Spanien will Franco aus der Pilgerstätte für die Anhänger der Diktatur exhumieren
Das sogenannte "Tal der Gefallenen", wo sich der Diktator in einem Mausoleum eine eigene Gedenkstätte schuf, soll nun zur Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus werden
Das spanische Kabinett hat am heutigen Freitag ein Dekret beschlossen, um die sterblichen Überreste des ehemaligen Diktators Franco aus der Kirche im sogenannten "Tal der Gefallenen" zu exhumieren. Eigentlich sollte der Vorgang in der Pilgerstätte für Ewiggestrige längst abgeschlossen sein, denn nach der Regierungsübernahme per Misstrauensantrag hatte Ministerpräsident Pedro Sánchez das schon für Juli versprochen. Doch dann ruderte die Regierung auch wegen des Protests der Kirche, der Familie und von Rechtsradikalen zunächst wieder zurück und vertagte den Vorgang.
Nun wurde ein Dekret beschlossen, gegen das die Volkspartei (PP) schon Verfassungsbeschwerde angedroht hat, die Sánchez im Juni an der Regierung abgelöst hatte. Einige Beobachter bezeichnen das Vorgehen als "historisch", andere dagegen sind vorsichtiger. Ohnehin ist die Exhumierung noch nicht über die Bühne. Sie wird frühestens im Herbst geschehen, wie am Freitag auf der Pressekonferenz der Regierung deutlich wurde.
Zwar erklärte die Vize-Regierungschefin Carmen Calvo, dass "nicht eine Minute verloren werden dürfe", doch unter Einhaltung aller Fristen kalkuliert sie, dass es sogar Winter werden könnte. Man werde die Exhumierung aber vor "Jahresende" durchführen, versprach sie. Eingeleitet wird der Vorgang am 31. August, dann gibt es 15 Tage für Einsprüche. Und die erste Phase, in der sich auch die Familie äußern kann, die strikt gegen die Umbettung ist, soll erst Mitte Oktober abgeschlossen sein. Und dann gibt es eine neue Einspruchsmöglichkeit.
Das Dekret muss auch noch im Parlament verabschiedet werden. Neben der PP hat auch schon die rechte Ciudadanos-Partei (Bürger) - die in Deutschland gerne als liberal bezeichnet wird - angekündigt, dass sie die Exhumierung nicht unterstützen wird. Offiziell versteckt sich Parteichef Albert Rivera dahinter, die Partei sei nicht damit einverstanden, dass der Vorgang per Dekret geschieht. Das macht auch die PP, die sich aber nie vom Diktator oder den von Franco angeführten Putsch gegen die Republik distanziert hat. Zudem wurde die PP von Ministern der Franco-Diktatur gegründet.
Ciudadanos meinen zudem, Sánchez ziehe darüber eine "Nebelwand" zur Ablenkung hoch. Parteichef Rivera hatte aber längst deutlich gemacht, dass "ihm die Knochen Francos ziemlich egal sind". Damit ist ihm auch die Tatsache egal, dass es einen Wallfahrtsort für Faschisten in Spanien gibt. Tatsächlich buhlt seine Partei mit der PP, aus der auch Rivera stammt, um die Stimmen am rechten Rand. Auch die Ciudadanos arbeiten mit rechtsradikalen Organisationen zum Beispiel in der selbsternannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" (SCC) eng zusammen, die von der identitären rechtsradikalen "Somatemps" gegründet wurde.
Linke fordern eine wirkliche Aufarbeitung und ein Ende der Amnestie für die Täter
Durch das Parlament ist das Dekret auch deshalb nicht, weil von linken Kräften gefordert wird, eine wirkliche Aufarbeitung der Diktatur und der Verbrechen zu beginnen. So hat die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) klargestellt, dass sie dem Dekret nur die nötigen Stimmen geben wird, wenn auch die Unrechtsurteile des Franquismus annulliert werden. Denn darunter ist auch das Urteil gegen den ERC-Parteichef und Präsident Kataloniens Lluis Companys. Er war von der Gestapo in Frankreich verhaftet und den Franquisten ausgeliefert worden. Nach schwerer Folter wurde er hingerichtet. Zwar sei die Exhumierung von Franco "symbolisch bedeutsam", aber die ERC will weit darüber hinaus. Sie fordert die "Reparation aller Opfer des Franquismus".
Die Annullierung der Unrechtsurteile haben die Sozialdemokraten (PSOE) von Sánchez nun versprochen, doch man darf gespannt sein, wie sich das real im Gesetzestext niederschlägt. Auch die Linkspartei Podemos (Wir können es) will es 43 Jahre nach dem friedlichen Tod des Diktators nicht bei einer Exhumierung belassen. Auch Podemos will eine wirkliche Aufarbeitung in Gang bringen. Mit der "Amnestie", die sich die Franquisten selbst gegönnt haben, müsse Schluss gemacht werden. "Franquistischen Verbrecher" müssten bestraft werden, fordert die Parlamentssprecherin der Partei Ione Belarra.
Tatsächlich war es ein Schlussstrichgesetz, denn amnestiert werden können eigentlich nur Verbrechen, die verurteilt wurden. Franquisten wurden aber nie vor ein Gericht gestellt. Bis heute boykottiert Spanien mit Blick auf die "Amnestie" alle Versuche, die Täter vor Gericht zu bringen. Behindert wird deshalb auch ein Verfahren, das Opfer in Argentinien angestrengt haben, denn Spanien liefert Folterer und Mörder nicht aus.
Forderung nach Schließung und viele offene Fragen
Aus der Pilgerstätte für Faschisten soll eine diffuse Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus werden, doch wie das genauer aussehen soll, ist bisher noch völlig unklar. Etliche Angehörige von Opfern fordern die Schließung des Mausoleums. Geschätzt 34.000 Menschen wurden mit den Überresten der Diktatoren in dem Tal vergraben, meist Republikaner, Anarchisten, Kommunisten, baskische und katalanische Nationalisten. Dazu kommen Zwangsarbeiter, die den Bau nicht überlebt haben.
Die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) spricht sich mit anderen für einen Abriss aus. Der PNV-Sprecher Aitor Esteban meint: "Für uns ist es ein Orden, ein franquistisches Urteil bekommen zu haben." Der spanische Kultusminister hatte eine Gedenkstätte nach dem Vorbild von Auschwitz als "Auschwitz des Franquismus" ausgesprochen, damit die "Menschen den Horror nicht vergessen". Doch José Guirao ruderte gleich wieder zurück, gab das als persönliche Meinung aus und fügte an, dass der Vorgang nicht in sein Ressort falle.
Es gibt also noch viele Unwägbarkeiten und das letzte Wort ist auch über die Exhumierung noch nicht gesprochen. Werden neben Franco auch andere Putschisten aus ihren Gedenkstätten geholt? Da wären zum Beispiel die Putschisten José Moscardó und Jaime Milans del Bosch. Erst kürzlich hat die Familie des Putschisten José Sanjurjo Sacanel ein Urteil erreicht, wonach der vor zwei Jahren exhumierte Faschist wieder in der Krypta in Pamplona bestattet werden soll. Die linke Stadtregierung hatte ihn aus dem Monument für die Gefallenen beseitigen lassen und hat Widerspruch gegen die Entscheidung angekündigt.
Viele Franco-Anhänger im Militär
Oder was passiert mit den Palästen, wie den "Pazo de Meirás", die sich die Francos unter den Nagel gerissen haben, wo die Franco-Stiftung zudem Werbung für den Diktator und die Diktatur betreibt? Und werden die Stiftung und andere Organisationen dieser Art verboten? Wie geht man mit Militärs um, die ganz offen den Diktator und die Diktatur verteidigen? Ehemalige Militärs und Reservisten - darunter auch sehr hochranginge, wie der ehemalige Generalstabschef Luis Alejandre Sintes, haben gerade in einem Manifest dem Diktator "Respekt" gezollt und greifen eine "infame Kampagne" der "Linken" mit dem "perversen Vorhaben der Exhumierung" an. Aus 180 Erstunterzeichnern wurden inzwischen mehr als 700.
Es gibt inzwischen auch eine zaghafte Gegenbewegung, die der ehemalige Offizier Arturo Maira gestartet hat. In dem Gegenmanifest, das bisher einige Dutzend meist ehemalige Militärs und Guardia Civils unterzeichnet haben, wird das Manifest der Franquisten "mit Nachdruck" abgelehnt. "General Franco gebührt kein Respekt", heißt es darin, "sondern die vollständige Ablehnung, da er einen blutigen und völkermörderischen Putsch gegen die legale und legitime II. Spanische Republik und eine unterdrückerische und gnadenlose Diktatur über fast 40 Jahre angeführt hat."
Maira und seine bisher wenigen Unterstützer, darunter der Podemos-Abgeordnete und Ex-Luftwaffengeneral Julio Rodríguez, wollten sich nicht von den Franco-Fans vereinnahmen lassen. Allerdings überbringt der Ex-Offizier auch eine traurige Botschaft in einem Interview. "Die hohen Offiziere der Streitkräfte sind Franquisten und keine Regierung in der Demokratie hat etwas dafür getan, um das zu verhindern." Alle hätten Angst davor gehabt, fügt der Mann an, der fast 50 Jahre in den Streitkräften gedient hat. Er muss wissen, von was er spricht.