Soziale Medien: Verdrahtete Versuchskaninchen – Generation Z

Seite 2: Konkrete Lösungsvorschläge

Jonathan Haidt bietet in "Generation Angst" eine Reihe von konkreten Lösungsvorschlägen an. Die Basis hierfür bildet seine Forderung, keine Smartphones vor dem Alter von 14 Jahren, keine sozialen Medien vor dem Alter von 16 Jahren. Ebenso handyfreie Schulen und mehr freies Spiel.

Murthy schlägt ähnliches vor. Schulen sollten dafür sorgen, dass Lernen und das Zusammensein mit anderen ohne Handy möglich ist.

Eltern sollten rund um die Schlafenszeit, die Mahlzeiten und soziale Treffen handyfreie Zonen einrichten. Zugang zu soziale Medien sollten sie erst nach der Mittelstufe erlauben.

Selbstverständlich ist Murthy nicht so lebensfremd, dass ihm nicht klar ist, wie schwierig sich die reale Umsetzung gestaltet. Deshalb schlägt er vor, dass möglichst viele Eltern mit anderen Familien zusammenarbeiten, um so gemeinsame Regeln aufzustellen, sodass kein Elternteil allein kämpfen muss.

Handeln jetzt – positive Resultate

Angesichts des Ausmaßes der Gesundheitskrise, die sich weltweit zeigt und der Geschwindigkeit mit der sie sich ausbreitet, betont Murthy, dass man schlicht nicht den Luxus hat auf absolut vollständige und unwiderlegbare Beweise zu warten, bevor man sich – ähnlich wie bei Zigaretten – daran macht, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit zu treffen.

Auch Haidt pflichtet dem bei:

Es besteht die Möglichkeit, dass ich falschliege. Aber lassen Sie uns annehmen, dass sich irgendwann herausstellt, dass der Grund für die Zunahme psychischer Erkrankungen nicht die Smartphones sind. Welchen Preis haben wir dann gezahlt? Es kostet nichts, die Dinge zu tun, die ich vorschlage. Aber was, wenn ich recht habe, und wir unternehmen jetzt nichts?

Wir sprechen über Hunderte Millionen junger Menschen auf der ganzen Welt, die weniger intelligent, weniger glücklich und weniger kompetent sein werden. Wir erleben eine massive Zerstörung des Humankapitals globalen Ausmaßes.

Jonathan Haidt, Interview mit der Welt

Studien geben tatsächlich Anlass zu einem verhaltenen Optimismus. In einer großangelegten Studie wurden Menschen dafür bezahlt, Facebook für einen Monat zu deaktivieren.

Das Resultat: Die Menschen trafen sich deutlich häufiger mit Freunden und Bekannten in der realen Welt, fühlten sich glücklicher und – das sollte betont werden – langweilten sich weniger. Als die Facebook-Diät wieder aufgehoben wurde, kehrten diejenigen, die 30 Tage abstinent gelebt hatten, nur langsam zu ihrer alten Gewohnheit zurück und verbrachten auch anschließend deutlich weniger Zeit auf der Plattform.

Das Experiment dürfte auch bei anderen sozialen Medien, die in der Generation Z populärer sind, ähnlich ausfallen.

Generation Z

Dass es dringenden Handlungsbedarf gibt, zeigen nichts zuletzt auch eine Reihe von Äußerungen der Generation Z. Die Journalistin Freya India, selber zur Generation Z gehörend, schreibt:

Die Generation Z war das Versuchskaninchen in diesem unkontrollierten globalen sozialen Experiment. Wir waren die ersten, deren Schwächen und Unsicherheiten in eine Maschine eingespeist wurden, die sie ständig vergrößerte und auf uns zurückwarf, bevor wir überhaupt wussten, wer wir waren.

Wir sind nicht nur mit Algorithmen aufgewachsen. Sie haben uns großgezogen. Sie haben unsere Gesichter umgestaltet. Unsere Identität geformt. Haben uns eingeredet, wir seien krank.

Freya India

Ihr Artikel trägt die vielsagende Überschrift "Algorithmen haben meine Generation gekapert. Ich fürchte um die Generation Alpha".

Die Generation Alpha sind Kinder und Jugendliche, die etwa ab dem Jahr 2010 geboren sind. Ähnlich nachdenklich äußerte sich auch eine Studentin während eines Vortrages gegenüber dem Autor dieser Zeilen: Ihre Generation sei handysüchtig. Im Gegensatz zur Generation Alpha ist ihnen das schmerzhaft bewusst.

Murthy schließt sein Essay mit einem dringenden Aufbruch zur Handlung ab:

Der moralische Test für jede Gesellschaft ist, wie gut sie ihre Kinder schützt. (...) Wir haben das Fachwissen, die Ressourcen und die Werkzeuge, um die sozialen Medien für unsere Kinder sicher zu machen. Jetzt ist es an der Zeit, den Willen zum Handeln aufzubringen. Das Wohl unserer Kinder steht auf dem Spiel.

Vivek Murthy

Literatur:
Jonathan Haidt: Generation Angst
Vivek Murthy: Together
Richard Layard: Wellbeing
Sherry Turkle: Reclaiming Conversation

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