU stürzt weiter ab), aber der Eindruck, dass der Wahlkampf von CSU-Innenminister Seehofer mit dem Theater zur "Zurückweisung von Migranten" sonderlich erfolgreich war, will sich nicht einstellen.
Salvinis Erfolg
Für seinen Amtskollegen Salvini sieht das anders aus. Wie der Guardian gestern berichtete, operiert seit 26. August kein NGO-Schiff mehr "auf den Hauptmigrationsrouten zwischen Nordafrika und Südeuropa".
Dass sich infolge dieses Erfolgs, den sich Salvini an die Brust heftet, auch die Todesfälle - anteilsmäßig - häufen, wie eine neue Studie dem italienischen Innenminister und der EU vorhält, steht auf einem anderen Blatt. (Einfügung: An dieser Stelle stand zuvor das Wort "anteilsmäßig" nicht. Es wurde von mir nicht absichtlich unterschlagen, aber dennoch: Die Passage war dadurch irreführend formuliert. Denn die Zahl der Toten ist nicht gestiegen - im Gegenteil, da weitaus weniger Migranten die gefährliche Reise übernehmen, gibt es auch sehr viel weniger Tote, wie die Studie eindeutig feststellt, allerdings hat sich das Verhältnis zwischen Migranten, die von der libyschen Küste aufbrechen und die Fahrt überleben und denen, die verschwunden und also höchstwahrscheinlich umgekommen sind, deutlich verändert. Der Anteil der Verschwundenen/Toten ist seit dem rigiden Vorgehen gegen die NGO-Rettungsschiffe um einiges höher. Pardon an die Leser, dass ich dies zuvor in der Schnelle nicht sorgfältig herausgestellt hatte).
Noch wird das in der Öffentlichkeit nicht oder kaum berücksichtigt und Salvini kann sich für seinen Kurs feiern lassen, Schwierigkeiten kommen dann eher aus anderen Politikfelder wie die Rente. Das gibt Salvini dann den Spielraum, um Seehofers Rücknahmeabkommen ganz in seine PR-Dienste zu stellen ("Wir nehmen keine weiteren Migranten auf, nur im Tausch").