Sendezeitbegrenzung für Sexsites soll Option bleiben

Länder dringen weiter auf pauschale Vorabkontrolle des Internet für einen besseren Jugendschutz

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Nachdem die Pläne der Bundesländer zur Übertragung des Rundfunkrechts auf das Internet von der Wirtschaft und Netzpolitikern entschieden zurückgewiesen wurden (Scharfe Kritik an der geplanten Neufassung des Jugendschutzes, werden in den Staatskanzleien nun leicht gedämpfte Töne angeschlagen. Die Erotikbranche warnt trotzdem vor unhaltbaren Gesetzen, die noch mehr Anbieter ins Ausland treiben würden.

Der Vorstoß der Länder, Erotik-Anbietern im Netz nur zwischen 23 und 6 Uhr eine "Sendeerlaubnis" zu gewähren, hatte herbe Kommentare nach sich gezogen. Nun übt man sich in den oberen Regierungsetagen um Schadensbegrenzung. Es sei natürlich reiner Unsinn, in allen Jugendschutzbereichen dieselben Regeln sowohl fürs TV wie fürs Internet aufzustellen, erklärte Hans-Dieter Drewitz, Ministerdirigent in der federführenden rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, gegenüber Telepolis. Es werde keinen Zwang geben, entsprechende Zeitfenster zu implementieren.

Die Sendezeitbegrenzung ist dem Ministerialbeamten zufolge als "Zusatzoption für das Internet" und reine "Soll-Norm" gedacht und soll als solche auch festgeschrieben werden. Im umstrittenen Entwurf für einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV heißt es, dass Jugendliche entweder durch eine solche Zeitregelung oder in sonstiger Weise von sie gefährdenden Angeboten abgehalten werden müssten. Während vor allem im Free-TV die Sendezeitenbestimmungen vorerst erhalten bleiben würden, so Drewitz, sei bei digitalen Spartenkanälen sowie im Internet aber wohl eine technische Vorsperre der künftige Weg.

Die Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder und der Chef des Bundeskanzleramts, Frank Walter Steinmeier, hatten sich Ende November über Eckpunkte zum Jugendschutz geeinigt. Kurz vor Weihnachten wollen die Ministerpräsidenten und der Kanzler die Absprachen in Berlin absegnen. Eine offene Frage sei nur noch, bestätigte Drewitz die nach langem Tauziehen den Ländern beim Jugendschutz weit gehend freie Hand gebende Neuregelung, ob die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BpjS) weiterhin den Index pflegen soll.

Die Proteste erst mal anhören

Weiterhin im Rennen ist die Forderung der Länder, Provider zu einer Vorabkontrolle der von ihnen angebotenen Inhalte zu verpflichten. Die Konzepte für das angestrebte "positive Rating" soll eine "zentrale Aufsicht auf Länderebene prüfen", wie es im Eckpunktepapier heißt. "Das war ein klarer Wunsch der Jugendschutzleute", erklärt der Mainzer Rundfunkexperte Drewitz, der in grauer Vorzeit auch schon mal über Bürgernähe und Kommunikationsfreiheit durch Offene Kanäle philosophierte. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) und Wirtschaftverbände hatten gegen die Zensurauflage Widerstand angekündigt, da sie eine Verpflichtung zur Überprüfung des gesamten Internet auf sich zukommen sehen.

"Die Proteste hören wir uns erst mal an", gibt der Ministerdirigent nun als Losung auf Länderebene aus. Ob aus dem Vorschlag eine "harte Norm" werde, sei aber noch nicht klar. "Wir müssen schauen, was technisch und gesellschaftlich machbar ist." Die Laissez-faire-Haltung der Anbieter getreu dem Motto: "Wir können gar nichts tun" sei jedenfalls nicht akzeptabel.

Auch die "hoheitliche Zertifizierung" der Selbstkontrollstellen soll kommen. Doch nicht nur der Deutsche Werberat fürchtet, durch diese behördliche Aufsicht überflüssig zu werden. Selbstkontrolle macht dem Gremium zufolge keinen Sinn mehr, "wenn freiwillige Regeln verstaatlicht werden". Von einem Zwang, sich den Regularien der geplanten Kommission für Jugendmedienschutz zu unterwerfen, will Drewitz allerdings nichts wissen. Falls sich Stellen nicht zertifizieren lassen wollten, würden die von ihnen vertretenen Anbieter eben keinen gesonderten Schutz genießen. "Das kann bei Bußgeldern eine Rolle spielen", sagt Drewitz. Haftungsprivilegien sollen nämlich nur Firmen zugute kommen, die sich einer durch den Staat geprüften Selbstkontrollorganisation anschließen.

Und tschüss

Vor allem die als eine der wenigen Bastionen im E-Commerce geltende Softpornobranche sieht der kommenden Dinge mit tiefen Sorgenfalten entgegen. Online werde in diesem Bereich in Deutschland "recht viel Geld verdient", sagt der Geschäftsführer des rund 430 Mitglieder vertretenden Bundesverband Erotik Handel (BEH), Uwe Kaltenberg, und fügt vorsichtshalber ein nachdenkliches "noch" hinzu. Würden sich die Länder auf ein zu scharfes Gesetz verständigen, werde dieses nicht greifen.

"Die Anbieter gehen ins Ausland", so Kaltenberg, von wo aus eh bereits rund 90 Prozent der heißen Bilder ihren Weg nach Deutschland finden. Schon in den Niederlanden gälten wesentlich freizügigere Sitten, so dass die Server eben dort aufgestellt würden.

Forcieren will der BEH aber auch die Einigung über ein technisches Konzept zur Zugangsprüfung für zahlungswillige Softporn-Liebhaber über 18. Wie eine solche, vom Staat akzeptierte Vorkehrung auszusehen habe, weiß laut Kaltenberg zwar "momentan noch keiner". Es gebe aber erfolgsversprechende Verhandlungen mit der Mainzer Aufsichtsbehörde jugendschutz.net, die beispielsweise auch das in Deutschland die Marktführerschaft behauptende X-Check-Verfahren für Adult-Sites für gut befunden habe.

Medienbruch drosselt die Lust

Beim Platzhirsch unter den Zerberussen im Netz muss der Interessent eine Kopie seines Personalausweises an die den X-Check anbietende Düsseldorfer Firma Coolspot schicken oder faxen. Zugleich mit der Sichtung der Ausweisnummern erfolgt eine Überprüfung der Kreditkartenangaben. Geht alles in Ordnung, erhält der lustbetonte Surfer für 34,90 Mark Zugang zu momentan rund 86.400 Sex-Seiten.

Der bei X-Check stattfindende Medienbruch ist dem Erotikverband allerdings noch ein Dorn im Auge. "Das Verfahren sollte ausschließlich online funktionieren", fordert Kaltenberg. Da böte sich vielleicht der Einsatz digitaler Signaturen für die Freischaltung an - womit die Sexbranche ein mal mehr als Vorreiter im Technologiebereich dastehen würde.

Die Länder wollen nach der Kanzlerrunde bis spätestens zum Frühjahr ihre Vorstellungen in einen Referentenentwurf für den neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) gießen. Der weitere Fahrplan sieht laut Drewitz vor, nach eventuellen Anhörungen und Gesprächen mit den Verbänden den Entwurf im Juni unterschriftsreif zu haben. In Kraft treten soll der JMStV dann zum 1.1.2003.