Sind die großen US-Medien wie die New York Times ein Sprachrohr des Sicherheitsapparats?
Die Geschichte über die Angriffe des Cyberkommandos auf das russische Stromnetz scheint die Komplizenschaft der "freien Presse" zu bestätigen, wenn es um nationale Sicherheit geht
Vor wenigen Tagen veröffentlichte die New York Times (NYT) einen Artikel, in dem aufgrund von anonymen Quellen aus der Regierung dargelegt wurde, dass das Cyberkommando des Pentagon verstärkt Cyberangriffe auf das russische Stromnetz und andere Einrichtungen ausführe. Als Teil des "digitalen Kalten Kriegs" zwischen Russland und den USA würden nun "Cybertools" aggressiver als bislang eingesetzt, nachdem US-Präsident Donald Trump die Einsatzregeln im September 2018 gesenkt hat (Vor einem Cyberwar? USA legen "Cyberminen" im russischen Stromnetz). Schon zuvor hatte Sicherheitsberater John Bolton erklärt, dass hier die Obama-Regierung zu "passiv" gewesen sei und dass man nun offensiv zurückschlagen werde.
Schon Ende des letzten Jahres hatten die berüchtigten anonymen "Offiziellen", die gerne die Medien bedienen oder eher: instrumentalisieren, erklärt, es würde ein Cyberangriff auf Russland geplant (Angeblich bereitet das Pentagon einen Cyberangriff auf Russland vor). Im Februar soll dann ein Angriff auf das Computernetz der russischen "Trollfabrik" diese kurzzeitig ausgeschaltet haben. Und jetzt kam also mit dem sich hochschaukelnden Konflikt mit dem Iran die über die NYT vermittelte Warnung an Moskau, dass das Cyberkommando ins russische Stromnetz eingedrungen sei und dort Schadprogramme eingebracht hat, die im Ernstfall aktiviert werden könnten.
Russland sprach zwar von zahlreichen Cyberangriffen, die aber hätten abgewehrt werden können. Das Stromnetz sei sicher. Donald Trump reagierte höchst verärgert und nannte die Veröffentlichung der Cyberangriffe einen "virtuellen Verrat" der "einst großen Zeitung, die so verzweifelt auf eine Story, auf jede Story ist, auch wenn sie für unser Land schlecht ... UND AUCH NICHT WAHR ist!" Die Frage bleib freilich offen, warum Trump von einem Verrat sprach, wenn die Story nicht stimmt.
NYT hat sich abgesichert
Die NYT fand es beunruhigend, des Verrats bezichtigt zu werden. Sie postete am Tag darauf einen Tweet und erklärte, Medien des Verrats zu beschuldigen, sei "gefährlich". Was sie nicht schrieb, dass mit Assange gerade ein Fall vorliegt, bei dem es wegen der Veröffentlichung von Informationen um Verrat und hohe Gefängnisstrafen, wenn nicht um die Todesstrafe geht. Aber damit will man wohl nichts zu tun haben. Man wies vielmehr darauf hin, dass, wie in dem Artikel auch stehen würde, dass "Präsident Trumps eigene Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats gesagt haben, es gäbe keine Probleme". Sie werden nicht beim Namen genannt, wollten auch nicht wie Sicherheitsberater Bolton und General Nakasone, NSA-Chef und Chef des Cyberkommandos, einen Kommentar abgeben.
Das kann die Frage entstehen lassen, ob Trump erbost über die NYT oder über diejenigen vom Weißen Haus war, die der Zeitung anonym die Informationen, die angeblich nicht stimmen, zukommen ließen, diese also leakten. Es bleibt auch erst einmal offen, ob Trump von den Cyberangriffsprogramm, sofern es dieses geben sollte, wusste oder dieses ohne seine Einwilligung durchführten. Das könnte Trump auch deswegen stören, weil er ja weiterhin auf Verständigung mit dem russischen Präsidenten Putin hofft, den er auf dem G20-Gipfel treffen wird.
Interessant ist aber auch ein Vorwurf von Ben Norton, der in Grayzone schreibt, die NYT habe mit dem Tweet zugegeben, Artikel vor der Veröffentlichung an die US-Regierung zu schicken, um diese von "national security officials" genehmigen zu lassen. Verwiesen wird auf den ehemaligen NYT-Journlaisten James Risen, der 2018 zu Intercept ging und der NYT vorwirft, mit der Regierung und den Geheimdiensten zu kooperieren, was zur Unterdrückung von Beiträgen über heikle Themen führt.
So seien von ihm wichtige Artikel über die nationale Sicherheit nach 9/11 im Verein von Regierung und führenden Redakteuren unterdrückt worden. Beispielsweise die Aufdeckung des Programms zum Abhören ohne richterliche Genehmigung, für die Risen schließlich 2006 den Pulitzer Preise gewonnen hat, nachdem die NYT die Veröffentlichung um ein Jahr hinausgezögert hatte, bis er von dem Lauschprogramm in einem Buch schrieb. Die Story hätte vor der Präsidentschaftswahl 2004 vielleicht den knappen Wahlsieg von Bush über Kerry gefährden können. Aber auch vor dem Irak-Krieg unterdrückte die NYT Berichte über Lügen der Regierung über Massenvernichtungswaffen oder die angebliche Verbindung von Hussein mit al-Qaida.
Es habe des Öfteren Treffen von Redakteuren mit Mitarbeiter des Weißen Hauses und der Geheimdienste gegeben. Die Beeinflussung sei auch in der Zeit der Obama-Präsidentschaft weitergegangen: "I think Obama was every bit as anti-press as Bush was", sagte Risen. Unter Obama seien auch mehr Whistleblower als zuvor strafrechtlich verfolgt worden. Es habe sich zwar später ein wenig verbessert, aber es habe so etwas wie eine "informelle Absprache" zwischen dem Staat und den Medien geben. Regierungsmitarbeiter würden regelmäßig und heimlich mit den Medien verhandeln, um die Veröffentlichung von Artikeln zu verhindern, die für die nationale Sicherheit schwierig sind.
"Symbiotisches Verhältnis"
Norton sagt, der Tweet der NYT entlarve, dass die Zeitung ein "symbiotisches Verhältnis zur US-Regierung" habe. Nun könnte man sagen, die Zeitung befolge das journalistische Gebot, bei denjenigen nachzufragen, über die man berichtet, um beide Seiten der Geschichte darzustellen. Allerdings ist in dem Fall die Lage doch etwas anders, wenn Mitarbeiter der Regierung anonym Informationen durchstecken und die dann offiziell noch einmal Stellung nehmen zu lassen. Wenn die Regierungsmitarbeiter schon Informationen anonym durchstecken, werden sie kaum dazu bereit sein, das zu kommentieren. Normalerweise kommen die Informationen von außen oder etwa von Whistleblowern.
In dem Zusammenhang führt Norton einen interessanten Artikel von Marc Thiessen, ein Kolumnist der Washington Post, an, der erklärte, Assange sei kein Journalist, sondern ein Spion, der ins Gefängnis gehört. Im Unterschied zu "anerkannten Nachrichtenmedien gab Assange", so schrieb er als Begründung, "der US-Regierung nicht die Gelegenheit, die geheimen Informationen zu prüfen, die WikiLeaks veröffentlicht wollte, so dass sie Einwände der nationalen Sicherheit machen konnten". Deswegen hätten "verantwortliche Journalisten" auch nichts zu befürchten, was auch heißt, man ist nur dann Journalist, wenn man mit der Regierung konspiriert und Berichte abklärt - und die nationale Sicherheit, was immer darunter fallen mag, schützt. Das war auch schon in Zeiten des Kalten Kriegs so, als Journalisten häufig mit der CIA kooperierten.
Wir hatten bereits die NYT in dem Telepolis-Artikel über die angeblichen Cyberangriffe auf Russland als Sprachrohr des Sicherheitskomplexes bezeichnet: "Die Rolle der Medien, die für politische Interessen instrumentalisiert werden, wird von der NYT nicht einmal erwähnt, geschweige denn hinterfragt, was sie wieder einmal zum Lautsprecher politischer Interessen macht, aber nicht zu einem kritischen Medium. Die Vernetzung der US-Mainstreammedien mit dem militärisch-industriellen Komplex, der auf Konflikt setzt, wird damit erneut bestätigt."
Norton kommt aufgrund der Nähe der großen Zeitung zum Sicherheitsapparat zum selben Schluss: "Diese Schichten der staatlichen Manipulation, der Zensur und selbst der direkten Einwirkung auf die Nachrichtenmedien zeigen, dass die NYT und andere Medien, so sehr sie auch behaupten, unabhängig zu sein, de facto als Sprecher für die Regierung dienen - oder zumindest für den amerikanischen Staat der nationalen Sicherheit." Gerade im Fall von Trump hatte sich gezeigt, dass Geheimdienste und Medien auch gegen den Präsidenten an einer Strippe ziehen. Das könnte auch in diesem Fall so gewesen sein. Man kann sich kaum eine innige Zusammenarbeit zwischen Trump und seinem engsten Kreis mit der NYT vorstellen, die ihn fortlaufend kritisiert, während er sie als Fake News und untergehendes Medium bezeichnet. Aber wer weiß, was im Interesse der nationalen Sicherheit als Show für die Öffentlichkeit inszeniert wird.
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