Sorge um sozialen Frieden
Seite 3: Neue Herausforderungen = neue Kampfansagen
- Sorge um sozialen Frieden
- Wirtschaftsdemokratie unterbindet Klassenkampf
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Der Gesetzgeber sieht jetzt die Betriebsratsarbeit vor neuen Herausforderungen und spricht den Betriebsräten neue Mitwirkungsmöglichkeiten in Fragen der Qualifizierung und Nutzung der Digitalisierung (Künstliche Intelligenz) zu. Qualifizierung wird dann bedeutsam, wenn durch Einführung neuer Technologien bestehende Qualifikationen und die damit verbundenen Tätigkeiten überflüssig gemacht werden.
Im Zuge der Innovationen werden hohe Kosten verausgabt, um die Kosten pro gefertigtem Stück zu senken, was sich auch Rationalisierung nennt. Damit werden Arbeitsplätze abgebaut und die verbleibenden oft umorganisiert.
Irgendeine Sicherheit beruflicher Perspektiven gibt es für die Masse der Lohnabhängigen im "Digitalen Kapitalismus" (so das neueste soziologische Schlagwort) nämlich nicht. Wer sich um einen Arbeitsplatz kümmern muss, hieß es in einem satirischen Arbeitswelt-TÜV bei Telepolis, "sollte sich auf ein bewegtes Leben einstellen. Es gibt keine Garantie auf ihn, seine Leistungsanforderungen wachsen stetig, seine Anzahl sinkt. Gefahren für Leben und Gesundheit sind auszublenden. Orts- und Positionswechsel lassen keine Langeweile aufkommen."
Deshalb bekommen Qualifizierungsmaßnahmen ein neues Gewicht. Auch die Einführung von Künstlicher Intelligenz in Produktion und Handel lässt viele Tätigkeiten verschwinden, und so haben schon viele Unternehmen den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen angekündigt – von der Stahl-, Auto- und Elektroindustrie über Handelsunternehmen bis hin zu den Banken.
Die Politik sieht einen riesigen Erneuerungsbedarf in der deutschen Wirtschaft, was viele Arbeitnehmer ihr Einkommen kosten dürfte. Das alles muss natürlich sein, damit Deutschlands Stellung als Exportweltmeister und Wirtschaftsmacht gesichert wird – im Kampf mit ökonomischen Konkurrenten und politischen Rivalen.
Diesen Umwälzungsprozess im Innern friedlich zu gestalten, da sind die Betriebsräte neu gefordert. So soll die deutsche Sozialkultur gesichert werden auf Kosten vieler Arbeitnehmer.
Eine gewerkschaftliche Erfolgsgeschichte
Die betriebliche Mitbestimmung in Form von Betriebsräten und Aufsichtsratssitzen ist ein zentrales Anliegen des Deutschen Gewerkschaftsbunds und seiner Mitgliedsgewerkschaften. Deshalb hat der DGB zur Ausgestaltung der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes eine umfangreiche Stellungnahme verfasst und zum Betriebsrätestärkungsgesetz seine Änderungswünsche formuliert (Stellungnahme des DGB zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales/BMAS vom 19.01.2021).
Schon der Vorläufer des DGB, der ADGB - der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund - trat vor fast hundert Jahren für die Wirtschaftsdemokratie ein (siehe Die deutsche Gewerkschaftsbewegung/DGB, hrsg. vom DGB-Bundesvorstand, Düsseldorf 1973), nachdem interessanterweise im Ersten Weltkrieg die Grundlagen dafür geschaffen worden waren:
Schon bald nach Kriegsbeginn im August 1914 erhielt die deutsche Sozialpolitik einen mächtigen Schub, der sich nicht zuletzt auf die Notwendigkeit gründete, im Zeichen des sog. Burgfriedens alle Kräfte, auch jene der oppositionellen Arbeiterbewegung, für die "Verteidigung des Vaterlandes", genauer gesagt: die Kriegsziele der Hohenzollernmonarchie, zu mobilisieren, was nur gelingen konnte, wenn man Sozialdemokratie und Gewerkschaften zumindest neutralisierte. Letzteren wurde im Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom 5. Dezember 1916 ein Vorschlagsrecht für die Besetzung obligatorischer Arbeiter- und Angestelltenausschüsse zugebilligt...
Ch. Butterwegge, Krise und Zukunft des Sozialstaats, 2005, S. 47
Hier hat man bis heute das erfolgreiche Betätigungsfeld von Gewerkschaftern, die als Betriebsräte oder im Aufsichtsrat die Rechte von Arbeitnehmern vertreten. Damit werben sie auch auf ihren Websites, wobei für Lohnabhängige eigentlich immer schwerer zu erkennen ist, wieso man diesem Verein beitreten soll, wenn man bereits eine Rechtsschutzversicherung hat. Denn als Rechtssubjekte sind die Menschen, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, im heutigen Sozial- und Rechtsstaat vollumfänglich anerkannt.
Die Gewerkschaft braucht für ihre Politik Mitglieder, die Beitrag zahlen, sich als Wähler funktionalisieren lassen oder als Betriebsräte das Unternehmen mitgestalten wollen; sie braucht Mitglieder, die in Tarifkämpfen als Statisten bereitstehen, mit Gewerkschaftsweste oder -kappe, mit Trillerpfeifen oder Fahnen durch die Straßen ziehen und die besagte kämpferische Pose einnehmen.
DGB-Gewerkschaften sind dabei alles andere als Kampforganisationen, die wegen des Gegensatzes von Kapital und Arbeit Arbeitnehmer auffordern, ihre Konkurrenz untereinander aufzuheben und mit ihrer Solidarität ein Druckmittel gegenüber Unternehmern aufzubauen.
DGB-Gewerkschafter wollen wegen der Abhängigkeit der Belegschaften vom Erfolg des Unternehmens diesen mitgestalten und die negativen Folgen für die Arbeitnehmer mitverwalten. So erklärte DGB-Chef Reiner Hoffmann ("Für mehr Demokratie im Betrieb", 31.03.21) zur geplanten Modernisierung, dass "Arbeitgeber, die lautstark ein Moratorium fordern, nichts anderes (wollen) als Stillstand.
Den können wir angesichts des rasanten Wandels in der Arbeitswelt nicht gebrauchen." Dass der Erfolgskurs der deutschen Wirtschaft ins Stocken geraten könnte, ist für den DGB-Chef wohl der größte anzunehmende Unfall...
So werden Gewerkschafter zu Co-Managern – und als solche auch in Großbetrieben wie Manager entlohnt. Von daher ist es für den DGB kein Verrat an Arbeitnehmerinteressen, wenn seine Funktionäre gleich als Arbeitsdirektoren oder Personalvorstände in den Vorstand des Unternehmens oder den Aufsichtsrat wechseln.
Für diesen Einsatz werden die DGB-Gewerkschaften auch von der Politik geschätzt, mit deren Hilfe sie bei Gelegenheit ihr Monopol gegenüber der aufkommenden Konkurrenz von Spartengewerkschaften schützen lassen, zuletzt durch das Tarifeinheitsgesetz.
DGB-Gewerkschaften machen mit dieser Politik keinen Fehler, sie wollen nicht viel anderes als Stillstand bei den Wachstumsstrategien des deutschen Standorts verhindern. Wer mehr will als diese "Interessenvertretung" durch deutschnationale Gewerkschaften, muss sich organisatorisch also etwas anderes überlegen.
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