Sonne, Mond und Sterne
Wem gehört das Weltall?
Solange man in den Himmel mit seinen Planeten und anderen Körpern nur schauen konnte, war alles kein Problem. Wohin man nicht kommt und wo es nichts zu holen gibt, da braucht man auch nichts zu besitzen und es herrscht Friede. Aber das könnte sich bald ändern, denn die Raumfahrt hat neuen Auftrieb erhalten - und man überlegt begehrlich manchen Ortes, wie man die möglichen Ressourcen des Weltraums ausbeuten könnte. Nachdem Lunar Prospector offenbar Beweise gefunden hat, daß es an den Polen des Mondes Eis gibt, könnte der Wettlauf zum Mond bald beginnen, um sich die Claims für die künftige Nutzung abzustecken.
Schon jetzt kann man billig Claims auf dem Mond, dem Mars und dem Jupiter bei Firmen erwerben. Ob sie den Käufern dann allerdings auch wirklich gehören, ist natürlich mehr als zweifelhaft. So bietet beispielsweise Lunar Embassy für 15,99 Dollar ein Stück Land mit einer Besitzurkunde auf dem Mond an. Bereits über 23000 Eigentümer haben angeblich über die "einzige anerkannte Weltautorität für den Verkauf von Grundstücken auf dem Mond und anderen Planeten" ihr Glück erworben. Die meisten natürlich auf dem Mond, weil man den und damit womöglich sein eigenes Land wenigstens leicht von der Erde aus sehen kann. Nur die Landeplätze der Apollomissionen will man nicht veräußern, da sie der Besitz der gesamten Menschheit bleiben sollten. Wo kein wirkliches Gesetz existiert, können auch Claims wie einst im Wilden Westen abgesteckt werden. Schließlich gibt es nicht einmal Bewohner, die man erst vertreiben muß. Und jeder kann sich auch als Makler präsentieren, der etwas zum Verkauf anbietet, was niemandem gehört. Das alles ist nicht ganz ernst, doch die Privatisierung der Weltraumflüge und dann auch der Weltraumkolonisierung hat bereits begonnen.
So etwa plant SpaceDev im symbolträchtigen Jahr 2000 - möglicherweise in Zusammenarbeit mit der NASA - einen ersten unbemannten Flug zu einem nicht weit entfernten Asteroiden (Near Earth Asteroid Prospector), auf dem man landen will, um zu untersuchen, welche ausbeutbaren Ressourcen hier zu finden wären. Man kann Instrumente mieten und Experimente gegen Bezahlung ausführen lassen und so wichtige wissenschaftliche und geologische Daten sammeln und weiter verkaufen. Überdies will man den Flug versichern, um das Risiko für die Investoren und Kunden zu mindern. SpaceDev versteht sich als Unternehmen, das "eine profitable Weltraumerforschung und Entwicklungsmöglichkeiten" schaffen will, aber auch vorhat, "zugunsten seiner Anteilseigner und der Menschheit den Asteroiden als sein Eigentum zu erklären." So schaffe man einen "Präzedenzfall für Eigentumsrechte im Weltraum, was dazu beitragen könnte, die Öffnung des Weltalls für alle zu beschleunigen."
Während die NASA gegenwärtig noch unbemannte und billige Weltraumflüge wie Lunar Prospector favorisiert, bieten jetzt Firmen nicht nur für jedermann hochaufgelöste Aufnahmen von Satelliten an, sondern auch den ersten Abenteuerurlaub in der letzten unerschlossenen Zone: eben im Weltall. Am 01.01.2001, pünktlich zum Start des nächsten Jahrtausends, plant so Zegrahm Space Voyages den ersten Flug für sechs willige Touristen. Nach einer Vorbereitungszeit von sechs Tagen sollen sie dann zweieinhalb Stunden in Hundert Kilometern Höhe um die Erde kreisen, um den "ultimativen Ausblick" und die "ultimative Erfahrung" der Schwerelosigkeit (für zwei Minuten) zu genießen. Kosten soll der Spaß 98000 Dollar. Reservierungen können bereits gemacht werden. 20 Himmelssüchtige sollen sich schon angemeldet haben. Noch gibt es allerdings kein Fahrzeug, und es ist auch nicht bekannt, von wo die Reise starten soll.
Nicht nur die NASA und amerikanische Firmen planen, den Mond mit seinen Ressourcen auszubeuten, und sei es auch nur, nach dem Erfolg von Pathfinder auf dem Mars, kleine fernlenkbare Fahrzeuge wie Lunar Rover Initiative auf den Mond zu schicken, mit denen man dann von der Erde - gegen Geld selbstverständlich - mit einer VR-Ausrüstung diesen Planeten erkunden kann. Selbst Europa, die Alte Welt, will nicht mehr nur Satelliten abschießen und sich an der internationalen Raumstation beteiligen. Da Lunar Prospector nun Beweise dafür hat, daß es Wasser auf dem Mond gibt, wird die ESA , zumindest nach den Ankündigungen, mit EuroMoon beim Wettrennen um einen Platz auf dem Erdtrabanten mit dabei sein, um im Südpolkrater Ressourcen zu erkunden und möglicherweise eine Raumstation als Tor zu den anderen Planeten zu bauen. Wubbo Ockels, Leiter von EuroMoon: "Das wäre der erste kleine Schritt zum langfristigen Ziel, einen internationalen Außenposten der Menschen auf dem Mond zu schaffen, um dessen natürliche Ressourcen umfassend zu benutzen."
Aus Äußerungen wie dieser läßt sich entnehmen, daß der Weltraum nicht mehr nur wissenschaftlichen oder militärischen Zwecken dient, man nicht mehr nur an einen technischen Spin-Off denkt, sondern daß das Dabeisein auch die Option enthält, nicht von der Ausbeutung der Ressourcen ausgeschlossen zu sein, was aber rechtliche Regeln einschließt. Bereits 1967 wurde das Outer Space Treaty unterzeichnet, das nach den ersten Erfolgen und mitten im Kalten Krieg die Verhältnisse im Weltraum - die "Erforschung und die Benutzung des Weltraums, eingeschlossen den Mond und andere Himmelskörper" - regeln sollte. Der Weltraum wurde zum Eigentum der gesamten Menschheit erklärt, und alle Unternehmen sollten in friedlicher Absicht und zum Nutzen aller Menschen und Länder unabhängig von ihrer wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungsstufe durchgeführt werden. Der Artikel II ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, denn er schließt jede staatliche Inbesitznahme aus: "Der Weltraum, eingeschlossen der Mond und andere Himmelskörper, können nicht durch eine Geltendmachung der Souveränität, durch Gebrauch oder Inbesitznahme oder durch andere Mittel zum Besitz einer Nation erklärt werden." Der gesamte Weltraum sollte ohne jede Diskriminierung allen Staaten offenstehen und in Kooperation erschlossen werden. Grenzen und Besitzmarkierungen waren mithin nicht vorgesehen. Nicht zur Regierung gehörende Organisationen benötigen überdies die Autorisierung des jeweiligen Staates. Weil man aber offensichtlich davon ausging, daß der Weltraum nur aufgrund von staatlichen Leistungen erschlossen werden kann, bezog sich das Abkommen allein auf Staaten, nicht aber auf Privatpersonen oder Unternehmen.
1979 folgte dann das Agreement Governing the Activities of States on the Moon and other Celestial Bodies, ein weiteres internationales Abkommen, das jedoch beim Inkraftreten 1984 nur wenige Unterzeichner fand. Die damalige Sowjetunion und die USA lehnten das Abkommen ab. Im wesentlichen wiederholt dieses Abkommen die grundlegenden Artikel des Outer Space Treaty, fügt aber interessante Einzelheiten zum Thema Besitz im Artikel 11 hinzu: "Weder die Oberfläche noch der Boden unter der Oberfläche des Mondes oder irgendein Teil desselben oder eine hier befindliche natürliche Ressource dürfen zum Besitz eines Staates, einer internationalen Staaten- oder Nicht-Regierungs-Organisation, einer nationalen Organisation oder Nicht-Regierungs-Entität oder einer natürlichen Person werden. Die Plazierung von Personal, Raumfahrzeugen, Ausrüstung, Einrichtungen, Stationen und Installationen auf oder unter der Oberfläche des Mondes, aber auch Bauten, die mit dem Mond verbunden sind, dürfen kein Eigentumsrecht an der Oberfläche oder am Boden unter der Oberfläche oder an irgendwelchen anderen Gebieten schaffen." Die Staaten sollen übereinkommen, wie natürliche Ressourcen ausgebeutet werden dürfen, wobei diese auch insbesondere den Interessen und Bedürfnissen der Entwicklungsländer zugute kommen sollen. Dieser Altruismus ging den technisch hoch entwickelten Ländern dann wohl doch zu weit.
Die Lunar Embassy ist der Meinung, daß von beiden Abkommen - wobei das zweite eigentlich keine Geltung besitzt - nur der Besitz von Land im Weltraum durch Staaten ausgeschlossen sei, während - vor allem im Outer Space Treaty - nicht explizit verboten wurde, daß private Firmen oder Einzelne mit der Absicht wirtschaftlicher Profite Himmelskörper in Besitz nehmen und ausbeuten. Weil die Frage des Privatbesitzes an Himmelskörpern also ungeregelt sei, könne man sich auch solange Land aneignen, bis dies rechtsbindend geregelt werde. Ob man die Inbesitznahme dann auch durchsetzen kann und wie dies geschehen soll, ist freilich eine andere Frage.
Die Juristen Lawrence D. Roberts, Scott Pace und Glenn H. Reynolds sprechen in ihrem Artikel Playing the Commercial Space Game: Time for a New Rule Book? daher auch von einem "rechtlichem Vakuum", denn das Outer Space Treaty führe keinerlei Bestimmungen hinsichtlich der Eigentumsrechte von Privatpersonen am Mond und den Asteroiden aus. Sie plädieren, um Investoren anzulocken, für die Einrichtung von Marktmechanismen, beispielsweise Auktionen, zur Regulierung von Besitz oder Schürfrechten. Wer über genügend Geld oder über die Technik verfügt, wird dann der Erste sein, der im Weltraum über Eigentum verfügt.
Auch wenn es zu einem neuen Wilden Westen im Weltraum kommen sollte, bleibt die große Frage, wie das Abstecken eines Claims für die Beanspruchung von Eigentumsrechten zu geschehen hat. Reicht es, auf einem Asteroiden einen Roboter landen zu lassen? Müssen Menschen den Fuß auf den Boden gesetzt haben? Würde ein ganzer Asteroid oder vielleicht auch der ganze Mond in das Eigentum einer Firma oder einer Privatperson übergehen oder nur ein Teil, beispielsweise derjenige, den ein Mensch abgegangen oder ein Roboter abgefahren ist? Dasselbe Problem betrifft natürlich auch die Bodenschätze oder Wasservorräte, die man auf Himmelskörpern findet. Die Kommerzialisierung des Weltraums wird in der Absenz internationaler Abkommen über Eigentumsrechte auf jeden Fall in der Zukunft zu Konflikten führen.