Spanische Paramilitärs stürmen katalanische Ministerien
- Spanische Paramilitärs stürmen katalanische Ministerien
- Repressionspolitik der spanischen Regierung wird vom Parlament in Madrid nicht gedeckt
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Die Guardia Civil nimmt 14 Personen fest, darunter mehrere hochrangige Beamte, dabei hat die Regierung keinen Rückhalt im spanischen Parlament, wo der Repressionsweg gestern abgelehnt wurde
Die spanische Guardia Civil hat bei neun Razzien in verschiedenen Abteilungen der katalanischen Regierung bisher 14 Personen festgenommen. Darunter befinden sich auch mehrere leitende Regierungsbeamte. Nach den zahlreichen Razzien in Druckereien und einer Zeitung wird nun auch in den Ministerien und am Regierungssitz nach Unterlagen für das geplante Referendum am 1. Oktober gesucht, das Spanien mit allen Mitteln verhindern will. Insgesamt sind bisher vier Ministerien der Regionalregierung betroffen.
Maskierte Personen hatten das Umfeld der CUP-Zentrale in Barcelona abgesperrt. Da es zivil gekleidete Personen sind, ist nicht sicher, ob es sich um Polizei oder Guardia Civil handelt, die sich ja gerne bei ihrem Vorgehen vermummen. Die linksradikale Partei steht ganz oben im Fadenkreuz. Die CUP selbst glaubt, es seien spanische Nationalpolizisten. Nun wird gemeldet, dass sie in die Zentrale der Partei eindringen.
Die spanische Vizeministerpräsidentin droht indes weiter. Soraya Sáenz de Santamaría fordert von der katalanischen Regierung, "Katalonien nicht über ihren Ungehorsam in Situationen zu führen, die es nicht verdient hat". Für sie ist klar, dass "das Referendum nicht durchgeführt wird". Die spanische Regierung müsse es in Übereinstimmung mit den Gesetzen und der Verfassung verhindern.
Nach einer Krisensitzung trat der Regierungschef Carles Puigdemont vor die Presse und erklärte am Mittag, dass Spanien "nun faktisch die katalanische Regierung suspendiert" habe. Er verurteilte das "totalitäre und antidemokratische Auftreten des spanischen Staats". Er sprach den Festgenommenen die volle Unterstützung aus. Das Vorgehen sei "illegitim", er nannte es eine "koordinierte Aggression". Die spanische Regierung habe damit die "rote Linie überschritten, die sie von autoritären Regimes getrennt hat". Den Vorgang bezeichnete er als "demokratische Schande", wie sie in keinem Land in Europa bekannt sei. Aber man werde am 1. Oktober beim Referendum das Recht der Bevölkerung verteidigen, über ihre Zukunft zu entscheiden. An diesem Tag "werden wir aus dem Haus gehen, eine Wahlschein mitnehmen und ihn benutzen" und dabei die "Demokratie und Katalonien" verteidigen, kündigte er an.
Unter den Festgenommenen befindet sich auch die Nummer zwei des Wirtschaftsministeriums und rechte Hand von Vizepräsident Oriol Junqueras. Junqueras hat dazu erklärt: "Wir sehen hier Vorgänge, wie wir sie in Westeuropa in Jahrzehnten nicht gesehen haben." Der Vizepräsident und Wirtschaftsminister sprach von einem "Polizeistaat", in dem keine "bürgerlichen Rechte mehr respektiert werden". Es gäbe eine "totale Verachtung" dessen, was eine große Mehrheit der Bürger wolle. Das habe längst die Frage des Referendums überschritten. "Bedroht sind die Demokratie und die bürgerlichen Freiheiten", sagte er.
Die Festnahme seines Generalsekretärs im Wirtschaftsministerium Josep Maria Jové Lladó soll sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Efe auf der Straße abgespielt haben. Mit Bezug auf Quellen in der Regierung berichtet sie, dass die rechte Hand von Junqueras von vier Fahrzeugen der Paramiltärs eingekreist worden sei. Er wurde zum Aussteigen gezwungen und sei dann auf Anordnung eines Richters festgenommen worden. Auch am Regierungssitz seien die Zivilgarden in einen Teil der "Casa dels Canonges", die offizielle Residenz des katalanischen Regierungschefs, eingedrungen, da sich dort die Abteilung für auswärtige Angelegenheiten unter der Leitung von Raül Romeva befindet.
Schon gegen 8 Uhr am Morgen war die Guardia Civil am Sitz der Vizepräsidentschaft und dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen erschienen, um auch hier nach Material zu suchen, das im Zusammenhang mit dem Referendum steht. Unter den Institutionen der katalanischen Regierung, die ebenfalls von der Guardia Civil heimgesucht wurden, befindet sich auch das Finanzamt und das Konsortium für eine transparente Administration. Die Abteilungen für Wirtschaft und das Büro des Finanzsekretärs Lluís Salvadó wurden versiegelt.
Der ERC-Abgeordnete Gabril Rufian hat aus dem spanischen Parlament verlangt, dass die spanische Regierung unter Mariano Rajoy seine "schmutzigen Hände" von den katalanischen Institutionen nehmen soll. Anschließend haben alle Abgeordneten seiner Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) das Parlament aus Protest verlassen. Wie erwartet schlossen sich danach auch die christdemokratischen Abgeordneten der PDeCAT an.
Der Katalanische Nationalkongress (ANC) hatte sofort zum Protest aufgerufen und zahlreiche Menschen versammeln sich an den verschiedenen Ministerien, aber vor allem am Wirtschaftsministerium. Es kam zum Verkehrschaos in Barcelona, weil die Hauptverkehrsadern der Metropole entweder von Demonstranten blockiert waren oder es noch sind. Inzwischen wir in Katalonien angesichts der Zuspitzung laut über einen Generalstreik nachgedacht. Unter den Demonstranten in Barcelona befinden sind auch zahlreiche Abgeordnete des katalanischen Parlaments, wie Joan Tardà und Lluís Llach.
"Sie wollen, dass unser Prozess entgleist. Unsere Stärke, unser Nachdruck, beruht darauf, dass wir alles entschlossen, ehrlich, aber zivil und friedlich tun", erklärte Tardà. "Aber wir werden siegen, weil wir die Kraft der Vernunft haben, der demokratischen Vernunft." Er hat darum gebeten, den Präsidenten und den Vizepräsidenten der Regierung prioritär zu unterstützen. Das gelte für alle Parteien, die für das Referendum sind, ohne Sektierertum, und für alle Katalanen, die abstimmen wollen, egal ob sie für oder gegen die Unabhängigkeit sind.