Sexualstrafrechtsreform: Eine Beweisaufnahme

Seite 3: Die Sache mit den Falschbeschuldigungen

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Folgt man der Quellenangabe der beiden Juristinnen, landet man zunächst nur auf einem Blogbeitrag der Juraprofessorin Ulrike Lembke. Dabei fällt gleich auf, dass Lembke zwar "blind zitierte zweistellige Zahlen … der bayerischen Polizei" als den schlichten Glauben einiger Polizistinnen und Polizisten kritisiert. Geht man den von ihr für aussagekräftig befundenen 3% nach, dann landet man jedoch - wiederum bei Zahlen von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Schauen wir uns das Zustandekommen dieser drei Prozent also genauer an: Die Zahlen stammen aus dem 2009 veröffentlichten Bericht der beiden Wissenschaftlerinnen Jo Lovett und Liz Kelly von der London Metropolitan University über die Aufklärung von Vergewaltigungsfällen in Europa. Neben makroskopischen Daten wurden in verschiedenen Ländern einige Einzelfälle detailliert untersucht.

Beispiel Deutschland

Von den hundert deutschen Fällen wurden 52 im frühen Stadium der Ermittlungen eingestellt: Darunter war ein Fall, in dem die Polizei der Meinung war, es handle sich um eine falsche Beschuldigung. In elf Fällen hat das Opfer nicht kooperiert oder die Anzeige zurückgezogen. Die Staatsanwaltschaft stellte 16 Verfahren ein, weil der Tatverdächtige nicht ermittelt werden konnte; in elf Fällen habe es unzureichende Beweise gegeben, in acht keine Hinweise auf einen sexuellen Übergriff; in einem weiteren habe es sich um eine falsche Beschuldigung behandelt.

Dieses Bild zeichnet sich so weiter bis zum Verfahrensende: In 23 dieser hundert Fälle kam es zu Verurteilungen (das widerspricht, am Rande, auch den häufig, unter anderem vom Bundesjustizminister, genannten 8%). In einem weiteren Fall wurde im mittleren Stadium der Untersuchung das Verfahren wegen falscher Beschuldigung eingestellt. Dreimal eins, das sind die drei Prozent, die uns in der Diskussion so häufig begegnen.

Wie stellt man eine Falschbeschuldigung fest?

Diese Zahl wirft natürlich Fragen auf: Warum sind, laut Ulrike Lembke, Angaben der Polizei unglaubwürdig, wenn sie dem Standpunkt der Kampagne widersprechen, aber glaubwürdig, wenn sie (einmal durch die Polizei, zweimal durch die Staatsanwaltschaft) zum Standpunkt der Kampagne passen?

Das eigentliche Problem ist, wie man eine Falschbeschuldigung überhaupt feststellen will. Was ist mit den zurückgezogenen Fällen? Wurde das Opfer vielleicht unter Druck gesetzt? Dann wäre das natürlich katastrophal. Hat es aber vielleicht eingesehen, dass es gar keine Vergewaltigung war? Dann war die Anzeige natürlich auch eine falsche Beschuldigung. Was ist mit den Fällen, bei denen es keine Hinweise auf einen sexuellen Übergriff gab? Wir wissen es schlicht nicht. Davon abgesehen sind die hundert ausgewählten Fälle auch nicht repräsentativ.

Wissenschaftliches Bild widerspricht Kampagnen

Im Gegensatz zu den so zustandegekommenen 3% fasst der britische Gerichtsmediziner Guy Norfolk in einer Übersichtsarbeit den Stand der Wissenschaft wie folgt zusammen: Neun Untersuchungen zu Falschbeschuldigungen bei Vergewaltigungen im Zeitraum von 1978 bis 2005 fanden eine variierende Rate zwischen 4,4% und 41%. Der Stand der Forschung ist in diesem Punkt also wesentlich differenzierter als es die Untersuchung der London Metropolitan University vermuten lässt.

Was bleibt von den Kampagnen? Während in Deutschland die Zahl der strafrechtlich relevanten sexuellen Übergriffe seit Jahren höchstwahrscheinlich fällt und die Anzeigenbereitschaft steigt, zeichnen feministische Aktivistinnen ein ganz anderes Bild der Wirklichkeit: Wenn man keine überzeugenden Daten hat, dann beruft man sich eben auf ein Dunkelfeld. Durch gebetsmühlenartige Wiederholung versucht man schließlich, die Bevölkerung und politische Entscheidungsträger hiervon zu überzeugen.

"Patriarchat" verurteilt vor allem Männer

Wie eingangs erwähnt, kritisierte Kristina Lunz im Zusammenhang mit der Kampagne von UN Women, in Deutschland herrsche ein patriarchales System, das Männer bevorzuge. Tatsächlich sind aber laut Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamts 82,2% der verurteilten Erwachsenen hierzulande Männer.

Wenn man den Patriarchiatsvorwurf einen Schritt weiter denkt, dann ergibt das auch Sinn: Denn was in feministischen Diskursen häufig als Patriarchat den Männern vorgeworfen wird, war historisch gesehen meistens ein militaristischer Obrigkeitsstaat, in dem Männer mit Gewalt diszipliniert wurden, um gehorsam und hart für ihren Fürsten zu schuften und nach dessen Bedarf ins Gras zu beißen.

Deutscher Bundestag wird entscheiden

Wer, wie ich, die Diskussion der letzten Monate mitverfolgte, dürfte kaum einen Zweifel daran haben, dass die Verschärfung des Strafrechts morgen vom Deutschen Bundestag beschlossen werden wird. Die Vereinbarkeit mit europäischen Konventionen oder das Bestehen von Schutzlücken mögen juristische Interpretationsfragen sein.

Kein Zweifel besteht aber mehr daran, dass die Kampagnen für diese Verschärfung auf zahlreichen Fehlern und Falschdarstellungen beruhen. Es bleibt abzuwarten, ob sich von den rund 600 Volksvertreterinnen und -Vertretern, die nur ihrem Gewissen unterworfen sind, jemand dazu trauen wird, zu dieser fragwürdigen Form der politischen Einflussname im angeblichen Interesse von Opfern Stellung zu beziehen.