Solarboom in China: Läuft Europa erneut in die Protektionismus-Falle?

Seite 2: Als Zehntausende Solar-Jobs über die Wupper gingen

Eigentlich könnte man es wissen. Die EU hatte schon einmal, und zwar zwischen 2013 und 2018, für chinesische Solarmodul-Importe faktische Beschränkungen eingeführt. Fünf Jahre lang wurden mit einem Mindestpreis für neue Solaranlagen deren Kosten künstlich hochgehalten. Zugleich wurde in Deutschland, dem bis dahin weltweit wichtigsten Markt, die Förderung für neue Anlagen abrupt und drastisch gesenkt. Begründung: Der Solarstrom wäre zu teuer.

Das Ergebnis dieser schizophrenen Industriepolitik war desaströs: Nicht nur in der jungen Solarindustrie, sondern auch im Handel, im Handwerk und bei den Herstellern von Wechselrichtern wurden Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet und technisches Know-how in alle Winde verstreut.

Eigentlich logisch, dass man angesichts solcher Politik unbedingt einen externen Sündenbock braucht, auf den man die Schuld schieben kann. Vermeintliche oder tatsächliche chinesische Subventionen bieten sich da immer wieder an, wenn man nicht über die eigenen Fehler – und die eigenen klimaschädlichen Subventionen – sprechen will.

Überhaupt stellt sich die Frage, weshalb Europa sich aufregen sollte, wenn China tatsächlich seine Solarindustrie subventioniert. Immerhin würde damit chinesisches Kapital transferiert, das hiesigen Anlagenbesitzern zugutekäme. Außerdem sind Solaranlagen inzwischen so billig, dass der größere Teil der mit ihrer Installation verbundenen Wertschöpfung ohnehin im Handwerk und bei den Herstellern der zusätzlichen Ausrüstung anfallen. Günstige chinesische Importe sind also eine Form der Förderung der hiesigen Wirtschaft.

Vor allem aber sind günstige Solaranlagen Voraussetzung für einen möglichst raschen Umbau der Energieversorgung. Insbesondere natürlich in Verbindung mit mehr Speichermöglichkeiten, aber auch hier sollten wir froh über die chinesische Industriepolitik sein.

In der Volksrepublik wurde nämlich schon frühzeitig die strategische Bedeutung der Akku-Technik erkannt und massiv in Entwicklung und den Aufbau von Massenproduktion investiert. Entsprechend sind in den vergangenen etwas mehr als zehn Jahren die Kosten um über 80 Prozent gesunken.

Wobei China übrigens anders als Europa nicht einseitig auf Lithium-Ionen-Akkus setzte, sondern, wie berichtet, auch Produkte mit weniger problematischen Rohstoffen entwickelt.

Von all dem abgesehen haben chinesische Unternehmen längst begonnen, in anderen Ländern Solarfabriken aufzubauen. So spielen inzwischen Solarzellen in Vietnam und Malaysia eine wichtige Rolle im Außenhandel. Die EU müsste also auch gegen diese Länder vorgehen, wenn sie kostengünstige Importe eindämmen wollte.

Das würde wiederum Probleme mit der Asean, der Allianz Südostasiatischer Nationen, heraufbeschwören, die sich in den letzten Jahren ebenfalls zu einem wichtigen Handelspartner der Union gemausert hat.

Man könnte also fragen, ob die EU gerade in die Protektionismus-Falle läuft, und dabei ist, nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der eigenen Außenwirtschaft zu schaden.