Mit US-Drohnen soll islamistischer Prediger im Jemen getötet werden

Im April soll US-Präsident der CIA die Eliminierung des Predigers und US-Bürgers Al-Awlaki befohlen haben

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Anfang April hat die US-Regierung den islamistischen Prediger und US-Bürger Anwar al-Awlaki, der sich seit 2004 in Jemen aufhält und sich bei seinem Stamm in den Bergen von Shabwah verstecken soll, zum Töten freigegeben. Er steht nun auf der Liste der Menschen, die von der CIA gejagt und durch "gezielte Tötung" eliminiert werden sollen – wie es Praxis der US-Regierung nach dem 11.9. wurde. Auch für Afghanistan, den Irak und Pakistan werden mutmaßliche Terroristen oder andere Verdächtige, die für gefährlich oder einflussreich gehalten werden, auf solche "Kill-and-capture"-Listen gesetzt, wobei man nach den Schwierigkeiten mit Gefangenen offenbar eher auf das Töten setzt (US-Strategie: Lieber töten, als Gefangene machen).

Al-Awlaki wird bezichtigt, hinter dem Massaker von Major Nidal Malik Hasan in Fort Hood im letzten Jahr zu stehen, der 12 Soldaten tötete und 30 verletzte, und für den gescheiterten Anschlag auf ein Flugzeug in Detroit verantwortlich zu sein, den der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab an Weinachten begehen wollte. Vermutet wird auch, dass er die Selbstmordattentäter vom 5. Juli 2005 in London inspiriert haben könnte. Videos seiner Predigten gibt es im Internet, sie zirkulieren ebenso in islamistischen Kreisen wie seine Anleitung zum Führen des Heiligen Krieges, die er letztes Jahr geschrieben hat.

Anwar al-Maliki ist mit seinen über das Internet verbreiteten Predigten, Ansprachen und Texten weltweit präsent

Der in den USA aufgewachsene Prediger, der al-Qaida zugerechnet wird, versucht Menschen in den westlichen Ländern zur Beteiligung am terroristischen Dschihad aufzurufen und wird daher von der US-Regierung als besonders gefährlich erachtet. Im März hatte er amerikanische Muslime zu Anschlägen aufgefordert. Mitte April rief er erneut zum Kampf gegen die USA auf und bezichtigte die jemenitische Regierung des Verrats. Er wies die Beschuldigungen zurück, an den beiden Anschlägen beteiligt zu sein und fragt rhetorisch, ob er beschuldigt werde, die Wahrheit gesagt zu haben, als er zum Dschihad und zur Verteidigung der "islamischen Nation" aufrief.

Vermutet wird, dass al-Awlaki auch hinter dem versuchten Selbstmordanschlag auf den britischen Botschafter im Jemen steht. Am 26. April zündete der 22-jährige Student Othman Ali al-Selwi seine Sprengstoffweste, als er zum gepanzerten Fahrzeug des Botschafters in einer der engen Straßen in Sana'a vordringen konnte. Der Wagen wurde nur leicht beschädigt, der Botschafter blieb unverletzt, nur der Attentäter kam ums Leben, drei Passanten wurden leicht verletzt. Der missglückte Anschlag galt als Zeichen dafür, dass al-Qaida geschwächt sei, nachdem die Regierung, unterstützt durch die USA, die jemenitische Terrororganisation bekämpft und mutmaßliche Mitglieder getötet oder eingesperrt hat. Al-Selwis Anschlag wird daher als Racheaktion interpretiert.

Ob es zwischen der Gruppe, der al-Selwi angehört hat, und al-Awlaki wirklich eine Verbindung gibt, ist ebenso ungewiss wie die Art der Verbindung des Predigers mit al-Qaida in Jemen. Ungewiss ist auch, ob sich al-Awlaki und andere Al-Qaida-Führer überhaupt noch im Jemen aufhalten ("Wir kommen, um euch hinzuschlachten"). Nach Gerüchten könnten sich diese nach Somalia abgesetzt haben, wo islamistische Gruppen große Teile des Landes und der Hauptstadt Mogadischu kontrollieren. Angeblich sollen nun aber weitere bewaffnete US-Drohnen in den Jemen verlegt worden sein, um al-Awlaki zu aus der Ferne aufzuspüren und zu töten.

Hinter der Lizenz zum Töten soll US-Präsident Obama selbst stehen, der sich damit – und überhaupt mit dem ausgeweiteten Einsatz von Drohnen, um mutmaßliche Terroristen oder Aufständische zu töten – auf möglicherweise gefährlichem Terrain begibt. Schließlich handelt es sich - auch wenn die "befreundeten" Staaten, in denen die Mordanschläge begangen werden, keine Anklage erheben werden - bei den "gezielten Tötungen" um Mordaufträge (Verstößt der US-Drohnenkrieg gegen internationales Recht?). Sie könnten möglicherweise als Kriegsverbrechen gelten, da sie weder rechtsstaatlich noch nach internationalem Recht legitim sind. Besonders heikel ist der Fall al-Awlaki deswegen, weil die USA im Jemen keinen Krieg führen und dieser ein US-Bürger ist. Er wurde auch nie direkt angeklagt.

Ob vermeintliche Gegner oder Terroristen mittels Drohnen oder direkt durch anwesende Menschen getötet werden, sollte eigentlich keinen Unterschied spielen. Einen großen Aufschrei gab es, als der Hamas-Führer Mahmoud al-Mabhouh von Dutzenden von israelischen Agenten in einem Hotel in Dubai ermordet wurde (Auftragsmord in Dubai). Die Mörder hatten ihn zunächst betäubt, um ihn dann zu ersticken. Vermutlich sollte der Mord als natürlicher Tod erscheinen. Die Israelis hatten aber das Pech, den Mord in einem nicht befreundeten Land auszuführen und entdeckt zu werden. Findet man hingegen Regierungen wie in Pakistan oder Jemen, die gezielte Tötungen decken, dann scheinen solche Morde keine Konsequenzen zu haben – die mit den USA befreundeten Staaten, die angeblich Menschenrechte schützen, ducken sich weg, als Kläger gegen die Unrechtspraxis scheint man hier nicht auftreten zu wollen, so dass die Praxis gebilligt wird. Immerhin hat die Bürgerrechtsorganisation ACLU nun eine Diskussion über die gezielten Tötungen mit Drohnen angestoßen. Im Repräsentantenhaus fand letzte Woche eine erste Anhörung zum Thema statt.

The U.S. is engaged in non-international armed conflict in Afghanistan and Iraq and the lawfulness of its actions must be judged in that context. The program that you have reportedly authorized appears to envision the use of lethal force not just on the battlefield in Iraq, Afghanistan, or even the Pakistani border regions, but anywhere in the world, including against individuals who may not constitute lawful targets. The entire world is not a war zone, and wartime tactics that may be permitted on the battlefields in Afghanistan and Iraq cannot be deployed anywhere in the world where a terrorism suspect happens to be located. Your administration has eschewed the rhetoric of the "Global War on Terror." You should now disavow the sweeping legal theory that underlies that slogan.

Brief von ACLU an US-Präsident Obama