"Sie sind der erste Journalist seit zehn Jahren, der mir überhaupt solche Fragen stellt."
Seite 4: "Die Leute, die uns mit Schmutz bewerfen"
Nur zu!
Mehmet Alparslan Çelebi: Die Ansage, von diesen Leuten, die uns mit Schmutz bewerfen, ist doch ganz klar: "Nur unsere Leute kommen weiter und alles, was ihr macht, werden wir torpedieren." Es wird jedes mögliche Label in den Raum geworfen, damit wir ja nicht dazugehören: Ob es "politischer Islam" ist, "Erdogans Kettenhund", "Graue Wölfe"… Jeder Verband bekommt sein Label, damit sie uns ja im Zaum halten. Und wir werden bluten. Es wird dazu führen, dass unsere Organisationen immer mehr geschwächt werden. Genauso wollen sie es ja auch haben.
Haben Sie dennoch einen Plan, wie Sie aus der Krise wieder herauskommen könnten?
Mehmet Alparslan Çelebi: Wir haben Gespräche mit dem Verfassungsschutz und dem Innenministerium geplant. Wir wollen ein wissenschaftliches Gutachten von einem nicht-muslimischen anerkannten Professor über uns erstellen lassen. Wir werden auch den rechtlichen Weg gehen - wenn nötig bis zum Verfassungsgericht. Wir werden alle demokratischen Wege bestreiten und versuchen unsere wichtige Arbeit weiterzuführen wie die letzten 33 Jahre auch.
Was steht denn momentan an Arbeit an?
Mehmet Alparslan Çelebi: Das wichtigste Thema ist momentan die Imamausbildung. Wir haben einen Generationswechsel. Unser Anspruch ist, dass Moscheen für alle offen sind. Wir wollen einen deutschsprachigen Islam etablieren und unser Imame langfristig in Deutschland ausbilden.
Für uns gibt es nichts besseres als Imame, die in Deutschland geboren, hier groß geworden, sozialisiert und der deutschen Sprache perfekt mächtig sind. Wir wollen Imame, die ihren kulturellen Background mitbringen, aber auch in der deutschen Realität verwurzelt sind. Ich denke alle Verbände haben den selben Wunsch. Diese Imame sind gegenwärtig leider Mangelware.
Die zweite große Baustelle ist immer noch die Anerkennung als Religionsgemeinschaft auf den verschiedenen Ebene. Damit kommen dann andere Sachen, die zu den Privilegien von Religionsgemeinschaften gehören wie bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht. Durch die Kriminalisierung der Verbände ist auch das ins Stocken geraten.
Bis auf die Ahmadiyya ist nach wie vor kein muslimischer Verband in irgendeinem Bundesland anerkannt. Keiner der vier großen Verbände ist als Religionsgemeinschaft anerkannt, obwohl sie bestimmt 90 Prozent der Moscheen vertreten. Das ist im europäischen Vergleich schon sehr beschämend.
Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Sie im jetzigen politischen Klima dabei Fortschritte werden machen können? Sagen wir: auf einer Skala von 1 bis 10.
Mehmet Alparslan Çelebi: [lacht]. Also wenn wir den Trend von heute fortschreiben, dann vielleicht eine drei. Der Trend ist schon sehr negativ. Das betrifft ja nicht nur Muslime: Wir haben den Aufschwung rechter Parteien.
Heute können Sachen gesagt werden, die vor 15 Jahren niemals hätten gesagt werden können. Wir haben rechtsextreme Anschläge und Angriffe auf Religionsstätten und Flüchtlingsheime. Trotzdem liegt das Hauptaugenmerk der Sicherheitsbehörden auf muslimischen Organisationen. Das bereitet einem schon Sorge.