Soldaten wie Du und Ich

Seite 2: TV Total-geschult

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Es folgen: Stube beziehen, frühes Wecken um fünf Uhr, erste Lektionen, natürlich alles ganz cool, ganz lässig. Der Soldat, der den Rekruten die Grundstellung erklärt und dass sie mit "Jawohl" zu antworten haben, ist der "Verhaltenscoach". Der "Bockbau-Experte" erklärt, wie Betten beziehen (Bock bauen im Bundeswehr-Jargon) geht. Es folgt, natürlich, die "Bockbau-Challenge". Die zwei Teams, die gegeneinander antreten, haben auch coole Namen: Das eine heißt "Good Guys", und zwar nur deshalb, weil das andere dann "Bett Guys" heißen kann. Also wie Bad Guys - Spitzen-Gag, Tusch.

Man merkt, dass die Macher nicht zuletzt von Medienformaten wie Stefans Raabs TV Total gelernt haben. Als Jerome einmal seinen Redeschwall mit Jugendwörtern wie "Alda" und "Digger" mischt, zählt die Regie mit (es endet 3 zu 4). Auch ein T-Shirt mit Bob Marley und Joint auf dem Kasernengelände entgeht der Kamera nicht und wird ganz TV-Total-mäßig beim Drogentest noch mal hervorgehoben.

Mit einem Fitnesstest sind die ersten sieben Tage "Die Rekruten" vorbei. Als ein Matrose den Klimmhang mehr als die vorgeschriebenen fünf Sekunden halten kann, stellt ihn die Regie mit der Beschreibung vor: "hängt auch in seiner Freizeit gerne ab". Mal sehen, ob die Bundeswehr diesen Humor noch über zweieinhalb Monate durchhält.

Unterschiedlicher Erfolg

Bei YouTube haben inzwischen 160.000 User die Rekruten abonniert. Mit dem reißerisch "Kulturschock" betitelten Video schafft es die Bundeswehr auf mehr als 630.000 Aufrufe. Dazu kamen damals 3600 Kommentare. Solche Spitzenwerte konnte kein weiteres Video mehr erreichen. Die Zahl der User ist nach einer Woche schon kräftig zurückgegangen: Die "Bordtauglichkeitsprüfung" an Tag 5 interessierte nur noch rund 170.000 User.

In der Bewertung weht der Bundeswehr ein eisiger Wind entgegen. Ca. 8500 Nutzer stimmten bei "Kulturschock" zwar mit "Mag ich", aber fast 6500 klickten "Mag ich nicht". Später verbesserte sich das Verhältnis zugunsten der Bundeswehr. An Tag fünf kamen auf 7.700 positive Bewertungen rund 2000 negative, was vermuten lässt, dass Bundeswehr-Gegner schon nach einer Woche von der Fahne gegangen waren und sich das Stuben-Spektakel nicht mehr weiter antun wollten. Es gab auch nur noch 1700 Kommentare.

Schwach bei Facebook

Auf Facebook hat die Bundeswehr-Serie 20.000 Freunde. Nimmt man die hier entscheidende Währung, nämlich wie oft eine Folge geteilt wird, dann muss man die Videos wohl als glatten Fehlschlag einstufen: Einzelne Videos werden kaum geteilt, mal 40 Mal, 10 Mal oder sogar nur einmal. Das kriegen Normaluser ohne Millionenbudget genauso gut und besser hin.

Trotzdem, die Kommentar-Reaktionen bei YouTube waren zahlreich, und das Social-Media-Team der Bundeswehr moderierte fleißig. "Eure Meinungen sind sehr vielfältig, von großem Interesse bis zur absoluten Ablehnung unserer Serie ist alles dabei", kommentierte das "Rekruten-Team", nicht ohne auf Kritik von Usern einzugehen, denen die Kaserne offenbar etwas zu gut eingerichtet vorkam:

"Wir möchten noch einmal betonen, dass die Stuben unserer Rekruten nicht extra für unsere Webserie so ausgestattet wurden, sondern alle Stuben in den Inspektionen in Parow, in denen Grundausbildungen durchgeführt werden diesem Standard entsprechen. Ziel ist es, bis Ende 2018 alle 55.000 Stuben der Bundeswehr mit dieser Ausstattung zu versorgen."

Es fehlt: Töten und Sterben

Doch nicht nur von Usern musste die Bundeswehr Kritik einstecken. Mit einem demonstrativen "Peace" begrüßte der bekannte YouTuber LeFloid am 4. November seine Zuschauer. An den Rekruten ließ er kein gutes Haar: "hässlich, irgendwie scheiße und billig produziert", so sein vernichtendes Urteil. Die Machart sei unter "aller Sau für dieses Riesenbudget", meinte er. Er fragte sich aber auch, was die von den Rekruten beschworenen Werte denn in der Praxis wert sind: "Kameradschaft und die ganzen Werte und Disziplin und so was, das tut bestimmt niemandem was schlechtes - bis er zum ersten Mal angeschossen wird, irgendwo bei einem Auslandseinsatz."

Dass Töten und Sterben bislang nicht vorgekommen sind, kritisierte auch der Militärblogger Thomas Wiegold gegenüber dem NDR-Medienmagazin ZAPP. Herausforderungen und Abenteuer könne man auch beim Technischen Hilfswerk oder der freiwilligen Feuerwehr machen. Leben und Tod - "das muss noch angesprochen werden, da bin ich sehr gespannt, wie das in dieser Folge zur Sprache kommen wird", so Wiegold.