Sharing Economy - Werden Konsumenten zu Unternehmern?

Seite 3: Bei "Sharing" reden auch sogenannte Vordenker oft Blödsinn

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Nordamerikanische Intellektuelle benutzen in ihren, nun ja, sagen wir: persönlichen Vermarktungsstrategien, Europa gern als Trampolin - mit europäischer Anerkennung und Zeitungsberichten kann man zuhause nur weiter an Bedeutung gewinnen. Schlaue Europäer machen es in umgekehrte Richtung gelegentlich ja auch. Jeremy Rifkin hat hierin viel Übung. Und deshalb hat ihm sein PR-Büro heuer eine Reihe von Vorträgen und Interviews für sein neues Buch3 in Europa verschafft. Die oft amerikaaffinen Journalisten sind für solche Gelegenheiten übrigens nicht undankbar, daher gibt es, aconto deren Bequemlichkeit, genügend medialen Platz für Berichterstattung.

Was beim Buch und in den Interviews auffällt, ist die eindimensionale, unkritische Begeisterung für neue Entwicklungen, in denen man wahre Rettungsanker für eine bessere Entwicklung sehen soll. Bei Rifkin hört sich das in einem Interview4 dann so an:

Die Energienetze, ein von Algorithmen betriebenes Transportnetz und die Kommunikationsnetze verschmelzen zu einem Internet der Dinge: Natürliche Ressourcen, industrielle Produktion, Recyclingströme, Wohnräume, Büros, Geschäfte, Fahrzeuge, sogar Menschen werden mit Sensoren versehen und alles in ein globales Netz eingespeist werden. Das ermöglicht die Sharing Economy, also die Teil- und Tauschwirtschaft sowie die Ökonomie der kollaborativen Gemeingüter. Das ist ein bemerkenswertes historisches Ereignis. Bis Mitte des 21. Jahrhunderts hat sich der Kapitalismus transformiert.

Jeremy Rifkin

Rifkin schmeißt hier alles ungeniert durcheinander und bewegt sich auf dem schönen Denkpfad der alten unkritischen Technik- und Internet-Gläubigen. Das erinnert etwa an Howard Rheingolds Visionen vom "Globalen Dorf" der Internet-Community5 und ihrer modernen bloggenden und beratenden Nachfolger, die als Experten, als Netzintellektuelle, in den traditionellen Medien nach wie vor ihr Unwesen treiben.

Dieser übergroße Optimismus passt auch gut zur gefühlsmäßig inspirierten Wahrnehmung von aktueller Technik. Rifkin: "Und bald steht in jeder Schule ein 3D-Drucker." Frage des Interviewers: "Mit denen kann man Smartphones ausdrucken?" Rifkin: "Bald schon. Kürzlich ist in Chicago auf der International Manufacturing Technology Show das erste Auto ausgedruckt worden…" Nur der Motor und all die anderen relevanten Dinge mussten halt noch eingesetzt werden.

Wohin die Pseudo-Sharing Economy führt

Erwerbsarbeit wird heute - folgt man der Ratgeberindustrie für erfolgswillige Angestellte - in gewisser Weise kommodifiziert6, verdinglicht, zur Ware gemacht. Der Diktatur der Fröhlichkeit und des Teamgeists zu folgen, ist für den Wettbewerb am Arbeitsplatz heute eine zwingende Bedingung. Man muss sich anpassen an die Gepflogenheiten des Betriebs, an seine sozialen Normen, sonst ist man schnell draußen und hungert wieder, oder man kommt erst gar nicht hinein, in den schönen spätkapitalistischen Arbeitsmarkt.

Mit der Erwerbsarbeit verdient man das Geld für seine Lebens-Mittel, demnach für das, was man Konsum nennt und wovon man vieles, etwa Essen, einfach zum persönlichen Überleben braucht.

Als Konsument ist man auf den ersten Blick freier als am Arbeitsplatz, nicht so sehr Sklave der Umstände wie dort. Man ist zwar vom Marketing heftig umworben bis genervt und kann sich zwischen Premiummarken, Diskontwaren und Ökoprodukten entscheiden. Glaubt man selbst zumindest. In Wahrheit sind es natürlich oft die Gruppen in denen man sich bewegt oder die man imitieren will, welche vorgeben, was einer oder eine wie und wo kauft. Kompensatorischer und demonstrativer Konsum spielen eine bedeutende Rolle - aber immerhin muss man bei Moden, Lebensstilen und Blingbling nicht sklavisch mitmachen, ohne zu hungern, das ist ein essentieller Unterschied zum Verhaltenszwang am Arbeitsplatz.

Mit den Pseudosharing-Systemen à la Airbnb wird das jetzt aber anders. Auch außerhalb der Arbeit, früher war das "Konsumzeit" oder Freizeit, heißt es nun arbeiten: verkaufen, vermarkten, sich umsehen, ganz rasch antworten, falls jemand das angebotene Zimmer will, denn der Gast ist anspruchsvoll und erwartet rasche Reaktion. Und gute Bewertungen der Konsumenten sind notwendig, soll der eigene Konsum (die Wohnung) durch andere (mit dem einen Gästezimmer) kofinanziert werden. Derartiger Ko-Konsum wird zur Arbeit beim Konsum, in der Freizeit. Ähnlich ist es ja mit Uber, wo das System funktioniert. Vielleicht sind dann das nächste große Ding kaufbare Sozialkontakte und mietbare Anerkennung, sozusagen eine weniger intime Form von Prostitution.

Man wird sehen. Klar ist, solches kommerzielles Sharing modifiziert jedenfalls - fortgedacht - die Menschen zu Unternehmer, zu Verkäufern auch außerhalb der Erwerbsarbeit, die Wettbewerbsideologie hält weiter Einzug ins private Leben und wird dabei zum universellen Prinzip auf allen Ebenen.

Natürlich, viel am herkömmlichen Konsum hatte bislang schon, neben einer persönlichen Genussdimension, etwa sich an einer Mahlzeit und einer Flasche Wein zu erfreuen, auch mit parvenü- und schnöselhaftem Vergnügungswettbewerb, also Geltungskonsum zu tun, aber immerhin ging es dort um (mit Waren erkaufte) soziale Anerkennung. Der moderne neue Sharing-Mensch macht hingegen Verkaufen: Gelderzielen auch beim Konsum zum Lebensinhalt.

Alles Kommerzialisierung ...

Das ist bei den kostenlosen, echten Sharingformen (wie noch bei Couchsurfing) oder beim selbstorganisierten Teilen (unser anfangs erwähnter Rasenmäher) sicherlich anders. Da stand ein Interesse am Kennenlernen anderer Menschen oder am gemeinsamen Geld- und Umweltsparen im Vordergrund und nicht am Verkaufen und Geldverdienen.

Im Kapitalismus jedoch werden anlaufende Trends rasch aufgenommen und dann in kommerzielle Verwertungsmaschinen gesteckt. Das war bei allen neuen, auch bei den als alternativ gedachten Erscheinungen bis hin zu Bekleidungstrends so - ein schickes, selbstinszeniertes Outfit auf der Straße gesehen und ein paar Wochen später bei den Modeketten gelandet. Wenn dabei was über das Internet läuft, geht es noch schneller, und keine Sorge: die kommerziellen Spürhunde, die Trendscouts sind kontinuierlich und überall unterwegs.

… und Zerstörung

Bis heute wird so ein kommerzielles Verwerten sozialer, nichtkommerzieller Ideen von Mainstream-Ökonomen wohlwollend als "schöpferische Zerstörung" bezeichnet. Anders gesagt: Profitdenken vernichtet echtes Teilen, Geschäft zerstört Soziales, Verwertung lässt Gemeinschaft verschwinden.

Bei Google verkauft bekanntlich der brave, schüchterne Nutzer auch etwas, nämlich alle seine offenbarten Daten - und er bekommt allemal was dafür, nämlich die gewünschten und vielleicht nur ein bisschen kommerziell getrimmten Suchergebnisse. Wirklich gratis ist im Kommerz nichts. Vielleicht sollte man gerade deshalb für die echten Tauschplattformen mehr Sympathie empfinden, sie unterstützen und ihnen damit zu etwas mehr Wirksamkeit verhelfen. Es ist eine zu hübsche Idee, um sie unter dem Müll des Kommerziellen begraben zu lassen.