Serbische Truppen an der Grenze zum Kosovo: Sorge vor militärischer Eskalation

Kfor-Soldat im Kosovo. Archivbild (2004): US-Verteidigungsministerium

Serbischer Präsident Aleksandar Vucic verneint Vorwürfe. Er wolle keinen Krieg. Kosovos Regierung sieht gegenteilige Zeichen. USA und Deutschland warnen.

Serbische Truppen an den Grenzen zum Kosovo werfen die beunruhigende Möglichkeit auf, dass der Konflikt im Südosten Europas militärisch eskaliert. Das Auswärtige Amt in Berlin warnt:

Zwischen #Serbien & #Kosovo darf es keine weitere Eskalation geben. Wichtig, dass Serbien unverzüglich Truppen an der Grenze reduziert. Gemeinsam mit unseren Partnern stehen wir in intensivem Kontakt mit allen Seiten. Der politische Prozess muss dringend fortgesetzt werden.

Auswärtiges Amt

Ebenso das Weiße Haus Washington: Laut dem Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby, beobachten die USA eine "beispiellose Stationierung fortgeschrittener serbischer Artillerie, Panzer und mechanisierter Infanterieeinheiten" an der Grenze zum Kosovo. Kirby warnt vor einer "sehr destabilisierende Entwicklung".

Wir fordern Serbien auf, diese Kräfte von der Grenze abzuziehen und dazu beizutragen, die Temperatur und die Spannungen zu senken.

John Kirby

Kommunikation: "Lügen" und "Beobachtungen"

Allerdings gibt Unsicherheiten und Irritationen über eine massierte Präsenz serbischer Truppen und welche Entschlüsse dazu gefallen sind. Auch bei diesem Konflikt spielt Informationspolitik eine wesentliche Rolle.

Im Bericht der Tagesschau wird zweimal das Wort "offenbar" gesetzt: "Die Bundesregierung hat angesichts des offenbar verstärkten serbischen Truppenaufgebots an der Grenze zum Kosovo vor einer Zunahme der dortigen Spannungen gewarnt." Und: "Zuvor hatte bereits die US-Regierung gefordert, die serbische Regierung müsse ihre offenbar an der Grenze zum Kosovo stationierten Truppen abziehen."

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic wiegelt ab. Der Financial Times erklärte er am Wochenende:

Letztes Jahr hatten wir 14.000 Männer in der Nähe der Verwaltungsgrenze (zum Kosovo, Einf. d. A.). Heute sind es 7.500 und wir werden diese Zahl auf 4.000 reduzieren.

Zugleich bezeichnete er es als "reine Lüge", dass Serbien Truppen an die Verwaltungsgrenze schicke. Das wäre gegen die Interessen seines Landes, da man doch in die EU wolle.

Warum sollte das für Belgrad von Vorteil sein? Was wäre die Idee? Unsere Position zu zerstören, die wir seit einem Jahr aufgebaut haben? Diese an einem Tag zu zerstören? Serbien will keinen Krieg.

Aleksandar Vucic

In Pristina, der Hauptstadt der Republik Kosovo, sieht man das anders. Der dpa wurde von dort mitgeteilt, dass serbisches Militär weiter vorgerückt sei – aus drei verschiedenen Richtungen:

Einheiten der Zweiten Brigade der serbischen Armee seien aus Richtung Raska in Richtung der Nordgrenze Kosovos gezogen, Einheiten der Dritten Brigade aus der Region Nis in Richtung der nordöstlichen Grenze und Einheiten der Vierten Brigade aus der Region Vranje in Richtung der Ostgrenze.

Regierung in Pristina, E-Mail an die dpa, Welt

Man fürchtet angesichts dieser Bewegungen eine mögliche militärische Aggression gegen die Republik Kosovo, heißt es von der kosovarischen Regierung. Schließlich, so der Vorwurf, habe Serbien Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie in Stellung gebracht.

Man sei in Abstimmung mit internationalen Partnern "entschlossener denn je, die territoriale Integrität zu schützen".

Böser Hintergrund

Das sind allesamt wenig beruhigende Töne, wenn an die "Konfliktlösungen" in der Ukraine und im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien denkt.

Das massive russische Truppenaufgebot an der ukrainischen Grenze wurde zur Sache einer politischen Kommunikation, bei der die Möglichkeit, dass es zum Krieg kommt, nicht ernst genug genommen wurde. Aserbaidschan konnte zuletzt mit seiner Aggression gegen Armenien sein Projekt der ethnischen Säuberung weitertreiben.

Die EU, die USA und andere westliche Mächte hätten vergeblich versucht, schon im Frühjahr, über Gespräche zu vermitteln. Die Vorschläge seien an den umstrittenen Kommunalwahlen im Norden des Kosovo, der mehrheitlich von Serben bewohnt wird, gescheitert, schreibt die Financial Times.

Nicht berichtet wird, dass die Wahlbeteiligung im Norden des Kosovo sehr gering ausfiel. Sie lag bei 3,5 (!) Prozent. "In den vier nördlichen Gemeinden des Kosovo machten lediglich 1.556 von ihrem Wahlrecht Gebrauch: die überwiegende Mehrheit der Wählerinnen und Wähler waren ethnische Albaner und nur 13 ethnische Serben", berichtete die Friedrich-Naumann-Stiftung.

Das verweist auf einen Boykott der dortigen serbischen Mehrheit. So konnte der kosovarische Premierminister Albin Kurti Führungsstellen den drei nördlichen Landkreisen um die de facto geteilte Provinzstadt Mitrovica mit Kommunalpolitikern besetzen, die der serbischen Mehrheit das Leben auf bürokratische Weise schwermachten. Auch das trug zur Aufheizung bei.

Am vergangenen Sonntag kam es im Nordkosovo zu einem tödlichen Vorfall. Ein serbischer Kommandotrupp mit 30 Männern war dort eingedrungen und hatte sich Kämpfe mit der Polizei geliefert. Vier Menschen kamen ums Leben.

Jetzt bekannte sich der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Radoicic zu diesem Überfall. Er habe dies "auf eigene Faust" durchgeführt, ohne Hintermänner. Die serbische Regierung sei nicht verwickelt. In Pristina glaubt man nicht jedoch nicht an einen Alleingang von Radoicic.

"Die Polizei konfiszierte Granaten, Kanonen, Maschinengewehre und Kalaschnikows, aber auch Schilder mit der Aufschrift 'Kfor'", heißt es zu dieser Eskalation im österreichischen Standard.

Beide, der serbische Präsident Vucic und der kosovarische Präsident Kurti, forderten in den letzten Tagen gefordert, "dass die Nato-geführten Kfor-Friedenstruppen ihre Präsenz im Norden des Kosovo verstärken" (Financial Times).

Aus der Nato kam Zustimmung. Man wolle Hunderte zusätzliche britische Soldaten schicken. "Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass unser Kommandeur über die notwendigen Ressourcen und die Flexibilität verfügt, damit die Kfor ihr Mandat erfüllen kann", bekräftigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag.