Solidarität als Ideologie: Die "freie Welt" gegen "Putins Russland"
- Solidarität als Ideologie: Die "freie Welt" gegen "Putins Russland"
- Die Freiheit in der Ukraine verteidigen
- Solidarität heißt Waffenlieferungen
- Ein neuer Burgfrieden?
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Philosophische Reflexionen über eine Solidarität, die nicht mehr nur helfen will, sondern zum Waffengang ruft.
Am 24. Februar wachte Europa mit einer Nachricht auf, die kaum jemand für möglich gehalten hatte: Es gebe "erstmals" seit 1945 wieder Krieg auf europäischem Boden. Entsetzen ergriff die Menschen angesichts der Bilder des Schreckens: Durch die Ukraine rollende Panzerbataillone, zerbombte Wohnhäuser, in U-Bahn-Schächten ausharrende Menschen. Sie entfachten eine Welle der Empathie, die eine überwältigende Hilfsbereitschaft in der europäischen Bevölkerung hervorrief.
Am selben Tag noch sprangen aber auch die ideologischen Apparate an und speisten das Entsetzen, die Empathie und die Solidarität in eine Ideologie der "freien Welt" ein. Es waren "wir", die mit der Ukraine angegriffen wurden. Binnen weniger Stunden konstituierte sich eine dichte, von der Realität entrückte Ideologie-Blase, die mit harten moralischen Bandagen eine militärische Antwort der NATO einforderte.
Bald kamen die ersten Stimmen auf, die die Wiederaufrüstung Deutschlands forderten, die am darauffolgenden Sonntag von der Regierung beschlossen und vom Parlament bejubelt wurde. Wer nun noch auf friedenspolitisch informiertem, bedachtsamem Handeln bestand oder gar die imperialistischen Bestrebungen des Westens kritisierte, den traf die Verurteilung, Unterstützer Putins zu sein und den Krieg mitentfacht zu haben.
Ein Angriff auf uns alle
Russlands Angriff auf die Ukraine wird von der Öffentlichkeit der europäischen Staaten als Angriff auf "uns" empfunden und als Angriff auf die "freie Welt" verurteilt. Obwohl die Ukraine zuvor eigentlich als einer dieser kaputten, postsowjetischen Staaten am östlichen Rande Europas galt, von dem unklar war, inwiefern er zum Westen gehört, empfinden seit dem Angriff die überwiegenden Teile der europäischen Bevölkerung die Ukraine als Teil der "freien Welt".
Auf der anderen Seite wird nicht Russland, sondern Putin als der eigentliche Aggressor dargestellt: Putin marschiere in der Ukraine ein; Putin bombardiere ukrainische Wohnhäuser; Putin sei das Leben der ukrainischen Bevölkerung egal; Putin hasse und zerstöre eine "Demokratie". Für das staatliche Handeln Russlands steht stellvertretend der "verrückte" Autokrat Putin, der sein Volk in einen Krieg ziehe, den es gar nicht wolle.
Diese prowestliche und antirussische Ideologie mobilisiert seither große Teile der europäischen Bevölkerung zu einer doppelten ideologischen Praxis: zur Solidarität mit dem ukrainischen Staat, der gar nicht von seiner Bevölkerung unterschieden wird, und damit verkoppelt zur Verurteilung Russlands, oder eigentlich Putins, und dann doch wieder ganz Russlands.
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