Solidarität ist mehr als Händewaschen und Klatschen
Seite 3: "Mobilität für Alle ist systemrelevant"
- Solidarität ist mehr als Händewaschen und Klatschen
- "Viel muss sich ändern - Corona hat es nur für jeden und jede sichtbar gemacht"
- "Mobilität für Alle ist systemrelevant"
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Ein anderes politisches Gebiet, in dem außerparlamentarische Bewegungen vor Corona sehr erfolgreich waren, war die Umweltbewegung. Der Autor dieses Beitrags warnte immer vor zu viel Vorschusslorbeeren für eine Bewegung, bei der noch nicht entschieden ist, ob sie in eine progressive oder irrationale Richtung geht.
Da schien es mir hoffnungsvoll, dass für die Tarifrunde im Öffentlichen Nahverkehr die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Jugendumweltbewegung Fridays for Future kooperieren wollten. Es ging um den gemeinsamen Kampf für den Ausbau des Nahverkehrs und die Zurückdrängung des Automobilverkehrs.
"Mobilität für Alle ist systemrelevant" lautete das Motto auf der Kampagnenseite. Nun hat Verdi die Mobilisierung wegen Corona ausgesetzt. In der Erklärung werden die Bündnispartner aus der Jugendumweltbewegung gar nicht erwähnt. Dafür dominiert die Rhetorik der Burgfriedenspolitik:
Die Corona- Pandemie stellt uns vor große Herausforderungen, die Auswirkungen auf Unternehmen und Gesellschaft sind aktuell nicht absehbar.
In der aktuellen Krise stehen wir alle in den Betrieben vor drängenden Problemen, die nach vollem Einsatz und schnellen Antworten verlangen. Für ver.di steht jetzt im Vordergrund, das Einkommen in der Krise zu sichern, die Gesundheit aller Kolleg*innen im Einsatz zu schützen und allen Mitgliedern und Betriebsräten beratend und unterstützend zur Seite zu stehen.
Aus der Verdi-Erklärung zur Unterbrechung der Tarifkampagne im Nahverkehr 2020
Dabei werden im nächsten Absatz eigentlich die Argumente aufgelistet, die für eine Fortführung der Tarifkampagne gerade jetzt sprechen:
Jetzt zeigt sich, dass der ÖPNV von größter Bedeutung für das Funktionieren unserer Gesellschaft und die Mobilität der Menschen ist. Das gilt besonders für die, die sich kein Auto leisten können und für die Versorgung der Bevölkerung von allergrößter Wichtigkeit sind - Gesundheit, Handel, Rettungsdienste und andere.
Jetzt zeigt sich auch, welche negativen Folgen Privatisierung und Sparzwang in Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge hatten. Wir sind alle auf eine funktionierende Grundversorgung angewiesen, die bezahlbar ist und Menschen vor Profite stellt.
Aus der Verdi-Erklärung zur Unterbrechung der Tarifkampagne im Nahverkehr 2020
Jetzt zeigen sich aber auch die fatalen Auswirkungen einer gewerkschaftlichen Politik der Sozialpartnerschaft und des Burgfriedens. Warum soll nicht gerade in einer Zeit, in der sich die Auswirkungen einer wirtschaftsliberalen Politik zeigen, der Kampf dagegen einfacher sein?
Warum wird der Schulterschluss mit denen gesucht, die für die beklagte Politik verantwortlich sind? Warum wird nebulös über unabsehbare Auswirkungen der Corona-Krise auch auf die Unternehmen geraunt und die Bündnispartner von der Jugendumweltbewegung nicht einmal mit einem Wort erwähnt?
Mit einer solchen Politik der Anpassung sorgt man dafür, dass sich durch die Corona-Krise nichts im Interesse der abhängig Beschäftigten verbessert. Daher ist es positiv, dass sich Stadtteilinitiativen und soziale Bündnisse wie #jetzterstrecht und Care Revolution gerade jetzt mit ihren Forderungen Gehör verschaffen.