Sexualstraftäter wegen Nackt-Selfie?
14-Jähriger landet in Polizeidatenbank
In England ist ein 14-Jähriger als Sexualstraftäter registriert worden, weil er in seinem Schlafzimmer ein Nackt-Selfie von sich angefertigt und an eine Mitschülerin verschickt hat. Da die Ermittlungsbehörden kein öffentliches Interesse gegeben sehen, wurde keine Anklage erhoben. Trotzdem bleibt der Teenager "Simon" nun möglicherweise zehn Jahre lang in der Police National Database (PND) gespeichert, aus der bestimmte Arbeitgeber über einen DBS-Check Informationen beziehen können.
Weil er zum Verschicken Snapchat nutzte, glaubte Simon, dass sein Nacktselfie sich nach zehn Sekunden sebst löschen und nicht in fremde Hände gelangen würde. Damit lag er falsch: Das Bild und Erzählungen darüber machten in der Schule die Runde - weshalb sich Simon als eigentliches Opfer seiner Tat fühlt. Als Opfer, das faktisch bestraft wird, während Täter, die die Bilder immer noch austauschen, straffrei ausgehen, weil die Schule argumentiert, sie dürfe ihre Mobiltelefone nicht durchsuchen.
Zudem waren solche Sexting-Fotos seinen Angaben nach an seiner Schule so gängig, dass mindestens einmal in der Woche untereinander über einen neuen Fall gesprochen wurde. Als Simons Mutter das Vorgehen der Schule kritisierte, stellte sich diese auf den Standpunkt, die Schüler seien unlängst darüber informiert worden, dass Sexting-Fotos auch außerhalb des Schulgeländes verboten seien und zur Anzeige gebracht würden. Simon behauptet dagegen, dass er von diesem erst vor Kurzem geänderten Umgang mit dem Phänomen nichts wusste.
Die Polizei argumentiert, dass sie verpflichtet sei, jeden Fall pflichtgemäß zu dokumentieren, der ihr zu Ohren kommt. Dazu gehöre auch die Aufnahme in die PND. Der Kinder- und Jugendbeauftragten des britischen National Police Chief Council zufolge kann Simon allerdings Widerspruch gegen die Offenlegung der Daten gegenüber potenziellen Arbeitgebern einlegen.
Der Fall hat nicht nur in britischen Medien und Foren die Debatte belebt, ob die Tatbestände, die zur Aufnahme in solche Datenbanken führen, nicht unangemessen weit gefasst sind: Vor allem in den USA landen immer wieder Teenager darin, die mit anderen Teenagern nichts anderes getan haben als das, was ihnen die populäre Kultur als der ganz normale (und keineswegs pädophile) Geschlechtstrieb vorgeben. Der ehemalige Richter William Buhl sagte dem Fernsehsender CNN unlängst, wenn man die aktuelle Rechtslage konsequent umsetzen würde, dann müsste man 30 bis 40 Prozent der US-Schüler von den High Schools nehmen und in Gefängnisse stecken.
Anlass für Buhls Äußerung war der Fall des 19-jährigen Zach A. aus Elkhart im Bundesstaat Indiana: Er hatte über die Dating-App Hot or Not ein Mädchen aus Michigan kennengelernt, das ihm sagte, sie sei 17. Später stellte sich heraus, dass sie lediglich 14 war - und A. wurde zu 90 Tagen Gefängnis auf Bewährung verurteilt, obwohl das Mädchen vor Gericht zugab, über ihr Alter gelogen zu haben.
Sehr viel schlimmer als die Bewährungsstrafe wirkt sich für den jungen Mann die in solchen Fällen obligatorische Aufnahme in die Sexualstraftäterdatei aus, in der er nun 25 Jahre lang steht. Deshalb muss er nun sogar bei seinen Eltern ausziehen - nicht etwa, weil diese das wollen, sondern weil dort auch sein 15-jähriger Bruder lebt. Welchen Sinn das hat, ist offen: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bemängelte bereits vor zwei Jahren, es gebe keine Hinweise darauf, dass Kindern besser geschützt würden, wenn ganz normale Teenager mit echten Triebtätern in eine Datenbank gesteckt werden und dadurch erhebliche Nachteile bei der Arbeits- und Wohnungssuche erleiden.
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