Spanien zieht alle Register gegen Katalonien
Im Eilverfahren stoppt das Verfassungsgericht die Vorbereitungen für das Unabhängigkeitsreferendum und droht nun Politikern mit Haft
Es ist wahrlich nicht neu, dass in Spanien die höchsten Gerichte in Eilverfahren immer neue Rekorde aufstellen, wenn es darum geht, den Katalanen in die Parade zu fahren, um Abstimmungen über die Unabhängigkeit zu verhindern. So traten schon 2014 die Verfassungsrichter eiligst zusammen, um sogar eine unverbindliche Volksbefragung zu untersagen. Nicht anderes geschah nun, als die Richter sogar mitten im Urlaubssommer Gewehr bei Fuß am Montag zur Verfügung standen, als die konservative Regierung sie rief, um neue Regelungen für das katalanische Parlament auszuhebeln, die das für den 1. Oktober geplante Referendum vorbereiten sollen.
Vergangene Woche hatte die Mehrheit im katalanischen Parlament eine Änderung des Reglements beschlossen, um nötige Gesetze im Eilverfahren mit nur einer Lesung im Parlament beschließen zu können. Das ist durchaus normal. So wurden und werden in Deutschland immer wieder Gesetze beschlossen, wie zum Beispiel für Rettungspakete. Und es kommt sogar vor, dass auch der Bundesrat noch am gleichen Tag abstimmt, der dazu eigentlich drei Wochen haben müsste. Auch Sicherheitsgesetze werden gerne eilig beschlossen, wie kürzlich die Einführung des Staatstrojaners.
Auch Spanien kennt natürlich solche Eilverfahren. So wurde vor drei Jahren an nur einem Tag ein Gesetz zur vorzeitigen Abdankung des Königs durch die beiden Kammern des Parlaments gepeitscht. Der Sohn wurde eilig als Nachfolger auf den Thron gehoben. Verhindert werden sollte eine Debatte darüber, warum das Land eigentlich überhaupt einen König haben soll und nicht wieder eine Republik wird. Denn der König wurde einst vom Diktator Franco als Nachfolger eingesetzt. Er hat nicht nur repräsentative Aufgaben, ist nicht nur Staatschef, sondern hat auch eine bedeutsame Funktion als Militärchef.
Was also in Deutschland oder Spanien völlig normal ist, soll aber nach Ansicht der spanischen Verfassungsrichter in Katalonien verfassungswidrig sein, weil im Hintergrund das Referendum über die Unabhängigkeit steht. Deshalb wurde nun die Verfassungsklage gegen die vergangene Woche beschlossene Änderung des Reglements eilig angenommen. Das Ziel war, dass damit automatisch der Beschluss des katalanischen Parlaments außer Kraft gesetzt wird.
Dringende Gesetze sollen in Katalonien also nicht im Eilverfahren beschlossen werden dürfen, bis die Verfassungsrichter ihr abschließendes Urteil fällen. Und das wird, das ist bekannt, erneut im Sinne der konservativen Volkspartei (PP) ausfallen, die mit ihren Anhängern auch dieses Gericht beherrscht, was auf große Kritik stößt. Das zeigt schon die Einstimmigkeit an, mit der die Klage nach nur 45 Minuten Debatte angenommen wurde.
Rajoy: Es gibt auf keinen Fall ein Referendum
Der "Korruptions-Präsident" Mariano Rajoy, wie ihn die Opposition nennt, hatte den Richtern schon am Freitag vorgegeben, wie zu entscheiden sei, als er die Klage angekündigt hatte. Es werde "auf keinen Fall" ein Referendum geben, meinte Rajoy und erklärte, dass mit den Eilverfahren die "elementaren demokratischen Garantien" nicht gegeben seien.
Das hat ausgerechnet ein Präsident gesagt, der gern in wichtigen Fragen per Dekret illegal und mit Eilverfahren regiert und auch immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg oder vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zurückgepfiffen werden muss, weil sogar seine klar verfassungsfeindlichen Gesetze vom höchsten Gericht abgenickt wurden.
Hoffnung auf politische Lösung
Das Gesetz, um das Referendum am 1. Oktober auf den Weg zu bringen, wurde erst am gestrigen Montag im katalanischen Parlament registriert. Es soll – ohne Eile – im September nach der Sommerpause verabschiedet werden. Denn eigentlich richtet sich die Klage gegen das Reglement tatsächlich dagegen, anders als viele deutsche Medien berichten, dass Katalonien im Eilverfahren seine Abtrennung von Spanien in nur zwei Tagen beschließen soll, wenn sich beim Referendum dafür eine Mehrheit ergibt. Dass ein Gesetz in Barcelona sogar ohne Debatte beschlossen werden soll, gehört eben auch ins Märchenreich.
Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat derweil erklärt, das Referendum werde auf jeden Fall stattfinden. Der Gesetzesentwurf dafür wurde derweil den diplomatischen Vertretungen verschiedener Ländern mit der ausdrücklichen Hoffnung zugeschickt, eine "politische Lösung" zu finden. Verwiesen wird darin ausdrücklich auf den "Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte", der von den Vereinten Nationen 1966 beschlossen wurde und den auch Spanien nach der Diktatur 1977 ratifiziert hat. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist dort als Menschenrecht verankert, woran sich deshalb auch Spanien zu halten hat.
Auf dieser Basis kann und sollte es eine politische Lösung geben. Warum sollte ein Referendum in Katalonien illegal sein, wenn sie in Schottland oder Quebec problemlos möglich waren? Auch Kanadas Verfassung sieht eine Abspaltung Quebecs nicht vor, worauf man sich in Madrid gerne zurückzieht. Doch die kanadischen Verfassungsrichter haben, anders als im postfaschistischen Spanien, auf das "demokratische Prinzip" verwiesen, auf dem die Verfassung beruht und die Abstimmung zugelassen. Deshalb könne der Wunsch Quebecs abzustimmen nicht ignoriert und das Ergebnis müsse anerkannt werden.
Doch in Spanien hat man mit demokratischen Prinzipien halt so allerlei Probleme, weshalb auch das Strafrecht nach der Volksbefragung 2014 verschärft wurde, weil sich Katalonien eine demokratische Befragung nicht verbieten ließ und 81% für die Unabhängigkeit gestimmt haben.
Deshalb erklärte der Regierungschef Puigdemont, dass er bereit sei, auch in den Knast zu gehen. Ausgeschlossen ist das nicht, denn das Verfassungsgericht hat ausdrücklich denen strafrechtliche Konsequenzen angedroht, die sich über die Aussetzung der neuen Regelungen hinwegsetzen. Schon jetzt droht der Parlamentspräsidentin Carmen Forcadell eine Haftstrafe, weil sie Parlamentsdebatten zum Thema zugelassen hat. Sie betonte, dass keine "repressive Aktion" das Referendum am 1. Oktober verhindern könne.
Im Interview mit dem britischen Daily Express erklärte sie, dass Spanien immer noch nicht verstanden habe, dass der Willen der Bevölkerung in Katalonien, selbst über die Zukunft zu entscheiden, "nicht ausgelöscht werden kann".
Repression ist der Weg, auf den man im postfaschistischen Spanien setzt. Politiker wurden schon mit Amtsverbot belegt, weil sie 2014 eine unverbindliche Volksbefragung durchführten. Die sollen ökonomisch ruiniert werden und für die Kosten - fünf Millionen Euro - aufkommen. Neben hohen Geldforderungen droht nach Gesetzesverschärfungen nun denen Knast, die das Referendum durchführen. Schon jetzt lädt die paramilitärische Guardia Civil hohe Beamte immer wieder vor, um Druck auszuüben und Angst zu schüren.