Sharing Economy - Werden Konsumenten zu Unternehmern?

Seite 2: "Sharing" als neue kommerzielle Werbemasche

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Nun zu den neuen Entwicklungen. Was heute als Sharing Economy beworben und dargestellt wird, ist keine Teilen-Form, sondern schlicht Geschäft bis hin zur kommerziellen Ausbeutung mitmachwilliger Konsumenten, doch dazu später. Der Zimmervermittler Airbnb oder der von den eingesessenen Taxi-Lobbys mittlerweile angeschlagene Transportvermittler Uber sind Unternehmen, sie verlangen für ihre Plattform Provisionen (Airbnb etwa vom Mieter bis zu 12 Prozent, vom Vermieter 3 Prozent).

Ebenso sind Carsharing-Anbieter, von einigen privaten Initiativen einmal abgesehen, strikt kommerzielle Unternehmen, mittlerweile angetrieben von den Töchtern deutscher Premium-Automarken oder der Deutschen Bahn (Anbieter). Geteilt wird hier gar nichts, sondern es geht um das kommerzielle Vermitteln und Verkaufen von kurzfristiger Automiete. Das wird in der Anlaufphase natürlich von den kommerziellen Müttern gefördert, geht es doch um neue Do-It-Yourself-Transportmärkte in Zeiten stagnierender oder sinkender Einkommen.

Geschäftsmodell: Miete statt Kauf

Wohnraum zu vermieten (also Nutzung zu verkaufen) war immer schon ein gutes Geschäft für Vermieter, vor allem im Zuge der Industrialisierung und in den Städten. Bewegliche Konsumgüter zu vermieten, ist ebenfalls eine seit Jahrzehnten übliche Sache. Das sogenannte Leihauto für Geschäftskunden, später dann zur Mobilität im Urlaub für Touristen, Baumaschinen aus den Baumärkten, Fahrradverleih für Feriengäste, auch die geliehene Skiausrüstung für den Winterurlaub gibt es in den Alpenländern seit den 1970er Jahren im Sportgeschäft am Urlaubsort. Wer nur ein paar Tage im Jahr Ski fährt, für den ist diese Leihe (richtig: Miete) natürlich sinnvoller als ein Kauf. Darum boomt auch dieses Mietgeschäft.

Die Sinnhaftigkeit einer Kurzzeitmiete statt eines Kaufs gilt nicht nur für Sportgeräte oder den Mietwagen im Urlaub, sie kann auch bei vielen anderen Dingen ökonomischer für Verbraucher und zudem ökologisch verträglicher sein, Initiativen dazu fangen neuerdings an (Beispiel Lifethek. Selbst bei vielen Haushaltsgeräten könnte eine langfristige Miete (Leasing) zweckmäßig sein, wenn man Reparaturrisiken betrachtet, oder bei einer Haushaltsgründung, die ohnedies schon teuer genug ist, um Anschaffungskosten zu sparen. Das wird erst in der letzten Zeit kommerziell für Privatkunden als Geschäftsmodell probiert, während es bei Geschäftskunden mit dem Aufkommen des "Leasing" bereits seit Jahrzehnten eine gewisse Alternative zum Kauf (Raten statt Kaufpreis) war. B2B-Modelle (Business to Business) wollen den B2C (Business to Consumers) - Markt übernehmen.

Sharing als Vermarktungsstrategie

Mit Sharing Economy hat das alles aber nichts zu tun, auch wenn es so bezeichnet wird:

LifeThek ist Teil der neuen "Shareconomy": nach Autos, Apartments, Büchern und Fahrrädern, funktioniert teilen und leihen jetzt auch mit vielen Dingen des täglichen Lebens.

Lifethek

Auch die von vielen Städten eingerichteten Fahrrad-Mietsysteme sind kein Teil der Sharing Economy, sondern bloß ein kommunal gefördertes Angebot, vergleichbar einem öffentlichen Schwimmbad. So wie dieses ist das aus Steuergeld mitfinanzierte Fahrradmieten ein Beitrag der Stadtverwaltung zur Förderung der Volksgesundheit (körperliche Bewegung, geringere Luftverschmutzung), ein Serviceangebot für Bürger. Und natürlich auch ein Beitrag zur Förderung des Ansehens der Stadtregierung in Hinblick auf die nächste Kommunalwahl.

Co-Working

Das gibt es auch: Zwei Kollegen, der eine Journalist und der andere Werbegrafiker, beide sind Einpersonen-Unternehmen, mieten sich gemeinsam ein kleines Büro und teilen sich die Kosten dafür. So etwas wäre geteiltes Wirtschaften, echte selbstorganisierte Sharing Economy, ähnlich wenn sich zwei Landwirte eine Erntemaschine teilen, oder zwei Ärzte einen Praxisstandort. Bei den Bauern kann so eine geteilte Nutzung bis zum genossenschaftlich organisierten Maschinenring gehen. Und der kann dann, wenn die Genossenschafter nicht aufpassen, unversehens zu einer knallharten kommerziellen Organisation mutieren.

Die meisten Co-Working-Räume, die heute angeboten werden, entsprechen eher einem modern eingefärbelten, kommerziellen Vermietmodell von Büroraum. Oft mit städtischer Förderung, um sowohl Start-ups als auch Vermieter zu unterstützen, außerdem macht es sich ja bei der nächsten Kommunalwahl gut, auf so ein modernes Image hinweisen zu können. Natürlich gibt es für die Nutzer Vorteile: Kurzzeitige Mieten sind möglich, man trifft ähnliche Leute, man muß sich nicht gemeinsam und oft mühsam für ein kleines Büroprojekt organisieren, alles durchaus praktisch und vorteilhaft - aber Sharing Economy ist es nicht.

Genauso wenig Sharing Economy sind jene Plattformen, die Hilfsdienstangebote und Nebenverdienstmöglichkeiten zusammenbringen wollen, etwa Rent a Rentner aus der Schweiz, oder Online-Marktplätze wie Betreut.de und viele andere. Das WWW schafft da bloß ein vergrößertes, virtuelles Schwarzes Brett und die Betreiber wollen mit dieser Jobvermittlung Geld verdienen, das ist alles. Wobei das bestenfalls in Großstädten passabel funktionieren kann, außerhalb davon stehen die erwähnten Transpositionskosten (Fahrtkosten: Zeit und Geld) erheblich im Weg.