Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober auf der Tagesordnung
Die katalanische Regierung hat nun auch die Frage für das Referendum vorgestellt, das Spanien mit allen Mitteln verhindern will
"Wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik ist?" Über diese Frage soll die Bevölkerung in Katalonien am 1. Oktober entscheiden. Das hat am Freitag für die katalanische Regionalregierung der Regierungschef Carles Puigdemont angekündigt. Damit tritt die Auseinandersetzung um eine demokratische Abstimmung in die entscheidenden letzten drei Monate, in denen mit einer massiven Zuspitzung aus Madrid zu rechnen ist.
Während man in Großbritannien oder in Kanada nichts Außergewöhnliches daran findet, die Bevölkerung in Schottland und in Quebec über die Unabhängigkeit entscheiden zu lassen, versteigt sich der rechte spanische Regierungschef sogar dazu, von einem "Putschversuch" und einer "Putschdrohung" zu sprechen. Man tut verbal also so, als wollten die Katalanen sich bewaffnet erheben, um die Macht in Spanien zu übernehmen. Dabei wollen sie Wahlurnen aufstellen, um die Bevölkerung abstimmen zu lassen.
Mit der Wortwahl wollen Mariano Rajoy und seine postfaschistische Volkspartei (PP) nur die Demokratiedefizite im Land verdecken, die sich ihrerseits nie vom Putsch der Generäle 1936 gegen die Spanische Republik und die Jahrzehnte der folgenden brutalen Diktatur distanziert haben. Ohnehin regieren Rajoy und seine PP, die von Korruption zerfressen ist, zunehmend autokratisch und repressiv. Sogar für Meinungsäußerungen und Satire drohen immer mehr Menschen Haftstrafen, um von Beteiligung an Streiks nicht zu sprechen.
Letztlich sollen neue repressive Schritte gegen Katalonien gerechtfertigt werden, weshalb viele Katalanen einen "heißen Sommer" und "Maßnahmen" befürchten, "die einer europäischen Demokratie unwürdig" seien. Denn schon jetzt wurden Politiker zu Amtsverboten verurteilt, weil sie im November 2014 unverbindlich die Bevölkerung in Katalonien über die Unabhängigkeit befragt hatten. Da derweil die Gesetze verschärft wurden, droht der Präsidentin des katalanischen "Parlaments" inzwischen sogar Knast, weil Carme Forcadell Debatten zum Thema zugelassen hat, was Spanien ebenfalls untersagen will.
Meinungsfreiheit und Demokratie sehen anders aus. Das stellte kürzlich auch eine Parlamentariergruppe im britischen Parlament fest, in der alle Parteien vertreten sind. In einem Brief an Ministerpräsident Rajoy schrieben sie, dass man es mit einer "klaren Verletzung des demokratischen Grundrechts der Meinungsfreiheit" zu tun habe, "für die es in der neueren Geschichte Westeuropas nach 1945 kein Vorbild gibt". Sie weisen darauf hin, dass damit gegen die Satzung des Europarats verstoßen werde, in dem auch Spanien Mitglied ist.
Spanische Regierung reagiert zurückhaltender
Eines hat die Ankündigung der Frage und des Datums aber klargemacht: Die massive und zunehmende Kritik an Spanien hat inzwischen dazu geführt, dass die Regierung nun zurückhaltender reagiert. Weder Rajoy noch seine Stellvertreterin haben sich bisher geäußert. Die üblichen Drohungen mit Strafverfolgung und möglicher Aussetzung der katalanischen Autonomie unterblieben bisher. Plötzlich erklärt der Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo sogar, dass man es nur mit "Worten" zu tun habe und man "zweifelsfrei" einschreiten werde, "wenn daraus Taten folgen". Bisher hatte man auf solche Vorgänge aber ganz anders reagiert. Kürzlich wurde die Staatsanwaltschaft zu neuen Anklagen getrieben, weil "Wahlurnen für Parlamentswahlen, Volksbefragungen und andere Formen der Bürgerbeteiligung" bestellt wurden.
Die spanische Regierung zeigte sich überzeugt davon, dass die Abstimmung nicht stattfinden wird. Rajoy verweist dabei auf die Verfassung, wonach ein Referendum nur dann erlaubt sei, wenn die Menschen in ganz Spanien befragt werden. Das ist natürlich Unsinn, schließlich haben auch nicht alle Kanadier und nicht alle Menschen in Großbritannien über die Unabhängigkeit von Quebec oder Schottlands abgestimmt. Verwiesen wird in Madrid auch gerne auf den Europarat, der kürzlich in einem Brief erklärt hat, dass die Katalanen das Referendum mit Spanien abstimmen müssten.
Daraus leitet die spanische Regierung ab, man könnte sich schlicht einem Abkommen über Zeitplan und Frage verweigern, um den Vorgang darüber zu blockieren. Rajoy glaubt, er könne auch dieses Problem aussitzen, das er zwischenzeitlich mit Repression weiter zuspitzt. Man will in Madrid nicht verstehen, dass im Kern auch der Europarat das Rechtsverständnis der Spanier nicht teilt und Katalonien ein Referendum zubilligt. Deshalb hat Puigdemont auch am Freitag wieder klargestellt, sein Ziel sei weiter, sich mit Spanien auf ein Referendum zu einigen, das aber weiter jede Verhandlung verweigert. Der Europarat dankte Puigdemont für die Information und die Zusicherung, mit der Institution kooperieren zu wollen.
Klar ist auch, dass es neben einem Referendum auch noch einen anderen Weg gibt. Letztlich hat der Internationale Gerichtshof (IGH ) in Den Haag sogar im Fall des Kosovo abgesegnet, dass man sich im Notfall auch einseitig unabhängig erklären kann, ohne Referendum, einfach über die Parlamentsmehrheit, die es auch in Katalonien gibt. "Die Erklärung vom 17. Februar 2008 hat das allgemeine internationale Recht nicht verletzt", urteilte der IGH und stellte eindeutig fest, dass es keine internationale Rechtsnorm gibt, die es einer Bevölkerung verbiete, sich auch einseitig für unabhängig zu erklären. Und dieser Vorgang wurde von der EU vorangetrieben.