Spanien vor Immobiliencrash?
Neben Preissteigerungen im zweistelligen Bereich macht vor allem die hohe Verschuldung der privaten Haushalte Sorge, Zinssteigerungen könnten zu einem plötzlichen Verfall der Immobilienpreise führen
Die Situation am Immobilienmarkt in Spanien ist ernst, an Warnungen mangelt es deshalb nicht. Erst diese Woche hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) in ihrem Jahresbericht die gefährliche Lage betont. Vor allem die "überdurchschnittlich hohe Verschuldung" der Familien in Spanien werde dann gefährlich, wenn die Zinsen steigen. Das aber passiert gerade. Vor diesem Szenario hatte schon im letzten Jahr die EU-Kommission gewarnt. Die Haushalte seien "empfindlicher als früher" für mögliche Lohnausfälle oder Zinssteigerungen, weil die Einkommen nicht mit der Verschuldung schritt hielten, sagte die Kommission.
Ein Anstieg der Zinsen könnte, anders als in Deutschland, Frankreich oder Italien, zu großen finanziellen Problemen der Haushalte führen, weil die Zinsen in Spanien zu über 99 Prozent variabel abgeschlossen werden, warnt nun die BIS. Zwar sah die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrem Treffen in Frankfurt noch keinen Bedarf für eine Zinserhöhung nach dem Beispiel der US-Notenbank am Tag zuvor, trotzdem müssen drei Millionen Familien in Spanien nun monatlich tiefer in die Tasche greifen.
Denn die variablen Zinsen sind in Spanien nicht an den Leitzins gebunden, sondern meist an den Euribor. Das ist der Zinssatz, den europäische Banken voneinander beim Handel von Einlagen mit festgelegter Laufzeit verlangen. Der Euribor ist in den drei zurückliegenden Monaten jeweils gestiegen und nun bei 2,404 Prozent angelangt. Die Zeiten niedrigster Zinsen, mit denen viele geplant haben, sind vorbei. Nach der vierteljährlichen Revision der Zinszahlungen bedeutet das für den durchschnittlichen Kreditnehmer, der sich 120.000 Euro mit einer Laufzeit von 20 Jahren geliehen hat, 22,5 Euro monatlich mehr an Zinsen ab Juli.
Das hört sich harmlos an, doch eine Studie der Nationalen Statistikbehörde (INE) lässt anderes vermuten. Mehr als die Hälfte aller Familien in Spanien haben schon jetzt Probleme, mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen. Knapp 56 Prozent, will heißen 7,92 Millionen Familien, reicht das Einkommen nicht oder kaum noch aus. Sparen ist sogar für fast 64 Prozent unmöglich geworden. INE bezieht sich auf die ersten drei Monate im laufenden Jahr. Beunruhigen muss auch, dass im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Zahl der Haushalte in Not um fast 127.000 gestiegen ist. Die Tendenz ist seit 2001 ungebrochen, damals waren es noch 48,2 Prozent.
Die Verschuldung der Familien resultiert meist aus den stark gestiegenen Immobilienpreisen, weil traditionell in Spanien Wohnraum eher gekauft als gemietet wird. Die Preise sind in den letzten Jahren jährlich um etwa 17 Prozent in die Höhe geschnellt und haben sich in sieben Jahren verdoppelt. Deshalb haben die privaten Haushalte mit über 500 Milliarden Euro einen neuen Schuldenrekord aufgestellt. Die Verschuldung ist 2003 sogar um 19 Prozent gestiegen und die Schulden der Familien haben sich in nur fünf Jahren fast verdoppelt, hebt die spanische Zentralbank hervor.
Den heftigen Anstieg der Preise und die hohe Verschuldung halten neben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) alle internationalen Organisationen für inakzeptabel, weshalb entsprechende Warnungen ausgesprochen werden. Die erwartete Abschwächung des Preisanstiegs im letzten Jahr trat nicht ein, erst jetzt ist eine leichte Abnahme des Anstiegs zu verzeichnen. In den letzten 12 Monaten sind die Immobilienpreise "nur" noch um 13,8 Prozent gestiegen.
Wegen des hohen Preisanstiegs und der hohen Verschuldung hatte auch die OECD in ihrem Frühjahrsbericht zur Entwicklung ungewöhnlich scharfe Worte gewählt. Sie warnt Spanien vor einem "brutalen und plötzlichen" Verfall der Immobilienpreise. Die Organisation warnt "mittelfristig" vor dem Platzen der Immobilienblase in Spanien.
Zwar versuchte die neue sozialistische Regierung den OECD-Bericht klein zu reden, trotzdem soll dem Phänomen schell begegnet werden. Notmaßnahmen sollten noch vor der Sommerpause verabschiedet werden, wurden aber erst einmal vertagt. Dabei ist die Lage ernst, denn es kommen weitere bedenkliche Faktoren zum Anstieg der Zinsen hinzu. Den Verbrauchern wird auch über die starke Inflation weiter Kaufkraft entzogen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat haben sich die Preise im Juni um 3,5 Prozent erhöht, gaben die Statistiker der INE bekannt. Beides dürfte sich bald ebenso auf den Konsum auswirken, wie der Wegfall von Milliardenzahlungen aus Brüssel (Milliardenloch durch Osterweiterung in Spanien)
Sollten zudem die inflationistischen Tendenzen anhalten, wird auch die EZB nicht um eine Erhöhung der Leitzinsen kommen, mit den negativen Effekten auf die Kreditnehmer. Schnell könnte die Negativspirale in Spanien an Fahrt gewinnen und die Blase sprengen. Welche Folgen dies auf die Ökonomie des Landes hätte, lässt sich leicht ausrechnen. Der Bausektor macht fast 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Eine ähnlich dramatische Entwicklung wie in Japan ist nicht ausgeschlossen. Die im Vergleich zu Spanien wirtschaftlich aber ökonomisch starke Insel leidet noch heute daran, dass dort 1991 die Immobilienblase geplatzt ist. Die Banken ächzen immer unter Milliarden-Lasten fauler Kredite und viele von ihnen können nur mit staatlicher Hilfe vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Die Arbeitslosenquote kletterte dort auf bis dato für unvorstellbar gehaltene 5,5 Prozent, in Spanien ist sie schon jetzt doppelt so hoch.