Sind gezielte Tötungen mit Drohnen Selbstverteidigung oder Mord?
Der Tötungsbefehl des US-Präsidenten für einen islamistischen Prediger in Jemen, der US-Bürger ist, führt zu Diskussionen über rechtliche Grundlagen
Der Einsatz von bewaffneten Drohnen zur Jagd und Tötung von vermeintlichen Terroristen außerhalb der USA kommt allmählich in den USA in die Kritik, allen voran hat die Bürgerrechtsorganisation ACLU das Thema auf aufgebracht (Verstößt der US-Drohnenkrieg gegen internationales Recht?). Besonders heikel wird betrachtet, dass US-Präsident Obama im April den Befehl an die CIA gegeben hatte, den islamistischen Prediger Anwar al-Awlaki mit einer Drohne zu töten, sollte er entdeckt werden (Mit US-Drohnen soll islamistischer Prediger im Jemen getötet werden). Al-Awlaki hält sich nicht nur in Jemen auf, in den die USA nicht offiziell einen Krieg führen, zudem ist der bekannte Prediger ein US-Bürger.
Ende April gab es in einem Kongressausschuss bereits eine Anhörung darüber, ob die Tötung von Menschen mittels ferngesteuerter Flugzeuge legitim sei. Zuvor hatte der Rechtsberater des US-Außenministers, Harold Hongju Koh, Ende März auf der Jahrestagung der American Society of International Law versichert, dass der Einsatz von Kampfdrohnen zur Tötung von Menschen von allen nationalen und internationalen Gesetze gedeckt sei.
Da al-Qaida weiterhin die USA angreifen wollen, habe diese das Recht zur Selbstverteidigung, wozu auch das gehöre, einzelne al-Qaida-Mitglieder zu töten. Das habe der Kongress nach dem 11.9. bewilligt. Nach internationalem Recht seien Mitglieder einer organisierten bewaffneten Gruppe legitime militärische Ziele, unabhängig davon, mit welchen Waffensystemen sie getötet werden, sofern nicht Zivilisten unnötig ins Visier geraten. Die Kritik, dass gezielte Tötungen von einzelnen Menschen nicht legal seien, konterte der Rechtsvertreter damit, dass in einem bewaffnetem Konflikt oder im Rahmen der Selbstverteidigung es nicht erforderlich wäre, einen Prozess gegen einen Gegner zu führen, bevor man ihn tötet. Die Methoden, wie Menschen identifiziert würden, um sie legitim töten zu können, seien "robust". Die gezielte Tötung mit legitimen Waffen würde auch nicht dem nationalen Verbot von Mordanschlägen unterliegen.
Das ist alles sehr vage geblieben. In der Anhörung des Repräsentantenhauses stellte sich die Mehrheit der Experten hinter die Legitimität der gezielten Tötungen von angeblichen Terroristen oder Aufständischen auch in Nicht-Kriegsgebieten wie Pakistan oder Jemen. Verdächtige in London oder Berlin würden nicht mittels Drohnen getötet werden, das sei nur eine Fiktion. Eine Möglichkeit ist auch zu sagen, dass das Kriegsrecht nicht auf die neuen Kriege gegen nichtstaatliche Gegner zutreffe.
Einige Experten würden hingegen gezielte Tötungen mit Drohnen auf Kriegsgebiete wie Afghanistan beschränkt. Tötungen von Menschen im Jemen wären hingegen illegal, selbst wenn die dortige Regierung dies genehmigt, weil diese das überhaupt legal erlauben dürfe, was auch mittels einer strafrechtlichen Verfolgung gemacht werden könne. Die Frage allerdings ist, ab wann ein Staat die USA einladen kann, um legal in einen militärischen Konflikt einzutreten, der dann auch die Verwendung von Drohnen erlaubt. In Frage gestellt wurde zudem, ob es legitim sein könne, wenn CIA-Mitarbeiter die Angriffe ausführen, schließlich könnte daraus abgeleitet werden, dass auch Geheimdienstmitarbeiter anderer Staaten ähnliche Jagd- und Tötungsmissionen weltweit beginnen könnten. Die Experten stimmten nur darin überein, dass der Einsatz bewaffneter Drohnen zur gezielten Tötung klar und eindeutig von der Regierung und dem Kongress geregelt werden müsste.
Während die Rechtsexperten also allgemein die gezielte Tötung aus der Ferne für legitim halten, macht die Erlaubnis von Präsident Obama, den US-Bürger al-Awlaki zum Abschuss freizugeben, manchen doch Unbehagen, wie die New York Times berichtet. Noch paradoxer ist, dass die Geheimdienste erst eine Gerichtsanordnung erwirken müssen, um seine Telefonanrufe abhören zu dürfen, aber keinerlei Rechtsprüfung notwendig sein soll, um ihn zu töten. Al-Awlaki gilt hat zum Krieg gegen die USA aufgerufen, soll mit seinen auch über das Internet verbreiteten Predigten und Anweisungen Rekruten für Terroranschläge werben und selbst als mutmaßliches al-Qaida-Mitglied hinter Anschlagsplänen wie dem auf das Flugzeug am 25. Dezember stehen.
Der demokratische Abgeordnete John Tierney, der den Ausschuss über die Legitimität von bewaffneten Drohnen geleitet hat, will angesichts von al-Awlaki auf der Todesliste geklärt wissen, welche Rechte ein Bürger hat und welche Schritte erfolgen müssen, um ihn auf die Liste zu setzen. Als problematisch gilt besonders, weil in Jemen kein Krieg geführt wird, in den die USA verwickelt ist, und weil völlig unklar ist, nach welchen Kriterien jemand auf die Todesliste kommt. Wenn die gezielte Tötung eines Menschen erlaubt sein sollte, so etwa ein ehemaliger CIA-Rechtsexperte, dann müsste zweifelsfrei festgestellt worden sein, dass es sich tatsächlich um einen "feindlichen Kämpfer" handelt.
Regierungsangehörige erklärten gegenüber der Zeitung, dass eine Festnahme mit der Hilfe der jemenitischen Sicherheitskräfte nicht notwendig sei und berufen sich dabei auf das juristisch fragwürdige Konzept der Prävention: "Wenn wir gefährliche Terroristen, die sich in entlegenen und für US-Truppen, Strafverfolgung und jede Zentralregierung unzugänglichen Orten verstecken, stoppen müssen, was soll man dann tun? Sich die Ohren zuhalten und auf eine wirklich verheerende Explosion auf dem Times Square warten?" So argumentiert, würde man das Ausnahmerecht auf Dauer stellen und den demokratischen Rechtstaat sowie die Menschenrechte aushebeln.