Sensation in der Milchstraße

Das schwarze Loch in der Mitte unserer Galaxis flackert beim Verschlingen der Materie - Forschern ist es gelungen, das kosmische Fressen direkt zu beobachten

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Alles deutet darauf hin, dass das Monster mitten in der Milchstraße rotiert.

Das Innere der Milchstraße fotografiert vom VLT -Yepun-Teleskop. Die kompakten Objekte sind Sterne und die Farben stehen für ihre Temperatur, Blau für "heiß" und rot für "kalt". Die beiden gelben Pfeile markieren die Position des schwarzen Loches Sagittarius A* im Zentrum der Galaxis. Bild: ESO

Reinhard Genzel, Rainer Schödel, Thomas Ott und Bernd Aschenbach vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Andreas Eckart von der Universität zu Köln, Tal Alexander vom Weizmann Institut sowie Francoise Lacombe und Daniel Rouan vom Observatorium Paris-Meudon veröffentlichen im heute erschienenen Wissenschaftsjournal Nature ihre Erkenntnisse über den von ihnen vernommenen "Todesschrei" der Materie vor ihrem Sturz in das kosmische Phänomen, dem nichts entkommt, was sich ihm zu sehr nähert - nicht einmal Licht.

Schwarze Löcher sind bizarre astrophysikalischer Objekte von so hoher Dichte, dass ab einem bestimmten Abstand, dem so genannten Ereignishorizont, alles auf Nummerwiedersehen in ihnen verschwindet. Vieles an ihnen ist noch geheimnisvoll, dazu gehört auch die Frage, was in ihrem Innern geschieht (vgl. Survival Training im Inneren eines Schwarzen Lochs). Sagittarius A* (Sgr A*) ist ein supermassives schwarzes Loch mit der Masse von 3,6 Millionen Sonnen, 26 000 Lichtjahre von uns entfernt. Unter seinen Verwandten ist es eher ein kleines Exemplar, in anderen Galaxien existieren große Brüder, die bis zu 1000 Mal massiver sind (vgl. Massen und Galaxiegrößen). Zudem ist Sgr A* eines der am schwächen leuchtendsten seiner Art. Entsprechend hat es trotz seiner Nähe zur Erde lange gedauert, bis ein echter Nachweis seiner Existenz vorlag, dazu war das NASA-Röntgenteleskop Chandra nötig (vgl. Das Monster wohnt in der Mitte der Milchstrasse).

Signale aus dem Schwarzen Loch: Die beiden Fotos vom 9. Mai 2003 zeigen Momentaufnahmen des galaktischen Zentrums. In dem mit einem Kreis markierten Bereich vermuten die Astronomen das supermassereiche Schwarze Loch. Auf dem rechten Bild blitzt der Flare im Grenzbereich des so genannten Ereignishorizonts auf. Das Kreuz bezeichnet die Position des Sterns S 2, der das Schwarze Loch einmal in 15 Jahren umläuft. Die Aufnahmen besitzen eine Detailauflösung von 0,04 Bogensekunden (entsprechend 45 Lichttagen) und entstanden im nahen Infrarot am ESO-Teleskop Yepun. Bild: Europäische Südsternwarte/Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

Das europäisch-israelische Team nutzte im Mai diesen Jahres das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem Berg Paranal in der Wüste Chiles, um das Zentrum der Milchstraße im Infrarotbereich zu betrachten. Und das 8,2-Meter-Teleskop offenbarte Überraschendes. Im Kontrollraum starrte Rainer Schödel auf einen der Monitore und rief plötzlich erstaunt: "Was macht der Stern denn da!" Ein Stern war kurz erschienen und Minuten später wieder spurlos verschwunden. Dafür gab es nur eine plausible Erklärung: die Wissenschaftler hatten einen gewaltigen Strahlungsausbruch, einen "Flare" gesehen und dieses Flackern war genau an der Stelle aufgetreten, an dem das schwarze Loch unsichtbar kauern muss.

Rund um ein schwarzes Loch sammelt sich heißes Gas, das rund um den Ereignishorizont wirbelt, bevor es dann hinein gesaugt wird und sich endgültig verabschiedet. Das war theoretisch voraus gesagt worden, eine direkte Beobachtung gab es allerdings bisher nicht. Der Co-Autor Andreas Eckart erläutert:

Seit mehr als einem Jahrzehnt haben wir nach dieser Strahlung gesucht. Uns war klar, dass das Schwarze Loch immer wieder Materie auf sich zieht. Bevor das Gas verschluckt wird und aus unserer Welt verschwindet, sollte es sich erhitzen und Infrarotstrahlung aussenden.

Die Infrarotstrahlung stammte aus einem sehr kleinen Bereich, aus den Grenzregionen des schwarzen Lochs. Dort herrscht vermutlich das pure Chaos, vergleichbar mit Regionen unserer Sonne bei heftigen Strahlungsausbrüchen. Das Aufflackern trat periodisch alle 17 Minuten auf. Wenn diese Flares tatsächlich von um den Ereignishorizont kreisendes Gas verursacht werden, ist der logische Schluss daraus, dass auch das schwarze Loch rotiert. Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt dieses Verhalten für die gefräßigen Exoten im Kosmos voraus. Tatsächlich würde sich Sgr A* mit etwa der Hälfe der von der Allgemeinen Relativitätstheorie zugelassenen Höchstgeschwindigkeit drehen.

Reinhard Genzel ist überzeugt, dass es in der Erforschung der finsteren Abgründe des Universums jetzt erst richtig spannend wird:

Aus der Theorie wissen wir, dass ein Schwarzes Loch durch drei Größen charakterisiert ist: Masse, Spin und elektrische Ladung. Falls die beobachtete Periode tatsächlich die Umlaufzeit des Gases um das Schwarze Loch widerspiegelt, hätten wir also zum ersten Mal den Spin eines solchen Objekts direkt gemessen. Jetzt beginnt die Ära, in der wir die Physik von Schwarzen Löchern durch die Beobachtung überprüfen und aufdecken können.

Video der ESO