Selbstmord durch Massaker
Der Amoklauf in Newtown
Die schon zum Ritual gewordenen Amokläufe in den USA, die eigentlich inszenierte Selbstmordanschläge sind, haben mit dem Massaker in Newtown ein neues schreckliches Spektakel erreicht. Ein junger, schwer bewaffneter 20-jähriger Mann, hatte sich wie üblich ein "soft target" ausgesucht, die Sandy Hook Grundschule. Zwar werden nach Schulbeginn auch Grundschulen abgeschlossen, aber vermutlich hat der junge Mann, der zum Selbstmord entschlossen war und möglichst viele Menschen mit in den Tod reißen wollte, um auf der Massakerliste möglichst hoch zu stehen, deswegen Einlass gefunden, weil er ein ehemaliger Schüler war und seine Mutter dort als Lehrerin arbeitete.
Noch sind kein "Märtyrervideos" oder andere Bekennerdokumente, wie dies die Täter gerne machen, gefunden wurden. Die Medien haben aber schnell dafür gesorgt, dass der Mörder eines seiner Ziele postum erreicht hat. Sein Massaker wird schon zu den größten weltweit gerechnet, was die Opferzahlen betrifft. In den USA, wo das Massaker an der Zahl der Toten gemessen auf Platz 2 stehen würde, hatte in diesem Jahr im August ein Veteran 6 Menschen an einem Sikh-Tempel getötet, im Juli erschoss ein 24-jähriger Student in einem Kino 12 Zuschauer, der aber festgenommen werden konnte. Quantitativ liegt die Tat also hoch im Scoring, qualitativ hat sie aber wohl mit der Ermordung von Kindern auch eine Schwelle überschritten.
Wie jetzt berichtet wird, soll der Adam Lanza, dessen Motive noch unbekannt sind, 20 Schüler und 6 Lehrer erschossen und danach sich selbst getötet haben. Er soll nur in zwei Klassenräume eingetreten und mit dem Auto seiner Mutter zur Schule gefahren sein. Festgenommen wurde der Bruder von Adam. Offenbar wollte man den Verdacht ausschließen, Ryan Lanza könne ein Mittäter gewesen sein. Es soll überdies ein weiterer Toter gefunden worden sein, angeblich im Haus der Mutter von Lanza. Nach Medienberichten soll es sich bei der Toten um die Mutter von Adam handeln. In anderen Berichte hatte es zuvor geheißen, Adam habe seine Mutter in der Schule als eine der ersten getötet. Es könnte sich also um eine Racheaktion gegen seine Mutter gehandelt haben. Ryan soll mit zwei Pistolen und einem Gewehr ausgerüstet gewesen sein.
Was auch immer die Motive des jungen Mannes gewesen sind, so wird doch deutlich, dass die Neigung zunimmt, nicht mehr einfach durch Selbstmord gegen sein Schicksal zu protestieren, sondern in den eigenen Tod auch andere mitzunehmen, die irgendwie für die eigene Misere verantwortlich gemacht werden. Amokläufe dürften auch eine Möglichkeit sein, sich selbst in eine Lage zu bringen, in der kein anderer Ausweg mehr möglich ist, als sich selbst zu töten, wozu man sonst nicht mangels Mut oder fehlender Entschlossenheit in der Lage wäre. Man schafft sich mithin selbst eine Falle, wozu aber andere Menschen gebraucht werden, wenn ein Leben in Haft oder die Aussicht auf eine fremdbestimmte Exekution vermieden werden soll.
Natürlich wird wieder bereits diskutiert, ob die Waffengesetze in den USA verschärft werden sollen. In diesem Fall können die Waffenbefürworter zwar wieder sagen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn die Lehrer auch Schusswaffen gehabt hätten, aber auf die Idee, auch Grundschüler mit Schusswaffen auszurüsten, wird wohl niemand aus der Waffenlobby kommen. Die alle mit mehreren Schüssen getötete Schüler waren 6 oder 7 Jahre alt. Nach Mother Jones haben die Täter die Waffen, die sie für ihre Massaker in den USA verwendeten, überwiegend legal erhalten. Von den mindestens 61 Amokläufen, die seit 1982 in den USA begangen wurden und die vier Todesopfer oder mehr forderten, hatten fast 50 die Waffen legal erhalten und nur 10 nicht.
Der Soziologe Kieran Healy macht in einer Grafik plastisch deutlich, dass in den USA eine gewalttätigere Kultur als in den meisten anderen OECD-Staaten zu herrschen scheint (mit der Ausnahme von Mexiko und Estland). Nach den Mordopfern - mit Schusswaffen, aber auch mit Messern und allem anderen . pro 100.000 Bürgern seit 1960 liegen die USA in großem Abstand oben. Allerdings waren die Hochzeiten der Gewalt in den 1980er Jahren, seitdem geht sie bislang kontinuierlich zurück - wahrscheinlich auch deswegen, weil die Zahl der Haushalte, in denen es Schusswaffen gibt, seitdem zurückgeht. Tatsächlich scheinen statistisch in Staaten mit schärferen Waffengesetzen weniger Menschen getötet zu werden.